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Werkbetrachtung

Die Tänzerin von Otto Müller



Otto Müller (1874-1930) war ein künstlerischer Außenseiter, der sich zwar dann und wann Künstlervereinigungen- und tendenzen anschloss, aber immer wieder zu seinem ganz persönlichen, lyrischen Individualismus zurückkehrte. Seine Interpretation des Expressionismus ist poetischer, schüchterner, weicher, auch bei der Farbgebung, und seine Motive reduzieren sich sehr oft auf unbekleidete oder nur leicht bekleidete Frauen, die sich in Leimfarben in Wäldern, auf Wiesen oder am Wasser räkeln ohne obszön zu wirken. Müllers Badende werden Teil der Landschaft, fusionieren mit ihr. Es sind schweigsame Bilder, die stumpf und silbern vor sich hin glänzen.

Maschka war sein Lieblingsmodell, seine erste Frau, seine Muse und seine Freundin, die er sehr oft gemalt hat. Auch für das 1903 entstandene Bild Die Tänzerin stand sie ihm Modell.



Die Tänzerin von Otto Müller | Bildquelle: Wikipedia


Das Bild in Braun-, Gelb- und Blautönen erinnert auf den ersten Blick an eine Gestalt aus einem ägyptischen Papyrus, eine Malerei auf einer griechischen Vase oder an den Beginn einer Derwisch-Tanzaufführung. Es kann einen gewissen Symbolismus nicht verbergen. Leicht von der Seite bewegt sich die junge Frau von links nach rechts durch das Gemälde, das sie komplett ausfüllt. Sie ist schlank und grazil und tief versunken oder konzentriert in eine freie, unverbindliche Performance, zu der ihre Nacktheit gehört. Zurück zu einem unverfälschten Dasein, wie es auch die Tänzerin Isadora Duncan verlangte. Das rechte Spielbein berührt mit den Zehenspitzen den türkisfarbenen, wellenartigen Boden, während der linke Arm nach vorne fliegt, um den Rockzipfel zu erwischen. Das linke Standbein ruht fest auf der Erde, und der rechte Arm schwingt nach hinten, wo er ebenfalls die braune Rockspitze erwischt. Eine fließende Bewegung, bei der Hände und Rock einen Leonardo-Kreis bilden, in dessen Mitte sich ihr Körper befindet und aus dem Kopf, Schultern und Füße herausragen. Die Szene ist der Beginn eines Ausdruckstanzes und könnte mit der Zeit in einen Serpentinentanz à la Loïe Fuller ausarten. Durch den Lichteinfall ist der Rockteil, der das rechte Bein bedeckt, transparent geworden. Die junge Frau hat ihre dunklen, schweren Haare hochgesteckt. Ihre Augen sind geschlossen oder blicken nach unten. Ihr maskenhaftes Gesicht ist um einen Ton heller als ihr Körper und kündigt leise den Kubismus an. Außer dem braunen, an beiden Seiten hoch geschlitzten Rock, trägt sie nichts am Körper, auch keinen Schmuck. Der Rock ist ihr Tanzinstrument und sie setzt ihn gekonnt und sehr elegant in Szene. Maschka gehört zu den stolzen, freien Frauen, die mit der Natur eins werden und keinem Schönheitsidol verpflichtet sind. Das Gemälde strahlt eine meditative Ruhe aus. Hier ist Müller noch weit entfernt von der späteren, unbändigen, archaischen Wildheit seiner Motive, wie er sie nach dem Ersten Weltkrieg malt und die heute die bekanntesten Werke von ihm sind. Die betonten, schwarzen, ausgeprägten Konturen, die seine späteren Arbeiten definieren, bringt Müller hier noch nicht zum Einsatz. Die Tänzerin ist ruhige, beschauliche Poesie.


Das Bild entsteht 1903, misst 90,5 x 68,2 cm und hängt in einer Privatsammlung.
Christa Blenk - 4. Juli 2023
ID 14276
Otto Müller war ein romantischer Autodidakt, für den Geister und Magie eine nicht unbedeutende Rolle spielten und der mit seinen Arbeiten der Entfremdung der eigentlichen Natur entkommen wollte. Er war ein Einzelgänger mit einer ganz persönlichen Interpretation der drastischen, künstlerischen Veränderungen um die Jahrhundertwende.

1898 kommt er nach München, um bei Franz von Stuck an der Königlichen Akademie der Bildenden Künste zu studieren. Aber schon nach dem ersten, nicht ganz wohlgemeinten Ratschlag verlässt er die Akademie wieder und widmet sich dem Studium der Werke von Hans von Marées und Arnold Böcklin. Ein wenig später, wieder in Dresden, lernt er Maschka (Margarethe Meyerhofer) kennen. 1901 bekommen sie einen Sohn, 1905 heiraten sie. Obwohl Müller insgesamt drei Ehen schließt, bleibt Maschka seine wichtigste Bezugsperson. 1908 kommt er in Berlin an. Seine Vorliebe für Lehmbruck und dessen schlanke Mädchengestalten findet man auch in Müllers Frauenfiguren. In Berlin kommt er mit den Künstlern der Brücke-Bewegung in Berührung, mit denen er drei Jahre arbeitet, ohne echtes Mitglied zu werden, jedenfalls sieht das heute so aus. Müller introduziert indessen die Leimfarben bei der „Brücke“. Nach dem Ersten Weltkrieg unterrichtet der Künstler in Breslau. 1921 lassen sich Maschka und er scheiden. 1924 geht er mit seiner zweiten Frau und mit Maschka auf Reisen nach Bosnien, Dalmatien und Ungarn. Die drei leben teilweise in einem Zigeunerlager. Die dort gesammelten Motive und Gesichter werden immer wieder in Müllers Spätwerk auftauchen. Aber auch seine zweite Ehe hält nicht lange. 1928 geht er mit Elfriede Timm auf Reisen und heiratet sie kurz vor seinem Tod 1930.

Otto Müllers Bilder werden 1937 von den Nationalsozialisten beschlagnahmt und als entartete Kunst aus den deutschen Museen entfernt.

Müller war sein Leben lang sehr von sich und seiner Malerei überzeugt und betrachtete seine Werke, seine Kunst, als unbezahlbar.

Postum werden seine Werke 1955 auf der documenta 1 in Kassel gezeigt.


Wikipedia-Link zum Gemälde Die Tänzerin von Otto Müller


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