Bauhaustreppe von
Oskar Schlemmer (1888-1943)
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1925 zieht das Bauhaus von Weimar nach Dessau; Oskar Schlemmer (1888-1943) übernimmt die Bauhausbühne. Im Jahre 1929 folgt Schlemmer dem Ruf von Moll und geht als Dozent an die Staatliche Akademie für Kunst und Kunstgewerbe nach Breslau. Drei Jahre später wird diese wieder geschlossen, und kurz darauf, trotz umfangreichen aber nicht ausreichenden Protesten, wird auch das Bauhaus zuerst nach Berlin verlegt und dann zugemacht. Die Mehrheit im Dessauer Gemeinderat gehörte 1932 den Nationalsozialisten an. Als Protest dagegen malt Oskar Schlemmer im selben Jahr noch das Bild Bauhaustreppe. Die Vorlage dafür ist ein Foto, das angeblich Schlemmer selbst 1927 von eben dieser Treppenanlage im Dessauer Bauhaus-Gebäude gemacht haben soll. Die Studentenschaft bewegt sich darauf fröhlich und in die Kamera lächelnd.
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Bauhaustreppe von Oskar Schlemmer | Bildquelle: Wikipedia
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Oskar Schlemmer beschränkt sich bei seinem i>Bauhaustreppe-Gemälde auf ein paar Personen, denen das Lachen vergangen ist und setzt sie stilisiert in stereotyper Geometrie um. Er hat diesen Stil, diese perspektivische Raumtiefe von sich überschneidenden und überlagernden Figuren bereits 1925 in den Bildern Römisches und Konzentrische Gruppe praktiziert:
Die Studenten auf der Treppe streben schnell, emotionslos und mechanisch nach oben. Seltsamerweise verlassen sie nicht das Bauhaus nach unten, sondern können es nicht erwarten in einer besseren Zukunft anzukommen. Die drei Hauptpersonen im Halbkörperportrait von hinten auf dem ersten Teil der Treppe dominieren in der Mitte des Bildes. Links unten tritt der Teil eines Kopfes ins Gemälde. Rechts betritt gerade eine Figur die Treppe, von der man nur einen halben Kopf, den linken Oberschenkel und den linken Arm sieht. Der rechte scheint auf dem Treppengeländer zu liegen. Eine weitere Person hat schon den zweiten Teil der Treppe erreicht, hastet mit vorgebeugtem Oberkörper im Rechtsprofil ans obere Treppenende und hat ebenfalls die Hand auf dem Geländer. Der Arm ganz oben rechts scheint nach unten zu wollen, wie die Figur links auf der Treppe. Sie ist praktisch komplett zu sehen, kann aber selber nicht sehen, denn ihr Gesicht ist oberhalb der Nase abgeschnitten. Die Augen befinden sich außerhalb des Bildes. Sie ist die einzige Figur, die keine Chance hat, das Treppengeländer zu fassen, denn der hinter dem Rücken verschränkte linke Arm blockiert den rechten. Die Figur tastet sich leichtfüßig, tänzelnd auf Zehenspitzen auf der braun-gelben Linoleums-Plattform in der Mitte der Treppe vor und tritt perspektivisch gesehen ins Leere. Die hintere Wand ist weiß gefliest. Trotz der kontrastreichen Farbigkeit in blau-rot-weiß-Tönen kommen die identitätslosen, austauschbaren Figuren sehr sachlich daher, ohne die Kälte von De Chiricos Arbeiten auszustrahlen. Sie scheinen aus einer anderen Zeit, aus der Zukunft zu kommen, sind mechanische Spielzeuge, Aufziehpuppen und unterscheiden sich nur durch die glatten Farben ihrer Oberteile. Das Gemälde strahlt Ordnung aus, jeder Protagonist scheint seine Rolle zu kennen. Auch die Überlappung der Körper ist geregelt. Physiognomische Eigenheiten oder sonstige Individualisierungen gibt es nicht. Diese metaphysischen Figuren fusionieren mit der Treppe. Schlemmer kokettiert mit der Verknüpfung von Raum und Mensch und gleichberechtigt beide. Dem Treppengeländer kommt eine stützende und leitende Funktion zu.
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Die Bauhaustreppe ist ein utopisches Bild, in dem Schlemmer seinen Wunsch nach einer lichteren, leichteren Zukunft kundtut. Abgesehen von der Nüchternheit der Ausführung ist es ein symbolträchtiges Werk und gleichzeitig eine Inszenierung mit vereinfachten Figurinen von Schlemmers Triadischem Ballett.
Kurz bevor Alfred Barr und der Architekt Philipp Johnson es im April 1933 erwerben, wird es noch in Berlin und in Stuttgart gezeigt, bevor die Nationalsozialisten es der Öffentlichkeit wieder wegnehmen bzw. die Stuttgarter Ausstellung schließen. Barr schafft es trotzdem, die Schau zu besuchen, kauft das Bild aus der Ausstellung heraus und nimmt es mit nach New York. Erst 1955 wird Schlemmers bestes Bild auf der documenta 1 in Kassel gezeigt.
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Christa Blenk - 26. September 2023 ID 14402
Bauhaustreppe zählt zu den Hauptwerken der Klassischen Moderne. Das Bild entsteht 1932, misst 162,3 x 114,3 cm und hängt im Museum of Modern Art in New York. 2019 zierte es die 20-Euro-Gedenkmünze der deutschen Bundesbank.
Oskar Schlemmer muss zwei Jahre nach der Bauhausschließung erleben, wie seine Wandbilder im Museum Folkwang dem Bildersturm der Nationalsozialisten zum Opfer fallen. Auch er ist in der Ausstellung "Entartete Kunst" vertreten und schlägt sich später als Anstreicher durch.
Er stirbt 1943. Sein letzter Eintrag in seinem Tagebuch lautet: „'Die Kunst nicht für eine Auswahl aus der Welt zu halten, sondern für deren restlose Verwandlung ins Herrliche hinein…' (Rilke)“.
Wikipedia-Link zur Bauhaustreppe von Oskar Schlemmer
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