Judith enthauptet Holofernes
von Artemisia Gentileschi
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„Das muss ja eine schreckliche Frau gewesen sein“, schreibt der italienische Kunsthistoriker Roberto Longhi 1916 über die Künstlerin bei Betrachtung des Bildes Judith enthauptet Holofernes. Aber trotzdem hat die Kunstwelt es Longhi zu verdanken, dass Artemisia Gentileschi (1593-1654) nach fast drei Jahrhunderten ihre Quarantäne-Schublade wieder verlassen durfte. Schrecklich war sie allerdings nicht, höchstens schrecklich mutig und fortschrittlich und ihrer Epoche weit voraus...
Rache ist kalt am süßesten:
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Judith enthauptet Holofernes von Artemisia Gentileschi | Bildquelle: Wikipedia
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Das Bild ist ein Rachefeldzug, der sich gegen ihren Vergewaltiger Tassi richtet. Kunsthistoriker bescheinigen, dass Holofernes‘ Gesichtszüge denen von Tassi gleichen. Sie zahlt es ihm so heim, für die Ewigkeit und für die ganze Welt sichtbar. Seine Schade ist um vieles größer, und er bezahlt mit dem Leben. Artemisia bedient sich dazu einer Geschichte aus der Bibel und malt ein blutrünstiges Drei-Personen-Stück, das sie vor einem schwarzen Hintergrund inszeniert. Es ist die Geschichte der reichen, schönen Witwe Judith, die ihr Volk befreien will. Dazu begibt sie sich in Begleitung ihrer Magd Abra vor die Tore der Stadt Betulia, verführt den assyrischen Feldherrn Holofernes, macht ihn betrunken und enthauptet ihn. Mit schön drapierten, edlen Stoffen und kräftigen Farben lenkt die Künstlerin ein paar Sekunden von der Brutalität ab, die auf der hellen Matratze passiert. Samtrotes Blut spritzt aus Holofernes‘ Hals in alle Richtungen und besudelt die hellen Laken. Er ist halb von einem blutroten Samtumhang bedeckt, man sieht nur sein nacktes, rechts Knie und den linken Arm. Dieser Rotton wiederholt sich in den Bändern, die bei Abra und Judith das Abrutschen der aufgekrempelten Ärmel verhindern sollen. Die beiden nackten, rechten Arme der Frauen, die das Schwert fest nach unten drücken, bilden ein Dreieck. Abra trägt ein blaues Kleid und eine helle Kopfbedeckung, die sie als Dienstbotin ausweist. Sie weiß genau, was sie zu tun hat. Judith setzt den dritten Farbakzept mit ihrem aufwendigen Kleid in einem hoffnungsvollen Gelb, dem Artemisia-Goldton. Diese Judith ist keine junge, schwache Frau. Artemisia malt ihr ein Doppelkinn und entblößt ihre kräftigen Arme. Ihr einziger Schmuck ist ein Armband. Angeblich soll man auf einem der Steine die Jägerin Diana erkennen. Ohne Zögern, verbissen, die Augen geschlossen, eiskalt, konzentriert sie sich auf die Tat. Judith hat alles minutiös geplant. Es ist keine Tat im Affekt. Harmonisch treffen die Grundfarben hier aufeinander und täuschen Eintracht vor.
