Die Sternennacht
von Vincent van Gogh
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Ein Planeten- und Mondkarussell erhellt die Nacht. Es sind Feuerwerkskörper in unterschiedlicher Größe, die Vincent van Gogh (1853-1890) da in die Luft geschossen hat und die sich gerade auf eine Explosion vorbereiten, die ihr weißes Spiralgefängnis sprengen muss. Dann wird auch die Hauptsonne rechts oben den Stab an den abnehmenden Mond übergeben und dieser die Nacht einleiten. Van Gogh hat sicher auch den Knall gehört, seine Erinnerungen an die „furchtbaren Schreie und das schreckliche Heulen“, welche sich über den Anstaltsflur in seine vergitterte, zum Atelier umfunktionierte Zelle verirrten. Der südfranzösische Sternenhimmel dürfte ihn sehr beeindruckt haben. Er will sich diesem Spektakel aber nicht komplett ausliefern, es nicht zulassen und unterbricht den Sternenzauber mit winterlich, dunkelgrünen Friedhofs-Zypressen, die sich als leidenschaftsloses Feuer bis zum letzten Planeten hochzüngeln. Das Bild ist eine einzige große Welle.
Der Sternengürtel am Firmament wird von einem lockigen, weiß- rauschenden Meer, in dem sich die Sonnen spiegeln, abgelöst und geht über in sanft-hügelige, blaue Berge, die sich bis hinunter ins Tal ziehen, wo sich ein kleiner Ort gerade für die Nacht fertig macht. Nur noch ein paar Lichter in vereinzelten Häusern versuchen, mit den Sternen in Konkurrenz zu treten. Der Kirchturm ragt parallel zu der Zypressengruppe in die Höhe. Leidenschaft, Emotionen und Kraft begleiten diesen Krieg der Sterne, die sich jagen und sich nicht erwischen, weil sie ständig in Bewegung und zu weit voneinander entfernt sind.
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Die Sternennacht von Vincent van Gogh | Bildquelle: Wikimedia
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1888 reist Van Gogh ins südfranzösische Arles. Er will dem nördlichen Winter entkommen und ist auf der Suche nach einer helleren Farbpalette. Außerdem will er ein „Atelier des Südens“, eine Art Künstlerkolonie, gründen. Nur Gauguin lässt sich darauf ein und nimmt seine Einladung nach Arles an. Von Vorfreude getrieben war einst Van Goghs Bild Das Schlafzimmer in Arles. Er zerstört aber die positive Ruhe darin, indem er Bett, Tisch, Stühle, Waschschüssel mit einer verzerrten Perspektive konfrontiert. Es könnte aber gut sein, dass Van Gogh technisch gar nicht in der Lage war, eine korrekte Perspektive hinzubekommen. Im Dezember 1888, nur zwei Monate nach Gauguins Ankunft, eskaliert die Situation und Van Gogh verstümmelt im Streit sein linkes Ohr mit einem Messer. Mit diesem Ereignis ist seine psychische Krankheit auf dem Gipfel angekommen. Van Gogh wird geplagt von Wahnvorstellungen, Alpträumen, Depressionen, Arbeitsunfähigkeit und Rückfällen. Auf Drängen der Bewohner von Arles landet er schließlich in einer geschlossenen Einrichtung. Dort malt er Selbstportrait mit verbundenem Ohr und Pfeife. Nach einer langen Zwangsinternierung übersiedelt Van Gogh freiwillig in die Nervenheilanstalt Saint-Paul-de-Mausole in Saint Rémy-de-Provence. Dort malt er Die Sternennacht. Erinnerungen, Eindrücke und Wahnvorstellungen vermischen sich, und er findet seinen ganz persönlichen Stil, der sich über die Maxime der Impressionisten, die Natur spontan abzubilden, nun komplett hinweg setzt. Richtig zu Hause gefühlt im Impressionismus hatte sich Van Gogh aber sowieso nie. Seine Suche nach schlichten oder stilisierten Bildmotiven bringt ihn immer wieder in die Nähe eines expressionistischen oder naiven Symbolismus. In einem Brief an Theo erwähnt er die Sternennacht, seine Unzufriedenheit mit der Komposition und seinen Stolz auf das gelungene Blau. Die Sternennacht ist eines seiner bekanntesten Bilder und misst knapp 74 x 92 cm. Entstanden ist es 1889 im französischen Saint-Rémy-de-Provence und seit 1941 Eigentum des New Yorker MoMA.
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Christa Blenk - 30. Dezember 2020 ID 12678
Auch in Saint Remy hindern ihn immer wieder wochenlange Rückfälle am Malen. Aber nach jedem Schub kommt eine produktive Phase. Es entstehen großartige Werke wie Regen. Die couragierten Farbschnüre darin leiht er sich von einem japanischen Holzschnitt.
1890 im Mai – angeblich geheilt - geht Van Gogh nach Paris zu Theo und seiner Frau. Die Stimmung ist nicht gut. Theo fühlt sich krank und will sich gleichzeitig mit einer Galerie selbständig machen, er hat finanzielle Ängste. Nach kurzer Zeit reist Van Gogh weiter nach Auvers-sur-Oise zu Dr. Gachet. In Auvers malt er in 70 Tagen über 80 Gemälde, darunter auch das bekannte Portrait des Dr. Gachet. Mit dem Bild Straße mit Zypressen nimmt er das Sternennacht-Thema nochmals auf, gibt aber den Friedhofs-Zypressen die Hauptrolle. Im Juli 1890 schießt er sich eine Kugel in die Brust und stirbt zwei Tage später. Ob der Auslöser ein Rückfall war, eine seltsame Liebesbeziehung zu Dr. Gachets Tochter oder vielleicht nur ein Hilfeschrei, weiß man nicht. Sein Bruder Theo, der ein paar Monate später an einer Syphiliserkrankung stirbt, liegt neben ihm in Auvers-sur-Oise begraben.
Vincent van Gogh hat das Bild Die Sternennacht vor seinem Tod Theo gegeben, dessen Frau es nach Theos Tod 1900 verkaufte. Später wurde es eingetauscht ,bis es Johanna van Gogh-Bonger wieder zurückkaufen konnte. Ein paar Jahre später gelangte das Bild in die Hände einer Rotterdamer Galerie, bis es 1941 über den New Yorker Kunsthändler Paul Rosenberg vom Museum of Modern Art erworben wurde. [cb]
Wikimedia-Link zu Van Goghs Die Sternennacht
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