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Werkbetrachtung

La Tapisseriede Bayeux

(dt.: Der Wandteppich von Bayeux)



Lebendig, leidenschaftlich und farbenfroh wird auf dem Wandteppich von Bayeux (La Tapisseriede Bayeux) - im MUSÉE DE LA TAPISSERIE DE BAYEUX in der Stadt Bayeux im Nordwesten Frankreichsin - 58 Szenen die Geschichte der Vorbereitung und Durchführung der Schlacht von Hastings im Jahre 1066 erzählt. Wilhelm der Eroberer und sein Gegner Harald Godwinson sind die Hauptpersonen in diesem außergewöhnlichen Kunstwerk, das vor ungefähr 950 Jahren, im Jahr der drei englischen Könige, entstand.

Der Teppich ist ein Film, ein Riesencomic. Der Besucher bewegt sich auf Augenhöhe von einer Szene zur nächsten. Zwischen 48 und 51 Zentimeter ist der mittlere Erzählstreifen breit und fast 70 Meter lang. Neun unterschiedliche Leinenbahnen sind so fein zusammengenäht, dass man die Naht kaum sieht. Eingerahmt oben und unten ist die Geschichte von je einer Bordüre von ca. 7 cm, auf der Haustiere, Fabeltiere von Aesop, Pflanzen, arbeitende Feldarbeiter, leblose und kopflose Körper der gefallenen Krieger zu sehen sind.

Der Teppich verrät viel vom Mittelalter, über Schiffbau, Kleidung, Schmuck, Kampfweise und Ausrüstung, Jagd, Reliquien. Sogar der Komet Halley, der sich im Frühjahr 1066 zeigte, spielt eine Rolle darin.

Der Wandteppich besteht hauptsächlich aus Wolle und Leinen – was ihn wahrscheinlich vor Plünderern durch die Jahrhunderte schützte. Er ist eines der bemerkenswertesten Bilddenkmäler des Hochmittelalters. Die Hauptfarben sind Terrakotta-Rot, Blaugrün, Hellgrün, Gelbbraun, Hellgelb und Graublau. Drei pflanzliche Farbstoffe dienten als Basis. Der Rest Farb-Mischungen. Die Farbgebung erfolgte oft zufällig. Manche Pferde oder Tiere sind blau oder rot oder mehrfarbig. Der Teppich ist, bis auf knapp zwei fehlende Meter am Schluss, vollständig. Deshalb ist die Krönung von Wilhelm nicht zu sehen. Ansonsten sind auf dem Kunstwerk 623 Menschen, 202 Pferde, 55 Hunde, 505 andere Tiere, 27 Gebäude, 41 Schiffe oder Boote und 49 Bäume abgebildet. Einige der Szenen erscheinen in der Bedeutungsperspektive, das heißt, je größer die Person desto bedeutender. Der Text in lateinischer Sprache stammt von unterschiedlichen Handschriften. Auch die Namen werden nicht immer gleich geschrieben.

Die Hauptpersonen auf dem Wandteppich sind: der alternde König Eduard, sein Schwager Harald Godwinson und auf der normannischen Seite Wilhelm (der Bastard) und sein Halbbruder Odo von Bayeux. Wilhelm stammte aus einer unter den Wikingern gängigen polygamen Ehe.

Die Geschichte beginnt, dass der sterbende König Eduard seinen Schwager Harald in die Normandie schickt, um Wilhelm, einen Cousin von Eduard, darüber zu unterrichten, sich nun bald auf die Königsrolle vorzubereiten. Harald sollte ihn dabei unterstützen. Zuerst geht auch alles gut, bis Harald ebenfalls König werden will. Die Schlacht wird vorbereitet und durchgeführt. Es gibt unterschiedliche Leseweisen des Teppichs, und bei Harald wird immer wieder seine hohe Stellung in England hervorgehoben.

Der Teppich ist voller kleiner, charmanter Details. Da ist der Jagdfalke von Harald, den er auf die Reise mitnimmt. Die Fabel vom Fuchs und dem Raben, die letzte Mahlzeit der Reisenden, das Galoppieren der Pferde, Treibsand bei einer Flussüberquerung, der Eid oder Meineid von Harald, die Beerdigung von Eduard, Schiffe die gebaut und zu Wasser gelassen werden, Haralds Krönung, Wilhelms Flotte sowie der Tod von Harald und die fliehenden Engländer.

Generell geht die Leserichtung chronologisch von links nach rechts, bis auf zwei Ereignisse: einmal die Auslieferung von Harald Godwinson (Szenereihenfolge 12-11-10-13) und dann der Tod von König Eduard und seine Beerdigung (Szene 27-28-26). Die Überquerung des Kanals der normannischen Flotte geht über einige Meter (Szene 38). Nicht jede Szene ist gleichlang.

