Belgische
Symbolisten
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Cover zum Ausstellungskatalog | (C) Hirmer Verlag
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Bewertung:
Wem es momentan nicht vergönnt ist, eines der begehrten Zeitfenstertickets für die große Impressionistenschau im Potsdamer Museum Barberini zu ergattern, dem sei passend zur herbstlichen Stimmung die Ausstellung Dekadenz und dunkle Träume. Der belgische Symbolismus in der ALTEN NATIONALGALERIE BERLIN empfohlen. Ein Blick auf ein paar bekannte französische Impressionisten lässt sich dort im großen Saal des 1. Obergeschoss werfen. Umrahmt werden sie von über 180 Werken nicht weniger berühmter Künstler aus dem belgischen Nachbarland. Die Kunstrichtung des Symbolismus trieb dort ab dem 1880er Jahren besonders in der Kunstmetropole Brüssel seine dekadenten aber auch recht morbiden Blüten. Maler und Grafiker wie Fernand Khnopff, Felicien Rops, Théo van Rysselberghe oder James Ensor sind auch hierzulande keine Unbekannten mehr. Nun hat die Berliner Nationalgalerie mit Unterstützung der Königlichen Kunstmuseen Belgiens und vieler weiterer Leihgaben aus deutschen und europäischen Kunstmuseen trotz Coronakrise und bestehenden Reisebeschränkungen diese recht umfangreiche Schau zusammenstellen können.
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Der erste Blick im Eingangsbereich fällt aber auf den Jünglingsbrunnen von George Minne, einem der bekannteren belgischen Bildhauer des Symbolismus. Die marmorne Leihgabe aus Gent zeigt fünf hagere kniende Knaben mit gesenktem Blick und verschränkten Armen. Ein Ausdruck von Zerrissenheit zwischen Narzissmus und Trauer, ein Blick ins Seelenleben der Symbolisten aber auch Ausblick in die Moderne, denkt man an ebensolche schlanken Figuren des deutschen expressionistischen Bildhauers Wilhelm Lehmbruck. Im anschließenden Saal, der sonst den Deutschrömern Arnold Böcklin, Anselm Feuerbach und Hans von Marées gewidmet ist, öffnet sich die volle Palette der symbolistischen Kunst. Als Beigaben hat die Nationalgalerie den Belgiern noch ein paar Werke deutscher Symbolisten an die Seite gestellt. Etwa das berühmte düstere Gemälde Die Toteninsel von Böcklin, Franz von Stucks lasziv lockende Zauberin Circe, ein Portrait der Schauspielerin Tilla Durieux, oder seine bedrohlich schöne Sünde, eigentlich schon Jugendstil mit kunstvoller Rahmung, ähnlich den Frauendarstellungen des Wiener Jugendstilpapstes Gustav Klimt.
„Rendezvous mit dem Tod“ und „Die Frau als Rätsel“, zwei Themenschwerpunkte der Ausstellung, auf die sich ein Gutteil des Oeuvres der Symbolisten herunterbrechen lässt. Die Skulptur Der Schmerz von George Minne, das Gemälde Der Tod auf dem Ball von Felicien Rops oder Die melancholischen Fischfrauen beobachtet von Skeletten auf dem Gemälde von James Ensor, bedienen das morbide Sujet des Symbolismus. Dagegen stehen das Geheimnisvolle, Bedrohliche oder Erotische der Femme fatale als Projektion männlicher Ängste und Begierden in den zahlreichen Medusen, Sphingen und ähnlichen Frauenbildnissen mit mythologischem Hintergrund in den Bildern von Fernand Khnopff, dem vielleicht bedeutendsten belgischen Symbolisten, dem die Ausstellung fast schon eine kleine Retrospektive nebenbei widmet. Sein berühmtes Sphinx-Gemälde Liebkosungen hat den Weg aus Brüssel ebenso hierher gefunden, wie seine düsteren Landschaftsbilder, Illustrationen zu literarischen Werken des Symbolismus, das Portrait der Marguerite Khnopff, Schwester des Künstlers, oder Khnopffs spirituelle Werke wie Der Weihrauch oder das Bilderpaar Die Feenkönigin.
Im Großen und Ganzen arbeitet sich die Ausstellung dann auch an diesen weiteren Themenbereichen symbolistischer Kunst mit Schwerpunkt Belgien ab. Dabei geht es einmal rund um den Mittelsaal des 1. Obergeschosses. Neben den schon erwähnten Größen des belgischen Symbolismus gibt es aber auch weniger bekannte Künstler wie den Autodidakten Léon Spilliaert zu entdecken. Einer der Exzentriker des belgischen Symbolismus mit seinen in dunklen Grautönen gehaltenen Portraits, in denen nur einzelne, kleine Assessors farbig gehalten sind wie das somnambule Selbstportrait mit rotem Mond. Mehr Farbe brachte der „Maler der Masken“, James Ensor, ins Spiel. Sein Spätwerk um die Jahrhundertwende wirkt schon sehr expressionistisch, was man gut in den Gemälden Die Intrige (1890) oder Das malende Skelett (1896) erkennen kann. Aber nicht nur der Tod und eigene Neurosen beschäftigten die Symbolisten, auch spiritistische und okkulte Themen fanden Einzug in ihr Werk. Die Kunst als metaphysischer Religionsersatz. Eine schillernde Figur dieser Richtung war der Sâr genannte Schriftsteller und Okkultist Joséphin Péladan. An seinem Salon de la Rose-Croix nahmen Künstler wie Jean Delville, Ferdinand Hodler, Fernand Khnopff und George Minne teil.
In dem Maße, wie die Künstler des Symbolismus sich in die Schönheit der Kunst flüchteten und die reale Welt weitestgehend ausblendeten, negierten sie aber auch die Tatsache, dass der wirtschaftliche Aufstieg Belgiens und großer Teile Westeuropas aus der Ausbeutung ihrer Kolonien resultierte. So fand im Jahr 1884 in Berlin auf Einladung von Bismarck auch die sogenannte Kongokonferenz statt, auf der die europäischen Kolonialstaaten u.a. auch Belgien, die USA und das Osmanische Reich Westafrika aufteilten. Davon ist in der Kunst der Symbolisten, die sich einzig mit der eigenen bürgerlichen Gesellschaft beschäftigten, kaum etwas zu sehen. I lock my door upon myself heißt ein dafür bezeichnendes Werk von Fernand Khnopff. Eine ganze Kunstrichtung im Traumzustand mit dem Schlafmohn als Symbol. Weltflucht und Gegenwartsmüdigkeit, die Krankheit oder Dekadenz des Fin de Siècle. All das klingt hier in den ausgestellten Werken an. Verweise auf Literaten wie Maurice Maeterlinck oder Charles Baudelaires (Les Fleurs du Mal), die Philosophie Friedrich Nietzsches und die Musik Richard Wagners als Inspirationsquellen fehlen nicht. Ein weites Feld, das die Ausstellungsmacher da beackern und in einem 336 Seiten starken Katalog noch vertiefen.
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Fernand Khnopff: I lock my door upon myself, 1891; Öl auf Leinwand, 72,7 × 141,0 cm, © bpk | Bayerische Staatsgemäldesammlungen
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Stefan Bock - 22. Oktober 2020 ID 12547
Link zur Museums-HP
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