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Werkbetrachtung

Der Teppichhändler

von Marià Fortuny



Im Jahre 1860 reist der spanische Maler Marià Fortuny (1838-1874) - eigentlich Marià Josep Maria Bernat Fortuny i Carbó, auch Marià Josep Maria Bernat Fortuny i Marsal - auf Anweisung der Provinzverwaltung von Barcelona nach Nordafrika. Er soll neben General Prim den Krieg dokumentieren, den das Königreich Spanien gegen das Sultanat Marokko führt. Diese spanischen Expansionsbestrebungen setzen sich ein paar Jahrzehnte später mit den Rifkriegen in Nordafrika fort. Fortuny zeichnet und dokumentiert, lernt arabisch, zieht eine Djellaba an, verfällt vollkommen dem Orientalismus und taucht ein in diese bunte, fremde Welt. Es entstehen beeindruckende historische Bilder, aber er malt auch Odalisken, Schlangenbeschwörer, Genrebilder im Souk oder Askari-Krieger, den heißen Staub, die glühende Hitze und die bunte Langsamkeit. Die Erinnerung nimmt er mit zurück, und so entsteht 10 Jahre später das Werk: Der Teppichhändler.



Der Teppichhändler von Marià Fortuny | Bildquelle: Wikipedia


Ein ausgehungerter, räudiger Hund liegt schlafend im Vordergrund auf dem sandigen, von der Sonne stark erhitzten, staubtrockenen, gelben Boden. Der Köter scheint die Wärme zu bunkern. Zwei Hunde aus dem Rudel verlassen gerade müde das Bild auf der linken Seite, ein anderer liegt weiter hinten im Schatten eines schmutzigen, hellfelligen Hundes, der matt in die andere Richtung blickt. Die Tiere gehören sicher nicht dem Teppichhändler, es sind nur müde Streuner, die Fortunys folkloristische Geschichte ergänzen. In der Mitte sitzt im Halbschatten fest vermummt der Teppichhändler. Er schützt sich gegen die Hitze, den Staub und die Kälte, die am Abend aus der Wüste aufzieht. Vor ihm befinden sich zwei Kunden. Von einem sieht man nur den Rücken, auf dem er ein Musikinstrument, eine Art Laute aus dem Mittleren Atlas, trägt. Er scheint ein Hirte zu sein, denn neben ihm steht eine magere Ziege, und in der linken Hand hält er einen Stock. Der Händler zeigt gerade zwei Teppiche, einen in Rottönen, auf dem ein Löwe und ein Leopard spielerisch kämpfen, und einen anderen in hellen Lachs- und Beigetönen, der den Betrachter, von dem man nur den Kopf im Profil sieht, besonders zu interessieren scheint. Ihm gehört wohl auch der dritte Fuß neben dem musikalischen Hirten. Noch sind sie nicht in der Phase des Preisaushandelns angekommen. Links vom Tandler steht ein weiterer, gut eingepackter Kunde mit einem weißen Turban und einem hellblauen Hemd. Er nuckelt an einer Wasserpfeife und wartet geduldig, bis der Händler sich ihm widmen wird. Zeit spielt keine Rolle. Im Inneren des kleinen Ladens im Souk von Tanger herrscht vollkommene Dunkelheit. Außer Teppichen scheint er auch Lampen zu verkaufen. Die Holzjalousien, die abends seinen Laden verschließen, sind ebenfalls mit kleineren Teppichen in unterschiedlichen Mustern und Farben bedeckt. Rechts im Bild beobachtet ein Berbersoldat etwas gelangweilt die Szene. Er scheint mit der Hitze kein Problem zu haben. Sein Oberkörper ist nackt, und seine Arme sind um die Spingarda, ein typisches Gewehr im Marokko-Krieg, das quer über seinen Schultern liegt, geschlungen. Aus seiner weiten, hellen Hose ragt ein langer Dolch. Die mächtige, vom Sonnenlicht erhellte Säule macht ihn sichtbarer. Daneben beginnt schon der Bereich des nächsten Händlers, der Messinggeschirr feilbietet. Das Bild strahlt diese müde Langsamkeit aus, die sich bei großer Hitze einstellt.
Christa Blenk - 18. Mai 2022
ID 13626
Der Teppichhändler entsteht 1870, hängt im Kirchenmuseum von Montserrat und misst 59 x 85 cm.

Messerscharf ist Marià Fortunys Beobachtungsgabe. Spätestens in Marokko entfernt er sich von der Malerei der Nazarener, die er durch seinen Lehrer, einem Schüler von Friedrich Overbeck, aber auch während seiner Rom-Aufenthalte kennenlernt. Fortuny durchbricht die Rhetorik der Akademiker. Er ist eine Sternschnuppe am Künstlerhimmel des 19. Jahrhunderts, die leider viel zu früh verglüht. Er gehört zur Generation von Monet, der nur zwei Jahre später Impression, soleil levant malt und ebenfalls gegen die Prinzipien der Akademien, der politischen Aristokratie und der konservativen Zirkel ankämpft.

Mit diesem großartigen Aquarell, das auf den ersten Blick wie ein Ölgemälde daherkommt, schafft der Künstler ein Meisterwerk, dessen Hauptprotagonisten die blendende Sonne, das gleißende Licht und Hitze sind. Mit seinem nervös-schnellen und unkonventionellen Pinselstrich weist er auf den nahenden Impressionismus hin und zaubert bei halb geschlossenen Augen eine flimmernde Fata Morgana, die in einer gefühlten Natürlichkeit alles in Bewegung hält, außer die Lebewesen. Fortunys persönliche und lichtdurchflutete Nordafrika-Romantik ist eine virtuose Konzession an die Hitze, an das Hell-Dunkel, an Linien und Farben, an genau das, das die Bourgeoisie verlangt, um in ferne, exotische Träume einzutauchen und in Begeisterungsstürme auszubrechen.

Fortuny heiratet später in die spanische Künstlerfamilie Madrazo ein. Sein Hauptwerk, Das Pfarrhaus, kauft ihm der Pariser Kunsthändler Goupil für 70.000 Franc ab, um es später für 250.000 Franc weiter zu verkaufen. Heute zählt er, neben Goya, Rosales und Sorolla, zu den bekanntesten spanischen Malern des 19. Jahrhunderts. Sein Sohn, Mariano Fortuny y Madrazo, wird als spanischer Modedesigner, Künstler, Innenarchitekt, Ingenieur und Erfinder bekannt werden.

Marìa Fortuny stirbt nur 36jährig in Rom, wahrscheinlich an einer Malaria.


Wikipedia-Link zum Teppichhändler von Marià Fortuny


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