Dialog mit
der Kunst-
geschichte
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Die Moden und mit ihnen die Terminologien wechseln sich in den Wissenschaften in dem Rhythmus ab, der erforderlich ist, damit sich der Nachwuchs von den Vorgängern absetzen und profilieren kann, bis er seinerseits von den Jüngeren abgelöst wird. Eine Zeit lang gehörte die Rede von der „Intertextualität“ zum Besteck der Literaturwissenschaften. Heute grassiert im Umfeld des Theaters der geliehene Begriff der „Übermalung“ oder auch „Überschreibung“. Die schlichte Wahrheit hinter solchem Wortgeklingel lautet: die Künste haben immer schon auf vorausgegangene Werke ebenso reagiert wie auf die außerkünstlerische Wirklichkeit. Ob man von „Einflüssen“ spricht oder von „Parodie“ – stets wird die Kenntnis der Geschichte einzelner Gattungen oder Genres vorausgesetzt, damit, was darauf anspielt, verstanden wird.
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In der Kunsthalle Tübingen kann man jetzt genau dies überprüfen. Zu sehen sind Bilder gegenwärtiger Künstler, die auf unterschiedliche Weise Bezug nehmen auf bekannte Werke der Kunstgeschichte. Der Titel der Ausstellung Comeback liefert bereits eine Interpretation. Der Rückgriff auf ältere Vorlagen bedeutet nicht unbedingt eine „Rückkehr“, eine „Renaissance“. Die Eingriffe und Veränderungen sind zumindest ebenso signifikant wie es die Wiedergeburt ist. Die Werke von einst kommen in veränderter Form zurück und ahmen ihre Vorbildern nicht so sehr nach wie sie mit ihnen, bewundernd oder polemisch, demütig oder kritisch, in einen Dialog treten. Der Pole Sławomir Elsner zum Beispiel verwischt die Konturen so stark, dass man in seien Farbstiftzeichnungen die Bilder von da Vinci oder Raffael nur wie hinter Milchglas erahnen kann. Nicht selten mischt sich in die Hochachtung vor den abgewandelten Originalen der Witz der Respektlosigkeit. Wer kennt nicht die zahllosen Kontrafakturen von Rembrandts Anatomie des Dr. Tulp oder von seiner Nachtwache? Rembrandt fehlt in Tübingen ebenso wenig als Objekt der ironischen Reverenz wie, klar doch, Hieronymus Bosch. Zeitgenössisches kollidiert mit Veraltetem, Modernes mit Historischem. Christian Jankowski nutzt die Fototechnik und stellt La danse von Matisse oder Adam und Eva à la Cranach mehr oder weniger genau mit realen Menschen nach. Eine Übermalung im eigentlichen Wortsinn vollzieht Jean-Luc Moerman, wenn er der selbstmordenden Lucretia von Cranach eine Ganzkörpertätowierung verpasst.
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Besucher der Ausstellung Comeback. Kunsthistorische Renaissancen in der Kunsthalle Tübingen | Foto: Ulrich Metz
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Thomas Rothschild – 26. August 2019 ID 11644
Im Kerber Verlag ist ein prachtvoller Katalog zur Ausstellung erschienen, der geeignet ist, all jene zu trösten, für die Tübingen zu weit entfernt liegt.
Weitere Infos siehe auch: https://kunsthalle-tuebingen.de/
Post an Dr. Thomas Rothschild
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