Körpersprache und Hände der Protagonisten sind sehr intensiv und aussagekräftig. Angelsachsen und Normannen gut zu unterscheiden. Die Angelsachsen haben einen dünnen Oberlippenbart und Haare bis unter die Ohren. Die Normannen sind bartlos mit hoch rasiertem Nacken. Ab Mitte des Teppichs ändert sich das allerdings. Man vermutet, dass der Einfluss französischen Mode dafür verantwortlich war. Auf den 58 Szenen sind nur fünf Frauen zu sehen. Drei im Erzählbereich, zwei, unbekleidet und in seltsamer Haltung, am oberen Rande und zwar auf der Höhe des Schlachtbeginns. Es könnte sich hier um Vergewaltigungsopfer handeln.




La Tapisseriede Bayeux (dt.: Der Wandteppich von Bayeux) | Bildquelle: bayeuxmuseum.com


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Die Entstehung des Wandteppichs ist ein Mysterium. Wer hatte die Idee? Wo wurde er gefertigt? Von Wem? Eigentlich ist es auch kein Teppich, sondern eine riesige Stickarbeit. Unterlagen über die Herstellung gibt es nicht, man geht aber davon aus, dass der Künstler Kenntnisse der Schlacht gehabt haben muss, um die Einzelheiten so detailliert beschreiben zu können. Es wird vermutet, dass das edle Stück in Südengland von der Frau von Wilhlem, Mathilde von Flandern mit ihrem Hofstaat gefertigt wurde, um den Sieg ihres Mannes zu würdigen. Aber auch Odo von Bayeux, Wilhelms Halbbruder, könnte der Auftraggeber gewesen sein. Er selber kommt im Teppich öfter vor, als seine Person von Bedeutung in der Geschichte war. Diese Theorie würde erklären, warum der Teppich in Bayeux gelandet ist.
Nicht alles, was man auf dem Wandteppich sieht, kann erklärt werden.

Der Teppich wurde eingerollte in einer Truhe in einem Tresor der Kathedrale aufbewahrt und bis zum Zeitpunkt der Französischen Revolution nur einmal im Jahr ausgestellt. Ansonsten hat er viele Abenteuer hinter sich und es ist ein Wunder, dass er so gut erhalten ist. Heute befindet sich das Original wieder in Bayeux. Eine Kopie davon hängt im britischen Stadtmuseum von Reading.

2007 wurde dieses einmalige, gestickte Kunstwerk in das UNESCO Memory of the World (Weltdokumentenerbe) aufgenommen.

Christa Blenk - 4. März 2025
ID 15172
Im Obergeschoss des MUSÉE DE LA TAPISSERIE DE BAYEUX wird die Geschichte von La Tapisseriede Bayeux anhand von unzähligen Exponaten und Tafeln erzählt. Außerdem läuft alle 20 Minuten ein 16-Minuten Film abwechselnd in englischer und französischer Sprache.

Das Tappisserie-Museum öffnet jeden Tag, wird allerdings ab September 2025 für zwei Jahre seine Türen schließen, um Renovierungsarbeiten durchzuführen. Der Besuch dauert ca. 90 Minuten. Der Eintritt kostet 12 Euro. Kinder bis 10 Jahren zahlen nicht. Das Museum schließt mittags zwischen 12.30 und 14 Uhr. Gegenüber gibt es eine charmante Crêperie. Zwei Minuten vom Museum entfernt steht die beeindruckende Kathedrale.

Die alte Stadt Bayeux hat heute knapp 13.000 Einwohner und liegt in der Normandie, im Departement Calvados, sieben Kilometer vom Ärmelkanal entfernt. Bayeux war ein bedeutender Ort der römischen Provinz Gallia Lugdunensis. Reste der Befestigungsanlage aus dem dritten Jahrhundert sind immer noch zu sehen. Um das Jahr 900 wurde die Stadt von den Normannen verwüstet. Die Kathedrale Notre Dame ist im Stil der normannischen Gotik erbaut und stammt aus dem 11. Jahrhundert. Den Hundertjährigen Krieg hat die Stadt gut überstanden. Die Alliierten sind 1944 nur acht Kilometer entfernt von Bayeux gelandet. Die meisten Besucher kommen wegen dieses mittelalterlichen Teppichs nach Bayeux.


Weitere Infos siehe auch: https://www.bayeuxmuseum.com/la-tapisserie-de-bayeux/


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