Tilla Durieux als Circe
von Franz von Stuck
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Kirke oder Circe ist eine Zauberin und lebt mit ihren Dienerinnen auf der Insel Aiaia. Ihre Hauptbeschäftigung besteht darin, Inselbesucher in Tiere zu verwandeln. Auch Odysseus kommt während seiner langen Irrfahrt über die Meere bei ihr vorbei. Als ein Teil seiner Besatzung nach einem Erkundungsgang nicht zurückkehrt, wetzt er seine Waffen und zieht mutig selber aus, um seine Mitstreiter zu retten. Schon unterwegs erfährt er von Hermes, dass Kirke seine Gefährten unter Zuhilfenahme eines Kräutertranks in Schweine verwandelt hat. Hermes fühlt sich als Schutzgott der Reisenden für ihn verantwortlich und versorgt ihn mit Moly, einem Gegengift, und Odysseus entkommt Kirkes Zauber. Mehr noch, er erwirkt sogar die Rückverwandlung seiner Männer in menschliche Wesen. Nach einem Jahr auf der Insel und der Geburt seines Sohnes mit Kirke drängen die Seefahrer zum Aufbruch, und die Magierin, die seinerzeit - nicht ganz freiwillig - versprochen hatte, ihm und seiner Truppe keinen Harm zuzufügen, schickt ihn zuerst in den Hades, um Teiresias‘ Schatten nach dem besten Weg zu fragen und sorgt in der Folge für günstige Winde, warnt vor den Sirenen und den Gefahren von Skylla und Charybdis.
Im Symbolismus war Kirke ein beliebtes Motiv. Der Münchner Malerfürst Franz von Stuck (1863-1928) portraitiert um 1912 die bekannte österreichische Schauspielerin Tilla Durieux als Circe in dem (fast) gleichnamigen Theaterstück von Calderón de la Barca.
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Tilla Durieux als Circe von Franz von Stuck | Bildquelle: Wikipedia
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Im Büsten-Halbprofil blickt sie lockend und erwartungsvoll nach links über den Bildrand hinaus. Sie scheint zu stehen. Ein neuer Besucher, wahrscheinlich Odysseus, ist im Anmarsch. Den Zauberkräuter-Willkommenstrank hat sie schon vorbereitet. Er befindet sich in einer wunderschönen, sicher wertvollen runden Schale mit einem Löwenmotiv, die in ihrer rechten ausgestreckten und beringten Hand liegt. Die Zauberin kann ja nicht wissen, dass der bekannte Seefahrer schon das Gegengift genommen hat. Kirke trägt lange, goldene Ohrringe mit einer großen Perle. Das blaue, ärmellose, mit Goldfäden durchwirkte Kleid ist noch ihr Bühnenkostüm und bedeckt sie nur dürftig. Ihr linker Arm hängt schlaff herunter. Der rechte Träger ist komplett in ihre Armbeuge gerutscht. Aus dem kunstvoll hochgesteckten, roten Haar haben sich einige Locken gelöst, damals ein Symbol für Verruchtheit, oder hat sie vielleicht nicht genug Zeit gehabt, sich fertig zu machen? Ihre Augen blitzen begierig, ihr Gesicht ist leicht angespannt, nach vorne gereckt und verleiht ihr etwas Gieriges, Vogelhaftes. Vielversprechend und geheimnisvoll ihr Blick unter den schwarz geschminkten Augenbrauen, die perfekt ihre großen Augen umrahmen. Ihr leicht geöffneter, aufreizend geschwungener Mund ist dunkelrot und harmoniert mit den Haaren. Die Alabasterhaut war damals ein Schönheitsideal und bringt das Rot noch mehr zur Geltung. Die Lichtquelle befindet sich außerhalb des Bildes, schafft es allerdings nicht, das Gemälde voll auszuleuchten. Der schwarze, simple Hintergrund verstärkt die geheimnisvolle und Unheil vorhersagende Stimmung und lässt ein Raumgefühl nicht zu. Von Stuck hat in diesem minimalen Symbolismusbild alles Nebensächliche weggelassen, Geschichten werden nicht erzählt. Der Künstler hat sich auf drei Grundfarben begrenzt: Rot für Lippen und Haar, blau für das Kleid und gelb für die Schale. Titel und Signatur sind gut links unter der Schale in Goldschrift zu lesen. Von Stuck kokettiert mit Schein und Sein, denn die Schauspielerin gibt vor Kirke zu sein, und die Zauberin spielt ihrerseits eine harmlose Gastgeberin; allerdings verrät ihr Gesichtsausdruck eine andere Intention.
Das Bild misst 60 x 68 cm, entstand um 1912 und hängt als Dauerleihgabe in der Alten Nationalgalerie in Berlin.
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Christa Blenk - 18. Februar 2022 ID 13467
Tilla Durieux (1880-1971) gehörte zu den am meisten gemalten Schauspielerinnen ihrer Zeit. Allein Franz von Stuck hat sie sechsmal gemalt. Sie war seine perfekte femme fatale. Durieux war unter anderem mit dem Kunsthändler Paul Cassirer verheiratet, und Von Stuck ist während eines Gastspiels in München auf sie aufmerksam geworden. Als Vorlage (für Tilla Durieux als Circe) diente ihm ein Foto, das er wahrscheinlich selber gemacht hat.
Der Sohn eines niederbayerischen Dorfmüllers hatte eine Vorliebe für mythologische und allegorische Themen, die er gerne lasziv-erotisch in magisches Licht tauchte. Er bewegte sich zwischen Impressionismus, Symbolismus und Jugendstil. Nach seinem Studium in München wurde er mit Karikaturen für die Zeitschrift Fliegende Blätter bekannt. Mit der Ölmalerei begann er erst Jahre später und wurde 1892 Mitbegründer der Münchner Sezession, schlug aber schon ab 1890 eine andere Richtung ein. Wichtige Inspirationsquellen waren Fernand Khnopff und Arnold Böcklin. Er hat die Villa Stuck in München entworfen, schnitzte seine Rahmen selber und zählt heute zu den Repräsentanten des Münchner Jugendstils.
Wikipedia-Link zum Bild Tilla Durieux als Circe
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