Papageienallee von
Max Liebermann
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Ein Sommertag im Amsterdamer Zoo um 1900.
Eine dunkle, kuppelförmige Baumkathedrale spendet wohligen Halbschatten. Dann und wann finden glitzernde Licht- und Sonnenflecken ihren Weg durch das Dach aus Blättern und Ästen und bilden kleine Liebermann-Sonneninseln auf dem sandigen Weg. Unser Auge muss sich erst an das Gründurcheinander gewöhnen, bevor es die Papageien sieht. Protokollarisch aufgereiht, scheinen Sie die Besucher zu begrüßen und wenn man genauer ins Bild hört, kann man die Federviecher sogar schreien und schnattern hören. Als erstes schafft es ein Ara mit prächtigen Farben links im Bild unsere Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Neben ihm hört ein Gelbhaubenkakadu einer jungen Besucherin zu, die ihm wohl gerade ein neues Wort beibringt. In sorgloser Stimmung flanieren Mütter mit ihren Kindern über die lichtdurchflutete Allee und erfreuen sich der bunten Papageien. Je weiter man dem perspektivischen Fluchtpunkt folgt, desto mehr verwischen sich die Exoten mit den auf Holzbänken sitzenden Besuchern. Rechts im Bild ruht sich ein Vater mit seiner Tochter auf einer Bank aus. Über seinem Kopf sitzt ein weißer Papagei auf einer Schaukel. Der blauschwarze Vogel neben den Beiden vor einem Baum wird von niemandem beachtet. Ihm fehlt es an schillernder Pracht und darum geht es hier.
Die Papageienallee von Max Liebermann (1847-1935) zählt zu den bedeutendsten Werken des deutschen Spät-Impressionismus und darin haben dunkle Farben nichts mehr zu melden. Spektralfarben sind angesagt, aber bis zur kompletten Schwarz-Verbannung hat er es dann doch nicht getrieben und arbeitete weiterhin damit, um die nötigen Kontraste zu erhalten.
Das Bild misst 88 x 72 cm und hängt in der Kunsthalle Bremen.
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Papageienallee von Max Liebermann | Bildquelle: Wikipedia
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Der Sohn einer wohlhabenden Berliner Fabrikantenfamilie, Max Liebermann, schockiert in den 1880er Jahren mit seinen Bildern, auf denen Gänse in dunklen Räumen gerupft werden, verhärmte Frauen in ungesunden, zugigen Fabrikhallen Flachs spinnen oder mit ihren rauen, klammen Händen große, schwere Netze im Freien flicken. Das Gründerzeit-Kunstpublikum verlangt konventionelle Schönheit und bezeichnet ihn als skandalösen, sozialdemokratischen Armeleutemaler und Anarchisten, der Ungerechtigkeit anprangert, wie das später seine Schülerin Käthe Kollwitz noch viel intensiver tun wird. Mit satten Bildern wie der Kuhhirtin verlässt Liebermann 1894 endgültig das 19., ohne jemals im 20. Jahrhundert anzukommen. Seine Pinselführung wird spontaner, die Farben heller, und er geht in die Natur, malt Szenen am Wasser, im Café oder am Strand, aber Erdtöne, ohne die für ihn die Natur nicht zurechtkommt, verbleiben immer auf seiner Palette.
Sein Leben lang hat Liebermann Ideen und Anstöße in den Niederlanden gefunden, und dort, 1902 im Amsterdamer Zoo, hat er auch das Motiv für die Papageienallee entdeckt. Nach zahlreichen Studien vor Ort ist das Bild später in seinem Atelier entstanden. Der finstere Naturalismus der niederländischen Flachsfabriken macht mit den Jahren Platz für helle Strandpromenaden, für Orte wie das holländische Scheveningen, einem Treffpunkt der Reichen und Schönen, Bilder die „wie in Licht und Luft gebadet“ daher kommen aber nostalgisch der Zeit hinterherhinken. Mit einer großartigen Serie über die Amsterdamer Judengasse um 1907 malt Liebermann mit einem neuen Blick das expressionistische Leben der arbeitenden Schicht und erinnert sich gleichzeitig an seine früheren Bilder. Picasso malt 1907 übrigens Les Demoiselles d’Avignon und erschüttert die Welt.
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Christa Blenk - 12. September 2020 ID 12457
Max Liebermann, der fleißige, disziplinierte Preuße, wird zum Star und gefragten Portraitmaler. Mit 60 Jahren kauft er sich das letzte verfügbare Wassergrundstück am Wannsee, verbringt ab 1915 immer mehr Zeit in seiner Villa und malt seinen schönen Garten. In den Jahren bis 1932 mildert sich sein Blick auf einst von ihm verdammte Kunstrichtungen wie den Expressionismus.
Der Ehrenbürger der Stadt Berlin darf als Jude ab 1933 nicht mehr ausstellen und verliert seinen Posten als Präsident der Akademie der Künste. Gedemütigt zieht er sich aus dem öffentlichen Leben zurück und malt 1934 sein letztes Selbstbildnis. 1935 stirbt er in seinem Haus am Pariser Platz in Berlin. Arno Breker, später einer der Lieblingskünstler der Nationalsozialisten, fertigt eine Totenmaske von ihm. Seine Frau Martha nimmt sich knapp 10 Jahre nach seinem Tod in der Berliner Wohnung das Leben, um einer Deportation ins KZ Theresienstadt zu entgehen.
Wikipedia-Link zur Papageienallee von Max Liebermann
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