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Werkbetrachtung

Die Annehmlichkeiten des Lebens

von Antoine Watteau



Der französische Maler Antoine Watteau (1684-1721) hat Anfang des 18. Jahrhunderts mit den „Fêtes galantes“ die Malerei um eine neue Bildgattung erweitert. Ungezwungene, gesellige Zusammenkünfte im Freien, die - eingehüllt in Barockmusik - zwischen Architektur, Park- und Gartenanlagen stattfanden: Picknick inklusive. Es ist die Musik von Lully, Rameau oder Scarlatti, die unter dem Sonnenkönig gespielt wurde. Diese Musik dürften Watteaus Musiker gespielt haben, und Im Garten von William Christie in Thiré steht ebenfalls fast ausschließlich italienische oder französische Barockmusik auf dem Programm.


[Am 22. August ist es wieder soweit, und der Maestro öffnet für eine Woche die Türen seines Landsitzes in der Südvendée. Lustwandeln und sich von einem Kurzkonzert zum nächsten treiben lassen wie in den Vorjahren, zwischendurch einen Kaffee oder einen Crémant trinken und mit den Musikern reden oder durch den Gemüsegarten spazieren geht dieses Jahr nicht. Die Abstands- und Sicherheitsmaßnahmen verlangen, dass man vor der Anreise eine organisierte Tour bucht, und diese Touren haben so schöne Titel wie: «Promenade du Frêne», «Promenade du Peuplier» oder „Promenade du Cyprès»...

Kein anderer Musiker oder Dirigent hat so viel für die französische Barockmusik getan wie William Christie, der seit Jahrzehnten mit seinem Ensemble Les Arts Florissants in Frankreich lebt und arbeitet und zur Weltklasse gehört. Die Theorbe ist ein nicht wegzudenkendes Instrument bei den kleinen, intimen Gartenkonzerten in Thiré. An den Annehmlichkeiten des Lebens wie „die Freuden der Tafel, der Musik und des Spiels, Konversation, Lektüre und Spazierengehen“ hat sich bis heute nichts geändert, auch wenn sie sich zum Teil in einem anderen Kleid präsentieren.]



*


Die Annehmlichkeiten des Lebens (Les Charmes de la Vie) heißt das Bild von Watteau, in dem er 1718 auf knapp 70 x 90 cm die vorfreudige und ausgelassene Heiterkeit eines unbekümmerten Konzertgenusses malte. Als Kulisse diente ihm das nur 20 Kilometer von Paris entfernte kleine Landschloss Montmorency, das damals im Besitz des nicht adeligen aber sehr reichen Großbankiers Crozat war. Dieser sammelte alte Meister, förderte junge Maler und regelte die Finanztransaktionen des Regenten. Watteau hatte das Privileg – teilweise zusammen mit dem Maler Nicolas Vleughels – eine Zeit lang in der Stadtwohnung des Bankiers zu leben und kannte natürlich auch das Landschlösschen.

Antoine Watteaus kurze Schaffenszeit fällt in die letzten Jahre von Ludwig XIV. und die Anfangszeit seines Nachfolgers. Der Sonnenkönig war ein religiöser Kriegstreiber und kultivierter Despot, der Frankreich zwar große Schulden und viel Chaos aber auch Kultur hinterlassen hat und Racine zu seinen Freunden zählte. Sein Nachfolger Ludwig XV. war 1715 noch zu jung, um die Regierungsgeschäfte zu führen. Diese übernahm sein freigeistiger Großonkel, der Herzog Philippe von Orleans, der weniger von einem strengen Protokoll hielt, dafür mehr von Champagner, einem Getränk, das gerade in Mode kam. Angeblich hat er bis zu sechs Flaschen am Tag davon trinken können. Während der „Régence“ fand eine Art Stadtflucht statt, und wer konnte, verließ das stinkende Paris und suchte sich ein schönes, bukolisches Plätzchen nicht weit von der Hauptstadt entfernt! Sogar Bäume und Hecken wurden aus der strengen Versailles-Geometrie entlassen und durften wieder „wild und unfrisiert“ wachsen. Der junge Watteau prägte das beginnende 18. Jahrhundert wie sonst kein anderer Künstler. Man kleidete sich nach dem „Watteau-Stil“ oder trug eine „Watteau-Frisur“ und bezog sich auf seine Bilder.




