Judith I von Gustav Klimt
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Auch wenn immer wieder erzählt wird, dass der Vamp auf dem Bild von Gustav Klimt (1862-1918) eigentlich Salomé mit dem Haupt von Johannes sein müsste, hat Klimt hier die alttestamentarische und tugendhafte Judith gemalt, die verführt und tötet, um ihr Volk von Holofernes zu befreien. Die Rahmeninschrift ganz oben im Bild lässt daran keinen Zweifel. Aber wahrscheinlich ging es Klimt vor allem darum, eine unabhängige, konventionslose verführerische femme fatale zu malen, eine Frau, die bereit ist, jede Rolle einzunehmen.
Berauscht von der Schönheit der jungen und couragierten Witwe, lädt der assyrische General Holofernes Judith zu einem Festmahl, bei dem er selber zu viel Wein trinkt und einschläft. Sie meint es gut mit ihm, enthauptet ihn im Schlaf und befreit so Betulia. Judith bringt den Mann zuerst um den Verstand und dann um sein Leben.
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Judith I von Gustav Klimt | Bildquelle: Wikipedia
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Das Bild Judith I zeigt das Danach. Holofernes lebt nicht mehr, sein Haupt befindet sich - versteckt zwar - rechts unten im Bild, auf der Höhe von Judiths Bauchnabel. Es scheint eine sehr saubere Hinrichtung gewesen zu sein. Judith trägt weder das Attribut Schwert, noch ist auch nur ein Tropfen Blut zu sehen. Sie will die Tat vertuschen oder damit nichts mehr zu tun haben und schiebt mit der rechten Hand Holofernes‘ bärtiges Haupt einfach aus dem Bild. Klimt hat ihre Bewegung mittendrin eingefangen und lässt uns sein Gesicht bis zur Nase sehen. Ihr Kopf mit den dicken, schwarzen Haaren liegt ruhig und ausgeglichen auf einem für Klimt typischen, kitschigen Schuppenteppich aus Goldornamenten. Das transparente, gold-blau gemusterte Brokatkleid bedeckt nur die rechte Körperhälfte. Judith wirkt zufrieden. Obwohl sie die Augenlider halb geschlossen hat, ist ihr Blick nicht nach unten gesenkt. „Es ist vollbracht“, will sie uns sagen. Der Triumph und die vorangegangene Anspannung lassen ihre Nasenflügel nachzittern. Ein mit edlen Steinen verziertes Goldband umschließt ihren Hals wie eine sadistische Fessel. Ihre Lippen sind leicht geöffnet, die Wangen ein wenig gerötet. „Sinnliches Feuer“ oder „Sieg der weiblichen Erotik über die männliche Aggression“ haben die Kritiker dem Werk kurz nach seinem Erscheinen bestätigt. Klimt malt weder Abscheu noch Ekel, er malt die Fusion von Lust und Grausamkeit. Damit bewegt er sich ganz weit weg von den blutrünstigen Versionen im italienischen Barock aus der Hand von Caravaggio oder Artemisia Gentileschi. Klimt malt die Frau als Gefahr für den Mann und das, was Freud ein paar Jahre als später als Kastrationsangst des Mannes bezeichnen wird. Modell gesessen hat, wie schon bei Pallas Athena ein paar Jahre vorher, Klimts Geliebte aus der Wiener Gesellschaft Adele Bloch-Bauer. Das Bild entstand 1901, misst 84 x 42 cm und hängt in Wien. 1909 setzt er sich mit Judith ein zweites Mal auseinander.
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Die dichten, dunklen, wuscheligen Haare könnten aber auch Emilie Flöge (1874-1952) gehören. Obwohl sie sich immer geziert hat, von ihm gemalt zu werden, entsteht 1902 ein großartiges Ganzkörperportrait in Blautönen. Er hat sie, die Reformkleid-Erfinderin, in einen eng anliegenden, blauen Schlauch gesteckt und das Bild bei der Secession ausgestellt. Berta Zuckerkandl soll anschließend in der Wiener Allgemeinen Zeitung positiv darüber berichtet haben, während Emilie von der „fischigen Frau“ sprach und sich nicht so recht damit anfreunden konnte. Emilie Flöge, seine moderne und großartige Weg- und Lebensgefährtin, war ihrer Zeit weit voraus und hat genau das verwirklicht, was im Fin de siècle seinen Anfang fand: Die Emanzipation der Frau, die bestehende Geschlechterrollen plötzlich außer Gefecht setzte. Flöge betrieb, bewusst unverheiratet, bewusst kinderlos, mit ihren Schwestern den erfolgreichen Salon Flöge in Wien. Sie hat schon ein paar Jahre vor Coco Chanel die Frauen von Miedern und Korsagen befreit. Ihre Reformkleider, für die Klimt und seine Entourage oft Entwürfe machten, waren sehr beliebt und revolutionär. Flöge war die einzige Frau, die Klimt ein Leben lang zur Seite stand, die einzige, die seinen Hunger nach Leben und Frauen ertragen konnte und in dem groben, eigenwilligen Klotz, der am liebsten im Kaftan herumlief und literweise Bier trinken konnte, auch den feinsinnigen Künstler gesehen hat. Aus einer flüchtigen Affäre ist im Laufe der Jahre eine wunderbare, platonische, sehr wichtige Freundschaft geworden, die ein Leben lang halten sollte und auch Klimts gespaltenes und zweideutiges Verhältnis zu Frauen, seine unzähligen Liebschaften mit Modellen, Frauen der Gesellschaft und den Wiener Mädels überstand. Er war nie verheiratet, hatte aber von drei Frauen mindestens sechs Kinder.
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Christa Blenk - 6. Juni 2020 ID 12282
Die gehobene Wiener Gesellschaft um 1900 musste sich ein Haus von Josef Hoffmann bauen und dieses von Kolomann Moser ausstatten lassen. Die Gattin wurde selbstverständlich bei den Schwestern Flöge eingekleidet, um anschließend im neuen Reformkleid von Gustav Klimt gemalt zu werden. Dies war der Fall bei Adele Bloch-Bauer oder Clarisse Rothschild und Berta Zuckerkandl. Billig waren weder die Flöges-Kleider noch Klimts Portraits. Der Maler hatte für eine große Schar von Menschen zu sorgen. Da waren seine Mutter, seine unverheirateten Schwestern, sein "Harem" und seine unehelichen Kinder. Außerdem unterstützte er großzügig andere Künstler wie Schiele oder Kokoschka. Da blieb oft nicht mehr viel Geld für große Reisen. Dafür ging es jahrelang zur Sommerfrische an den Attersee mit Kind und Kegel und den Flöges, natürlich auch auf seine Kosten. Klimt vereinte das Dionysische mit dem Apollinischen, konnte eine ganze Nacht durchzechen und sehr sparsam mit sich selber sein.
Gustav Klimt war ein byzantinischer Symbolist schon bevor er 1903 nach Ravenna reiste und sich in die frühchristlichen Mosaike verliebte, die dann nachhaltig seinen Goldenen Stil prägen sollten. Er hat eine Kunstgewerbeschule besucht, sein Vater war Goldgraveur – beides konnte und wollte er in seinen Werken nicht verleugnen. Sein bekanntestes Bild, Der Kuss, zierte 2003 die österreichische 100-Euro-Goldmünze.
Der Hauptprotagonist des Wiener Jugendstil, Gustav Klimt, stirbt im Februar 1918. Im gleichen Jahr sollten ihm Egon Schiele, Ferdinand Hodler, Otto Wagner und Kolomann Moser folgen und eine Ära beenden.
Link zum Bild Judith I von Gustav Klimt
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