Antoine Watteau
von Rosalba Carriera
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Um 1715 entstand aus dem Spätbarock der Rokoko-Stil, der erst um 1770 vom Klassizismus abgelöst werden sollte. Vor allem in Frankreich wurde diese Kunstrichtung eine Lebensanschauung ,und ihr Philosoph der Anfangszeit war Antoine Watteau (1684-1721). Verkleidete, frivole Hoffräuleins turnten kapriziös und verspielt mit Nutztieren um die Wette, huschten, gefolgt von bunten Galans in Federkostümen und gepuderten Schoßhündchen, kokett durch einen verkitschten Labyrinth-Garten oder standen erwartungsvoll am Ufer, um mit einem Schiff auf eine mythologische Liebensinsel überzusetzen. Die Maxime waren unerschütterliche Gesundheit, ewige Jugend, unvergängliche Schönheit, vergnügliche Sinnlichkeit und nonchalante Eleganz, und es wurde so lange gepudert oder geschminkt, bis es passte. Rokoko kommt vom französischen Wort „rocaille“ (Muscheldekoration).
Die Ankunft der italienischen Malerin Rosalba Carriera (1675-1757) um 1720 in Paris war eine Punktlandung in die beginnende Rokoko-Zeit. Ihr Ruf war ihr schon vorausgeeilt, und sogar der bekannte Künstler Antoine Watteau hatte 1719 per Brief über Nicolas Vleughels Kontakt zu ihr aufgenommen und um ein Treffen gebeten. Carrieras Pastellmalerei passte nicht nur großartig in diese Zeit, sie gab ihr auch einen entscheidenden Impuls. Man kann sagen, dass Carriera zur richtigen Zeit am richtigen Ort war und Paris ihr für ein paar Jahre zu Füßen lag. Dreh- und Angelpunkt der Kunstszene in der französischen Hauptstadt war der Steuereintreiber, Mäzen und Kunstsammler Pierre Crozat, der übrigens auch der größte Förderer von Antoine Watteau war und der ansonsten die venezianische Kunst verehrte. Crozats Anwesen nördlich von Paris hielt mehrfach als Motiv für Watteaus heile, schöne Spielgarten-Welt her. In seinem Pariser Haus gingen Künstler und Kunstkenner aus und ein, und dort lernte Rosalba Carrriera alles, was Rang und Namen hatte, kennen.
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Antoine Watteau von Rosalba Carriera | Bildquelle: Wikipedia
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Das Portrait Antoine Watteau muss Rosalba Carriera recht bald nach ihrer Ankunft in Paris begonnen haben. Fertig wurde es im Todesjahr des Künstlers, der im Juli 1721, nur 36jährig, an Tuberkulose verstarb. Carriera hat hier die Rolle umgedreht, hier war nicht die Frau Modell des Malers, sondern der Maler Modell der Künstlerin.
Entgegen dem Rokoko-Prinzip hat Rosalba Carriera bei diesem Portrait jegliche Idealisierung verschmäht. Sie versucht nicht, die Spuren seiner Krankheit weg zu malen. Watteaus durchsichtige, schwächelnde Blässe scheint mit der weißen, aufwendigen Spitzenschluppe und den grau-lila Haaren in Konkurrenz zu stehen. Abwesend, ohne Mimik oder jegliche Gestik, blickt er am Betrachter vorbei ins Leere. Es ist ein Abschied. Seine graue, gepuderte Perücke setzt sich nur leicht von dem in unterschiedlichen Grautönen ausgeleuchteten Hintergrund ab. Der große Künstler blickt ein wenig überheblich und blutleer im Schrägprofil von links nach rechts. Hier ist er alles andere als der strahlende Meister der „fêtes galantes“. Die weiß gepuderte Haut wirkt bei ihm nicht ebenmäßig und perfekt sondern kränkelnd. Rechts fällt ein Schatten auf seine wellige Perücke. Im Rokoko war es Mode, auch Männer verweiblicht und gepudert darzustellen, ohne dass man ihnen einen Verlust der Männlichkeit andichten wollte.
Watteau selber hat so ein tristes Bild nie gemalt. Seine hell-galante Farbpalette brachte die für ihn so typische erotisch gepuderte Rüschen- und Seiden-Koketterie und eine ländliche Schäfer-Sorglosigkeit hervor, die die Hirten in der Realität nicht kannten – denn ihr Leben war frei von Romantik oder Leichtigkeit, und sie konnten sich ihre Sorgen nicht einfach wegschminken.
Das Portrait von Antoine Watteau misst 55 x 43 cm, entstand 1721 und hängt im italienischen Treviso. In Deutschland findet man vor allem in Dresden und München Werke von ihr.
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Christa Blenk - 16. Mai 2021 ID 12912
Rosalba Carriera hat mit diesem Bild dem Künstler Antoine Watteau ein Denkmal gesetzt, es gibt kein bekannteres Portrait von ihm. In ihrer Zeit war sie die gefragteste Pastell- und Porträtmalern, und wer etwas auf sich hielt, musste sich von der Carriera malen lassen. Der europäische Adel pilgerte zu ihr nach Venedig und stellte sich in die Schlange vor ihrem Atelier, in dem sie nur Frauen beschäftigte. Rosalba Carriera war die Chronistin der Reichen und Schönen des 18. Jahrhunderts, eine Art Hoffotografin, vergleichbar mit Anni Leibovitz.
Carrieras erste Arbeiten waren Miniaturen, die sie auf die Innenseiten von edlen Tabakdosen malte. Um 1700 entstanden ihre ersten Pastellbilder, die eine neue Zeit einleiten sollten.
Die Winter-Allegorie ist eines ihrer bekanntesten Autoportraits. Darin geht sie mit sich selber sehr ehrlich und ungeschönt um und benutzt ähnliche Grautöne, wie sie sie Watteau gönnte. Die letzten 11 Jahre ihres Lebens hat sie in Blindheit verbracht. Die Kunstgeschichte hat sie lange Zeit vergessen.
Wikipedia-Link zum Porträt Antoine Watteau von Rosalba Carriera
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