Les Charmes de la Vie von Antoine Watteau | Bildquelle: Wikimedia


Eine kleine Gruppe von Musikliebhabern hat sich auf der Treppe vor einem Säulen-Vestibül versammelt. „Mehr der Natur als der Kunst“ verdankt der Park, der links von der Gruppe beginnt und zur Promenade einlädt. Im Hintergrund unter den Schäfchenwolken sieht man eine Stadt, auf einer Wiese davor haben es sich ein paar andere Gäste bereits im Gras bequem gemacht. Die Gesellschaft in erster Reihe, bestehend aus zwei Männern, zwei Frauen, zwei Kindern und einem Hund, sitzt auf einer elegant gepflasterten Terrasse, in deren Mitte ein Musiker in der typischen von der Commedia dell’Arte inspirierten Watteau-Kleidung gerade auf einer Theorbe herum zupft. Um sein Gleichgewicht zu halten, muss der Musiker seinen Fuß auf einen gepolsterten Schemel stellen. Die Theorbe stand Anfang des 18. Jahrhunderts vor dem Aussterben und wurde immer mehr vom leichter zu spielenden italienischen Violoncello verdrängt. Schemel, Instrument und ein paar Bücher auf dem Boden bilden ein Stillleben im Bild. Für den lässig an der linken Bandsäule lehnenden Melomanen mit roter Kopfbedeckung und rotem Umfang hat übrigens Watteaus Malerfreund Nicolas Vleughels Modell gestanden. Noch ist die Gruppe mit sich beschäftigt und wartet, bis das schwierig zu stimmende Instrument soweit ist. Rechts vom Musiker liegt ein Jagdhund, der sich gerade leckt, und vor diesem sitzt ein fein gekleideter Dienstbote aus den französischen Kolonien, vielleicht den Antillen, auf den Steinen, der gerade mit dem Kühlen des Champagners beschäftigt ist aber zur Gruppe blickt. Der „commerce triangulaire“ wurde im 18. Jahrhundert immer noch praktiziert und hat vielen Geschäftsleuten zu Reichtum verholfen. Dabei war es wichtig, ein Schiff nie ohne Ware fahren zu lassen. Von Europa aus gingen Güter nach Afrika, dort wurden Sklaven an Bord genommen und nach Amerika gebracht, wo schließlich Rohstoffe, Kaffee oder Tabak für Europa geladen wurden. Wer etwas auf sich hielt, hatte einen Bediensteten aus den Kolonien. Eine weitere Bandsäule rahmt rechts das Bild ein. Watteau hat sich – wie immer – mehr auf die Stimmung als auf die Technik konzentriert. Bei den Musikern handelte es sich meist um Amateure, und obwohl Watteau selten Essen oder volle Gläser malte, weiß man, dass es davon im Überfluss gab. So kultiviert und sittsam wie Watteau es uns vermitteln will, ging es in Wirklichkeit sicher nicht zu. Er versteckte geschickt pikante Andeutungen aber auch Kritik in seinen Werken. Ein Beispiel dafür ist das Portrait Gilles, der traurige Pierrot.

Christa Blenk - 22. August 2020
ID 12405
Der aus bescheidenen Verhältnissen stammende Antoine Watteau wurde in nur kurzer Zeit der bedeutendste französische Rokoko-Maler. Arkadien-Idyllen, höfliche Galane, verzückte Damen sind auch in seinem Hauptwerk Die Einschiffung auf Kythera zu sehen. Hier erzählt er die Geschichte einer Gruppe von jungen Leuten, die gerade ein Boot auf die Liebesinsel Kythera besteigen. Mit diesem Bild wurde Watteau übrigens 1717 in die Akademie aufgenommen. Der zurückhaltende und fleißige Autodidakt war ein feiner Beobachter aber auch ein brillanter und schneller Zeichner. Dass er die Musik liebte, sieht man an der Präzision, mit der er die Instrumente portraitierte. Experten konnten nach seinen Zeichnungen den Hersteller ermitteln, das berichtet jedenfalls Graf von Caylus in einer Biografie über den Künstler. Watteau, der Chronist am Rande des Geschehens, trug immer ein Skizzenbuch bei sich. 1717/18, als das Bild Die Annehmlichkeiten des Lebens entstand, war er schon krank, und die London-Reise 1719 hatte das Ziel ihn zu kurieren. Watteau starb 1721 mit nur 36 Jahren an Tuberkulose, manche sagen auch, er hätte eine Farbvergiftung gehabt.

Wikimedia-Link zum Bild Die Annehmlichkeiten des Lebens von Watteau


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