Das Frühstück im Grünen
von Édouard Manet
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Ab den 1850er Jahren veranlasste Napoleon III. die Reorganisation von Paris und beauftragte damit den Pariser Präfekten Baron Haussmann. Dieser erschuf das Paris, das wir heute kennen. Als erstes wurden ganze Bezirke an den Stadtrand verbannt. Große Schneisen verschluckten enge, verwinkelte Gassen und ärmliche Wohngegenden. Dafür spuckten sie noble Geschäfte, Cafés und Varietés hervor. Breite Avenuen und große Boulevards mit Gehwegen luden zum Flanieren ein, aber auch die Armee konnte so die Stadt leichter durchqueren. Wer er sich leisten konnte, Zeit und Muse hatte, schlenderte durch die Stadt, um zu sehen und um gesehen zu werden. Jacques Offenbachs beschrieb 1866 mit seiner Operette La vie Parisienne dieses neue Lebensgefühl der Städter. Aber auch die Malerei hatte sich dem anzupassen, und die großen historischen Schinken sollten bald vom Impressionismus abgelöst werden. Nur der Pariser Salon 1863 schien das nicht begriffen zu haben, machte einen Schritt zurück und lehnte einen Großteil der eingereichten Werke ab, darunter auch Bilder von Manet oder Cézanne. Nach frenetischen Protesten der Künstler entschied also Napoleon III. höchstpersönlich, einen Großteil der abgelehnten Werke im neuen Salon des Refusés (dt.: Salon der Zurückgewiesenen) zu präsentieren. Das passierte dann ein paar Tage nach der Eröffnung des offiziellen Salons aber im selben Gebäude mit separatem Eingang. Diese prickelnden „Räume des Grauens“ zogen allerdings bereits am Eröffnungstag Tausende Besucher in die Ausstellung.
Frühstück im Grünen von Edouard Manet (1832-1883) hing ein wenig abseits, flankiert von zwei hochformatigen, harmloseren Bildern ebenfalls von ihm. Der Skandal sollte einer der größten in der Pariser Kunstszene überhaupt werden. Obwohl das Bild den Stempel „unanständig“ aufgedrückt bekam - oder wahrscheinlich gerade deshalb - wurde es zum Publikumsmagneten. Wobei Manets Nichtachtung der Perspektive sicher noch der kleinere Fehltritt war. Erdreistete er sich doch, eine bekannte Frau aus dem Pariser Vergnügungsleben nackt zu malen. Zolas Einwurf, das es im Louvre unzählige Bilder mit bekleideten und unbekleideten Personen zu sehen gäbe, entschärfte den pikanten Skandal nicht. Manet hatte bewusst ein provozierendes Bild gemalt, denn der Arbeitstitel lautete La Partie carrée (dt.: „Der flotte Vierer“):
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Das Frühstück im Grünen von Edouard Manet | Bildquelle: Wikimedia
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Das Bild ist fast quadratisch, aber die Szene, um die es geht, spielt sich in einem Dreieck nach hinten, also in das Bild hinein, ab. In erster Reihe, auf ihrem hellblauen Kleid sitzend, das stadtbekannte und professionelle Modell Victorine Meurent. Die restliche Kleidung liegt schlampig und unachtsam vor ihr und bildet mit dem Picknick-Korb, mit Früchten, einem Brot, Grünzeug und zwei Pilzen eine Reminiszenz an das Stillleben. Ausgezogen sitzt sie dort in Gesellschaft von zwei bekleideten Männern und scheint sich ihrer Nacktheit gar nicht bewusst zu sein. Manets Vorbild war Raffaels Urteil des Paris, das er als Kupferstich von Marcantonio Raimondi kannte und auf dem auch die Männer nackt im Gras liegen. Mit der rechten Hand am Kinn blickt Victorine Meurent selbstbewusst und provozierend auf