Portrait der Akademiemitglieder
von Johann Zoffany
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1768 gründete der britische König George III., seines Zeichens dritter Monarch aus dem Hause Hannover, in London die Royal Academy of Arts; in England die erste Schule dieser Art. Im 18. Jahrhundert hatten solche Einrichtungen eine enorme Bedeutung, sicherten sie doch den Mitgliedern Respekt und eine gute Ausbildung zu. Der Stundenplan war streng und die Regeln einzuhalten. Die 34 Gründungsmitglieder waren allesamt damals geschätzte Maler. Angelika Kauffmann und Mary Moser waren die einzigen weiblichen Gründungsmitglieder. Ihr erster Präsident wurde Sir Joshua Reynolds.
1772, also vier Jahre später, stellt der in Deutschland geborene Künstler Johann Zoffany (1733-1810) das Portrait der Akademiemitglieder (Academicians of the Royal Academy) fertig.
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Portrait der Akademiemitglieder von Johann Zoffany | Bildquelle: Wikipedia
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Tatort ist der Aktsaal der Königlichen Akademie in London. Die Künstler in Zoffanys Gemälde sind mehr oder weniger alle identifiziert. Die Bedeutung von Lebendmodellen manifestiert er mit zwei männlichen Akt-Modellen, die im Bild rechts leicht erhoben zu sehen sind. Der Jüngere ist gerade dabei, sich auszuziehen. Zoffany hat ihn in der Position der antiken Dornenauszieher-Figur eingefangen. Seine Kleidung liegt achtlos vor ihm. Die Sanduhr, als memento mori in erster Reihe auf dem Boden, soll die Zeit messen, die er sitzen wird. Generell arbeitete man mit vier Modellen, die in zwei Schichten immer zwei Stunden Modell saßen. George Michael Moser, rechts im Bild, leicht nach vorne gebeugt, bringt gerade mit einer Seilschlinge das mittlere Model in Pose. Direkt neben ihm sitzt der Miniaturmaler und Gemmenschneider Edward Burch. Moser steht genau unter dem Portrait von Angelika Kauffmann, "Miss Angel", wie die Briten die deutsche Künstlerin nannten. Daneben, im Profil, hängt seine Tochter, Mary Moser. Die beiden Mitglieder der Akademie haben als Frauen keinen Zutritt zum Aktsaal und dürfen somit auch nicht an den Kursen mit männlichen Lebendmodellen teilnehmen. Zoffany, der es offensichtlich nicht wagte, die Malerinnen im Bild unterzubringen, löst das Problem dergestalt, indem er die beiden einfach als Portraits an der rechten Wand ins Spiel bringt. Der Portraitmaler Nathaniel Hone lehnt neben Moser an einem Mauervorsprung. Joseph Nollekens, rechts im Profil, war seinerzeit der bekannteste britische Bildhauer. Sein Vater war ein flämischer Maler aus Antwerpen. Der Miniaturmaler Richard Cosway, im gelben Wams mit grünem Mantel am Stock lehnend, hatte den Ruf, ein affenähnlicher Wüstling zu sein, hier hat ihm Zoffany eindeutig geschmeichelt. Er lebte in einer arrangierten Ehe mit einer italienischen Komponistin, die von Thomas Jefferson mehr als bewundert wurde. Zoffany weist auf seinen unwürdigen Lebenswandel, der ihn fast seine Mitgliedschaft gekostet hätte, hin, indem er ihm einen weiblichen Torso ohne Identität neben seine Beine legt.
