Der vierte Stand
von Giuseppe Pellizza da Volpedo
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Nach jahrelangen Risorgimento-Bewegungen (die Bewegung für Freiheit und nationale Unabhängigkeit) unter der schillernden Persönlichkeit eines Giuseppe Garibaldi - noch heute gibt es in jedem italienischen Ort einen Platz mit seinem Namen - entwickelte sich das neue Königreich Italien schnell vom Agrarstaat zum Industrieland. Unter den Savoyern entstand eine neue europäische Großmacht, die sich auch am kolonialen Wettlauf um Afrika beteiligte. Nationalismus, Industrialisierung, soziale Spannungen und revolutionäre Veränderungen bereiteten den Boden für Auf- und Umbrüche. Ab 1900 entstanden die ersten industriellen Ballungszentren in Norditalien, und die Arbeiterschaft fing an sich zu organisieren. Die traditionelle Arbeiterpartei in Italien (Partito Socialista Italiano) entstand 1892 in der Hafenstadt Genua. Aus ihr ging ca 30 Jahre später die italienische Kommunistische Partei hervor, die sehr schnell zur stärksten Fraktion der Arbeiterbewegung in Italien wurde.
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Das Gemälde Il Quarto Stato (Der vierte Stand) von Giuseppe Pellizza da Volpedo (1868-1907) ist ein Produkt des realistischen Naturalismus, mit dem sich der Künstler jahrelang beschäftigt hat. Volpedo malt hier, was Gerhart Hauptmann und Victor Hugo mit den Webern oder in Les Misérables beschreiben. 1902 schließlich ist diese grau-braun-schlammige Sinfonie mit dem ursprünglichen Titel Der Weg der Arbeiter fertig. Volpedo hat sich für den damals beliebten divisionistischen Malstil entschieden, d.h. die Farben werden nicht auf der Palette vermischt, sondern nebeneinander aufgetragen. Bei genügend Abstand zum Bild erledigt das Auge des Betrachters den Rest. Heute wird das Bild als eines der Hauptwerke im Realismus betrachtet und zählt zu den Schlüsselwerken des 20. Jahrhunderts.
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Giuseppe Pellizza da Volpedo: l Quarto Stato (Der vierte Stand), 1901; Öl auf Leinwand, 293 × 545 cm; Museo del Novecento, Mailand | (C) Associazione Pellizza da Volpedo
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Abgesehen von einer angedeuteten Landschaft im Hintergrund, aber auch als Folge der Weiterentwicklung der Vorgängerversionen wie der Botschafters der Hungers oder Der Menschenstrom reduziert Volpedo in Der Vierte Stand den Bildinhalt fast nur auf Menschen. Sie schälen sich auf 16 Quadratmeter friedlich aber entschlossen aus der Dunkelheit ins Licht. Männer, Frauen und Kinder sind zu dieser Kundgebung um mehr Arbeitsschutz und Gerechtigkeit gekommen. Sie sind Umstürzler und Vorreiter, die aus der Resignation und Lethargie des ausgehenden 19. Jahrhundert ausbrechen werden. Die Landarbeiter gestikulieren, sie unterhalten sich, blicken stolz und unbeugsam in die Zukunft. Die meisten tragen einen Hut und eine "Uniform" der Arbeiter. Im Vordergrund gehen drei lebensgroße Personen: zwei Männer und eine Frau. Der Mann in der Mitte scheint der Anführer zu sein, er trägt eine Weste, die Jacke hat er lässig über seine Schulter geworfen. Die junge Frau kommt von der Seite auf ihn zu und macht eine fragende Handbewegung. Sie ist barfuß und trägt ein kleines Kind auf dem Arm. Volpedo hat ihr mit einem Augenzwinkern Richtung Renaissance das Aussehen einer Madonna von Raffael gegeben. Während die Menschen in den ersten Reihen noch individuelle Gesichter haben, wirkt die Masse im Hintergrund anonym. Architektur oder sonstige Bauten sind praktisch nicht zu sehen.
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Christa Blenk - 1. Mai 2020 ID 12203
Jahrelang hat Volpedo Arbeiter und Landarbeiter beobachtet, sie bei Kundgebungen und Demonstrationen skizziert und seine Eindrücke festgehalten. Er selber stammte aus einer piemontesischen Bauernfamilie und war deshalb von seiner Herkunft her einer von ihnen. In diesem seinem Lebenswerk steckt Herzblut! Noch im Entstehungsjahr 1902 wird das Gemälde zum ersten Mal in der lombardischen Hauptstadt ausgestellt. Fünf Jahre später, 1907, erhängt sich Giuseppe Pellizza da Volpedo, noch keine 40 Jahre alt, in seinem Atelier genau vor diesem Bild.
Nach seinem Tod hat die Stadt Mailand das Gemälde erworben. Il Quarto State misst 2,93 x 5,45 Meter und hängt im Mailänder Museum für moderne Kunst. Die Vorgängerversionen sind in der Pinacoteca Brera oder in Privatsammlungen zu finden.
Der italienische Filmregisseur Bernardo Bertolucci hat das Bild in seinem Film 1900 im Vorspann eingeblendet. Ein Poster davon gehörte lange Zeit zur Ausstattung der Büros der linken italienischen, politischen Szene.
Weitere Infos siehe auch: https://de.wikipedia.org/wiki/Der_vierte_Stand
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