Holofernes‘ Leidenschaft hat sich im Wein verloren und die heißblütigen Gedanken an die schöne Judith haben ihn schwach werden und die Vorsicht vergessen lassen. Er liegt wie ein Opfer auf dem Rücken, ohne sein lüsternes Ziel erreicht zu haben. Verteidigen kann er sich in dieser Position nicht mehr, und so wendet er sein überraschtes Gesicht dem Betrachter zu und bittet ihn mit verschreckten, aufgerissenen Augen um Hilfe. Das wird sie nicht zulassen können. Judith hat Holofernes zuerst mit den Waffen der Frauen kampfunfähig gemacht, um ihn dann mit den Waffen der Männer zu töten. Unterschiedliche Schlaglichter im Bild durchbrechen die Dunkelheit und beleuchten die einzelnen Körperteile. Das Licht ist künstlich und so eingesetzt, wie sie es gerade braucht, um den gewünschten Effekt zu erzielen. Man weiß nicht wirklich, wo dieser Mord stattfindet. Die unterschiedlichen Schatten verhindern eine genaue Positionierung des Lichtursprungs. Das entschlossene Gesicht der Magd sieht kerzenbeleuchtet aus, so wie George de la Tour ein paar Jahre später seine Gesichter ausleuchten wird. Interessant ist die rechte Faust des Holofernes, die dem Gesicht von Abra sehr nahe kommt, aber sein Arm ist nicht lang genug. Es fehlt höchstens ein cm, aber selbst wenn, das Schwert steckt ja schon in seinem Hals. Die Dynamik des Bildes drängt nach unten, wo die Schwertspitze das Trichter-Dreieck beendet und gleichzeitig die Mitte des Bildes darstellt. Artemisias Kopf und Holofernes‘ Knie sind die beiden anderen Eckpunkte. Auch farblich wird es immer heller je weiter es nach unten bis zur Doppelmatratze geht. Sie wirkt stabil, obwohl Blut durch die Falten der Laken rieselt.
Später wird Holofernes‘ aufgespießter Kopf auf der Stadtmauer die assyrischen Truppen zur Flucht veranlassen.
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Entstanden ist dieses Gemälde um 1620. Es hängt in den Uffizien in Florenz und misst 199x 162 cm.
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Christa Blenk - 29. August 2021 ID 13106
In der Zeit der beginnenden Pilgerströme und Bildungsreisenden wird Artemisia Gentileschi in Rom geboren. Die Zeit, in der das barocke, prunkvolle Rom entsteht unter Künstlern wie dem geltungssüchtigen, genialen Bernini, von Borromini oder eines grimmigen Querulanten und aggressiven Trunkenbolds mit Namen Caravaggio, der mit seiner Hell-Dunkel-Malerei auch einen Teil der Gegenreformation versinnbildlicht und trotz schlechtem Ruf von der Kirche unterstützt wird. Einer seiner ersten Nachahmer war der Vater von Artemisia, Orazio, ein eher mittelmäßiger Maler, der sich ebenfalls gerne seine Modelle von der Straße oder aus dem Familienkreis holte. Obwohl der Vater seine hübsche Tochter sehr behütet, bringt er dann doch ihren zukünftigen Vergewaltiger ins Haus in Form von Agostino Tassi, einem Lehrer, bei dem sie die Perspektive lernen sollte. Heute würde der für Artemisia sehr peinliche und schmerzhafte Vergewaltigungsprozess – angeblich wurden ihr bei ihrer Aussage sogar Daumenschrauben angelegt - in die #metoo-Debatte eingereiht werden. Das angeblich frühreifes Mädchen wird zweimal Opfer: einmal durch die Vergewaltigung und dann erneut durch den Richterspruch. Tassi, ein finsterer Bursche, der schon vor dem Prozess viel Dreck am Stecken hat, kommt angeblich später ins Gefängnis, aber nicht wegen der Vergewaltigung, sondern wegen Diebstahls.
Die knapp 20-jährige Artemisia wird kurz darauf nach Florenz geschickt und mit einem anderen Maler verheiratet und bekommt zwei Töchter. Die Florentiner erkennen schnell ihr Talent und nehmen sie schon 1616 als erste Frau in der Accademia dell’Arte del Disegno in Florenz auf. Ein paar Jahre später macht sie eine bedeutende Karriere in Neapel und bekommt mehr Geld für ihre Bilder als ihre männlichen Kollegen. Sie hält sich dabei nicht an die damaligen Vorgaben für weibliche Malerinnen, Familienszenen oder Portraits zu malen, sondern konzentriert sich auf charakterstarke, entschlossene, mutige Heldinnen, die sie meist aus der Bibel holt. Artemisia setzt auf Realismus, versteht die Macht der Farben und braucht weder Pathos noch Symbolik, auch die Begriffe weibliche Schwäche, Demut oder Sanftmut sind mit ihr nicht zu vereinbaren. Schon im Prozessjahr 1612 malt sie die erste Version von Judith enthauptet Holofernes. Immer wieder kommt sie auf dieses Thema zurück. Um 1620 malt sie das hier beschriebene Gemälde.
Wikipedia-Link zu Judith enthauptet Holofernes
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