den Betrachter und scheint sich gar nicht für ihre Begleiter zu interessieren. Bruder und Schwager von Manet haben für die Männer Modell gesessen. Sie sind elegant und dandyhaft gekleidet. Der Mann mit der dunklen Kopfbedeckung ihr gegenüber hält den unabkömmlichen Spazierstock des geneigten Paris-Flaneurs in der linken Hand und stützt sich auf seinen linken Ellenbogen. Die andere Hand streckt er ihr entgegen, sie achtet aber gar nicht auf ihn. Sein linkes Bein liegt ausgestreckt auf der Wiese, das andere ist angewinkelt. Das rechte Bein der Dame ist ebenfalls angewinkelt und ihr Fuß steht fest auf dem Boden zwischen den Beinen ihres Gegenübers. Ihr großer Zeh berührt seine Hose. Ihr linkes Bein ist vom Kleid bedeckt, auf dem sie auch sitzt, nur die nackte Fußsohle zeigt auf den Betrachter. Der Mann neben ihr blickt nachdenklich versonnen irgendwo in die Ferne. Seine Hand liegt auf seinem leicht angeschrägten Knie. Diese Ansammlung von Geometrie in der Szene verstärkt den Eindruck des Dreiecks an dessen Ende die Vierte dieses erotischen Picknicks im transparenten Unterrock gerade aus dem See steigt. Sie hat wohl gebadet, steht voll in der Sonne und ist perspektivisch gesehen viel zu groß geraten. Das kleine Ruderboot rechts von ihr verstärkt diesen Eindruck. Links der Gruppe malt Manet eine klassische, unschuldige Landschaft im Giorgione-Stil. Viel Schwarz im Bild, aber Manet hat es sowieso immer abgelehnt, mit den Impressionisten auszustellen und fühlte sich deren Maximen nicht verpflichtet.
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Das war nicht das erste und das einzige Mal, dass Edouard Manet beim Pariser Salon abgelehnt wurde. Der Absinthtrinker wurde schon 1859 verworfen, seine Olympia 1865, und 1869 passierte es erneut mit einem ganz anderen, politischen Bild: Die Erschießung Kaiser Maximilians. Hier hat ihn Goyas Werk Die Aufständischen vom 3. Mai inspiriert. Dieses Mal verhinderten aber die Veranstalter mit Erfolg die Präsentation dieses politisch viel zu brisanten Themas. Manet malte nämlich den Moment, in dem ein republikanisches Hinrichtungskommando in der mexikanischen Stadt Queretaro den österreichischen Erzherzog Maximilian und zwei seiner mexikanischen Generäle erschoss. Der Habsburger war drei Jahre lang und auf ausdrücklichen Wunsch von Napoleon III. Kaiser von Mexiko. Damit wollte Frankreich mehr Sichtbarkeit auch in Mittelamerika erreichen. Da dieses anspruchsvolle Unterfangen aber nicht funktionierte, zog Napoleon schon nach zwei Jahren seine Truppen wieder ab und überließ Maximilian seinem Schicksal. Die Anklage an sein Land manifestiert Manet, in dem er das mexikanische Erschießungskommando französische Uniformen tragen lässt. Dieses Bild wurde nie in Frankreich gezeigt und hängt heute in Mannheim.
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Christa Blenk - 20. Oktober 2022 ID 13861
Das Gemälde Das Frühstück im Grünen entstand 1863 (im Atelier) und misst 208 x 264 cm. Nach der Präsentation im Salon der Zurückgewiesenen zieht es wieder bei Edouard Manet ein und bleibt erst einmal in seinem Atelier hängen. 1880 erwirbt es die Opernsängerin Faure aus seinem Nachlass, und nach zwei weiteren Verkäufen landet es schließlich im Louvre und kommt 1986 ins Musée d’Orsay in Paris, wo es heute immer noch hängt.
Wikimedia-Link zu Manets Frühstück im Grünen
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