Der in Schwarz gekleidete Herr mit weißer Perücke und silbernem Hörrohr in der Mitte ist der Porträtmaler Joshua Reynholds. Links von ihm steht der Schatzmeister der Akademie, der schottische, klassizistische Architekt Sir William Chambers. Er hat u.a. das Somerset House in London gebaut. Rechts von Reynolds, nachdenklich mit der Hand am Kinn, William Hunter. Den beiden kommt in der Inszenierung von Zoffany die Rolle der Philosophen Platon und Aristoteles, leicht ironisch und frei nach Rafaels Schule von Athen, zu. Der ungepflegt wirkende Maler mit der schlecht zugeknöpften Weste, der breitbeinig mit schmutzigen und verrutschten Strümpfen links im Bild auf einem Hocker sitzt, ist der Illustrator Francis Hayman, der Bibliothekar. Er war anfangs Bühnenmaler an Londoner Theatern, beeinflusst vom französischen Rokoko und maßgeblich bei der Gestaltung des englischen Vergnügungsparks Vauxhall-Gardens beteiligt. Durch seine schlampige Repräsentation will Zoffany uns vielleicht sagen, dass für Hayman die Kunst wichtiger als sein äußeres Erscheinen war. Das einzige Nicht-Mitglied im Bild ist der erfolgreiche chinesische Bilderhauer Tan-Che-Qua. Man sieht nur seinen Kopf links hinten. Der Mann, der ihm gerade etwas zuflüstert, ist der Miniaturmaler Jeremias Mayer, der als 15-jähriger von Tübingen nach London kam. Der stehende Mann mit dem angewinkelten Knie in einem olivgrünen Wams mit grauem Mantel ist der klassizistische, amerikanische Historienmaler Benjamin West. Er kam über Rom, wo er Mengs und Winckelmann kennenlernte, nach London und wurde Joshua Reynolds Nachfolger als Präsident der Akademie. Zoffany schien gewusst zu haben, dass West einer der Lieblingsmaler des Königs war und gibt ihm hier eine Siegerattitüde. Der Mann mit dem Kerzenständer im Zentrum der linken Gruppe ist der Landschaftsmaler und Kartenzeichner Paul Sandby. In der Mitte des Gemäldes arkadisch-liegend der satirische Landschafts- und Tiermaler Charles Catton. Rechts von ihm der Medaillonmaler Richard Yeo mit Brille und neben ihm der italienische Landschaftsmaler Francesco Zuccarelli, der tänzerisch-affektiert seine Hand auf sein Knie legt. Im Hintergrund links neben einem lebensgroßen Gipsmodell, leger und unbeteiligt im braunen Anzug an einem Mauervorsprung, lehnt der walisische Landschaftsmaler Richard Wilson. Er hatte den Ruf, gerne mal einen über den Durst zu trinken. Wilson war der erste Maler, der sich vor allem auf die reine Landschaft, ohne Veduten oder Bögen, konzentrierte, und wird als Vater von Constable und Turner genannt. Johann Zoffany selber, ohne Perücke und mit Farbpalette, bringt sich unten links sitzend ins Bild, wie er gerade dieses internationale Gruppenbild malt. Er und das junge Modell blicken als einzige auf den Betrachter, während die anderen im Gespräch vertieft, die Modelle betrachten oder profundes Nachdenken vortäuschen.
Gipsabdrücke, darunter ein fliegender Merkur nach Giambologna, auf den erhöhten Regalen und Nachbildungen von Friesen erzählen von der Bedeutung des Zeichenunterrichts, der Antike und der Renaissance.
Bei genauerer Betrachtung wird dort aber gar nicht gemalt, sondern diskutiert. Mehr noch, niemand hat weder Zeichenblock noch Kreide in der Hand. Nur die Farblecken auf dem Holzboden weisen auf einen Ort der aktiven Kunst hin. Theorie ist so wichtig wie Praxis, und es sind Gelehrte, weise, eitle Männer, die sich hier treffen, keine Maler. Zoffany ist hier ganz klar.
Die Hauptlichtquelle ist ein von der Decke herabhängender, flammender Gasleuchter, der farbige Schatten an die verrußte Wand wirft.
Thomas Gainsborough, heute einer der bekanntesten Künstler, fehlt. Angeblich hat er sich mit ein paar Mitgliedern zerstritten und wollte dann nicht mehr im Bild erscheinen.
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Es ist eines von Zoffanys interessantesten Arbeiten, aber ob sie wirklich alle auf einmal Modell für ihn gestanden haben für diesen Schnappschuss, bleibt dahingestellt; 500 Guineas soll er vom König dafür bekommen haben, der es auf Schloss Windsor hat bringen lassen, wo es immer noch hängt.
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Christa Blenk - 4. Februar 2022 ID 13440
1760 kam der deutsche Dekor-Maler Johann Zoffany nach England. König George III. wurde bald auf ihn aufmerksam und gab eben dieses Bild bei ihm in Auftrag. Man geht davon aus, dass Zoffany die Anordnung der Künstler in Absprache mit dem König vorgenommen hat. Solche Conversation piece portraits waren gerade wieder einmal in Mode. Zoffany reiste später nach Indien und kam als reicher Mann nach England zurück, wo er noch bis 1800 malte und 1810, angeblich geistig dement, verstarb.
Sein Portrait der Akademiemitglieder gehört der Königlichen Sammlung London, misst 101 x 147,5 cm und entstand 1771/1772.
Wikipedia-Link zu Zoffanys Bild
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