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Werkbetrachtung

La gourmandise

(dt.: Die Genießerin) von

María Blanchard (1881-1932)



Die spanische Malerin María Gutiérrez Blanchard (1881-1932) war Anfang des 20. Jahrhunderts die bekannteste und erste weibliche kubistische Malerin. Bekannt geworden ist sie, wie viele ihrer Landsleute, in Paris. Nach einer ausgiebigen und sehr persönlichen, kubistischen Phase hat sie sich wieder der Figuration zugewandt, allerdings weiterhin mit kubistischen Elementen experimentiert. Nach relativ erfolgreichen Jahren wurde sie ab den 1920er Jahren Opfer der Wirtschaftskrise und hatte schwer um ihr Auskommen zu kämpfen. In dieser Zeit entstand La gourmandise, das Bild der gierigen Genießerin:



La gourmandise von María Blanchard
Bildquelle: parismuseescollections.paris.fr


Natürliches Licht kommt nicht ins Zimmer. Es scheint schon dunkel zu sein, oder die Jalousien verhindern den Eintritt von Tageslicht. María Blanchard malt hier einen Überfluss inmitten der persönlichen Versorgungsprobleme der Künstlerin zwischen den beiden Kriegen. Dabei geht es nicht um genussvollen, langsam zelebrierten, kulinarischen Hochgenuss sondern eher um ein nimmersattes, gieriges In-sich-Hineinstopfen. Es geht nur um Menge, nicht um Qualität. Das Alter des Kindes ist schwer zu schätzen. Teilnahmslos und nur mit sich beschäftigt, wie ein Gargantua, stopft es sich voll. Das Mädchen sitzt auf einem Kinderstuhl, leicht erhöht, vielleicht weil sie noch sehr jung ist oder vielleicht, weil sie nicht wachsen will. Blanchard war kleinwüchsig und gehbehindert. Ihre Mutter ist mit ihr gefallen. Es ist aber nicht ganz klar, ob sie behindert zur Welt kam oder der Unfall später passierte. Auf dem Tisch liegt ein schmutzig-weißes, kantiges Tischtuch, das an ihre kubistische Phase erinnert. Darauf befindet sich alles, was sich eine Kinderseele so erträumt. Keine gesunden Lebensmittel, sondern nur Süßzeug: Kringel, Kuchen, Zuckerwaren, Pralinen, Pudding, Schokolade. Mit der linken Hand rührt sie in einer Tasse mit heißer Schokolade, während sich die Rechte über eine Schale mit Pudding hermachen will. Jemand hat ihr eine Serviette umgebunden. Sie ist konzentriert auf ihre Tätigkeit und scheint sich von der übrigen Welt abgesondert zu haben. Ein leerer Stuhl links lässt vermuten, dass vielleicht noch jemand erwartet wird. Wenn es ein Geburtstag ist, fehlt jedoch die fröhlich, erwartungsvolle Stimmung. Hat Blanchard hier einen verdorbenen Kindergeburtstag ohne Kinder gemalt? Sind die Gäste noch nicht gekommen? Ist es noch zu früh? Oder weiß sie schon, dass niemand kommen wird? Sie scheint jedenfalls nicht vorzuhaben etwas für andere übrig zu lassen. Glücklich sieht das Kind trotzdem nicht aus. Vielleicht eine Szene aus Blanchets Kindheit, denn durch ihre Behinderung dürfte sie kein normales Kinderleben gehabt haben, war eine Außenseiterin. Kinder sind grausam. Schwarze, dicke Konturen umrahmen das Kind und die Süßigkeiten auf den Tellern. Es ist ein einsames und auch aufgrund der Farbwahl trauriges Bild. Keine knalligen Kinderfarben, kein Gelb oder Rot, sondern nur dunkle, triste Farben, metallische Lilatöne, viel zu expressiv und kontrastreich für eine Kinderparty.


Es ist kein schönes Gemälde, aber die verkündete Hoffnungslosigkeit berührt uns.

La gourmandise entstand 1924, misst 116 x 73 cm und hängt im Pariser Musée d’Art Moderne.

Wie in den meisten ihrer Werke, macht Maria Blanchard den Betrachter auch bei der Gourmandise auf ihr kompliziertes Verhältnis zu ihrem Körper aufmerksam. Schmerzverzerrter, kantiger Symbolismus dominiert meist auf ihren Mutter-Kind-Bildern oder anderen häuslichen Szenen von arbeitenden Frauen, gespickt mit Hinweisen auf Verletzlichkeit und auf einen Überschuss an nicht ausgelebten Emotionen.
Christa Blenk - 24. September 2024
ID 14936
María Blanchard wird 1881, im selben Jahr wie Picasso, in Santanter als Tochter eines Journalisten geboren. Sie studiert zuerst in Madrid, dann in Paris. Der Erste Weltkrieg zwingt sie für eine Weile nach Spanien zurückzukehren. Sie unterrichtet zwei Jahre in Salamanca. 1916 fällt die von Ramón Gómez de la Serna organisierte Kubismus-Schau in Madrid, auf der sie auch vertreten ist, komplett durch, und die Ausstellung wird wieder geschlossen. Enttäuscht von ihrem Land geht Blanchard für immer nach Paris. Dort arbeitet sie mit Kees van Dongen und freundet sich mit Juan Gris an. Später reist sie mit dem Ehepaar Diego Rivera und Angelina Beloff nach Brüssel. Es folgen ein paar auch wirtschaftlich gute Jahre. Nach einer ausgiebigen kubistischen Phase kehrt sie zu einer Art rätselhaften, kubistisch-naiven Figuration zurück. 1921 hat sie großen Erfolg im Salon des Indépendants. Aber dann kommt die Wirtschaftskrise, die sie hart trifft. Sie erkrankt an Tuberkulose, lebt mehr schlecht als recht, obwohl sie immer wieder Unterstützer und Helfer findet. Ein paar Jahre vor ihrem Ableben wendet sich die enttäuschte Künstlerin der Religion zu. Ihr Eintritt ins Kloster wird allerdings durch ihren frühen Tod 1932 verhindert. Die Grande Dame des Kubismus ist in Paris auf dem Friedhof von Bagneux begraben.

Lange Jahre war es still um sie, aber die großen spanischen Museen ehren sie seit ein paar Jahren regelmäßig mit umfangreichen Retrospektiven, wie dieses Jahr eine im Picasso Museum in Málaga, die noch bis Ende September zu sehen ist.


https://www.parismuseescollections.paris.fr


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