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nachDRUCK # 4

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Ausstellung

"Gott-

begnadete"



Bewertung:    



Goebbels und Hitler stellten 1944 ihre sogenannte "Gottbegnadeten"-Liste zusammen. Auf ihr standen die Namen von etwas mehr als tausend Künstlern, "die dem nationalsozialistischen Regime wichtig erschienen":

Als Auswirkung des 1943 verkündeten totalen Krieges wurden in der Endphase des Zweiten Weltkriegs zum 1. September 1944 die Theater geschlossen. Viele Künstler wurden zum Kriegsdienst eingezogen oder an der Heimatfront in der Rüstungsindustrie beschäftigt. Nur eine Minderheit von 1.041 Personen unter den etwa 140.000 Mitgliedern der Reichskulturkammer war davon ausgenommen und wurde auf der Gottbegnadeten-Liste genannt. Diese ausgewählten 'Gottbegnadeten' galten zwar trotzdem als dienstverpflichtet, sollten aber nur zu Veranstaltungen im Sinne der Kulturpropaganda und zur Truppenbetreuung herangezogen werden. Hiervon völlig ausgenommen waren die Personen, die 'überragendes nationales Kapital' darstellten und auf Sonderlisten genannt wurden."

[...]

"Die vom Kriegseinsatz ausgenommenen Kulturschaffenden erhielten ein Anschreiben mit dem Inhalt, dass der 'Herr Reichsminister Sie in seiner Eigenschaft als Präsident der Reichskulturkammer auf Grund Ihrer künstlerischen Leistung vom Wehrmacht- und Arbeitseinsatz freigestellt hat. […] Diese Freistellung, die in Würdigung Ihrer besonderen künstlerischen Fähigkeiten ausgesprochen wurde, geschah unter der selbstverständlichen Voraussetzung, daß Sie sich vorbehaltlos einer umfassenden künstlerischen Betreuung zur Verfügung stellen. […] Ich bitte, dieses Schreiben im Sinne der Maßnahmen des totalen Kriegseinsatzes als Ihre Dienstverpflichtung für die von mir geleitete Künstler-Kriegseinsatzstelle aufzufassen.'"

(Quelle: Wikipedia)




Hitler (2. v. li.) bei der Vorbesichtigung "Große Deutsche Kunstausstellung";
München, 11./12. Juli 1939


Es gab [wie oben angedeutet] noch sogenannte Sonderlisten der "Unersetzlichen Künstler" mit den Namen von Bildhauern, Malern, Architekten - aber auch Schriftsteller, Musiker, Theaterschauspieler zählten hierzu. Desweiteren gab es eine sogenannte Führerliste, auf der "neben bildenden Künstlern, Musikern und einigen Schauspielern 15 Schriftsteller, 16 Komponisten und 15 Dirigenten aufgeführt" waren. Sinn und Zweck dieser Listen war, all diese Leute von Kriegs- und Arbeitsdiensten zu befreien oder wenigstens zu waffenlosen "Künstlerkriegseinsätzen" sonderzuverpflichten.

*

Insbesondere um die benannten 114 Bildhauer und Maler der sogenannten "Gottbegnadeten"-Liste geht es aktuell in einer Ausstellung des DEUTSCHEN HISTORISCHEN MUSEUMs im Berliner Pei-Bau (neben dem z.Z. in Restaurierung befindlichen Zeughaus):

Die Liste der "Gottbegnadeten". Künstler des Nationalsozialismus in der Bundesrepublik heißt die bemerkenswerte Schau und ist noch bis Anfang Dezember dieses Jahres zu besichtigen.

So derart „gottbegnadet“, dass sie auf die Goebbels-Hitler-Liste(n) kamen, schienen den zwei Haupt- und Obernazis solche Künstler wie z.B. Arno Breker, Hermann Kaspar, Willy Meller, Paul Mathias Padua, Werner Peiner, Richard Scheibe und Adolf Wamper zu sein.

Die Ausstellung zeigt - erstmals überhaupt - , dass diese "Gottbegnadeten" auch nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Ende resp. der Zerschlagung des NS-Staates "im öffentlichen Raum, aber auch in Einrichtungen des politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Lebens [präsent] waren" und ihre (Nachkriegs-)Netzwerke auch weiterhin gut funktionierten.



Arno Breker: Pallas Athene (1956/57), Bronze;
Stadt Wuppertal, Gebäudemanagement | Foto: KE


An die 300 Skulpturen, Gemälde, Gobelins, Modelle, Zeichnungen, Fotografien, Film- und Tondokumente, Plakate, Originalpublikationen sowie TV- und Presseberichte belegen, wie sie - bis in die 1970er Jahre in der BRD, aber auch in der DDR oder in Österreich - in ihren Hauptberufen arbeiteten, und obgleich ihnen der Weg in die bedeutenden Museen vorsichtig verwehrt wurde.


"Am Beispiel von Arbeiten wie Arno Brekers 'Pallas Athene' (1957) [s. Foto oben] macht der Kurator Wolfgang Brauneis stilistische und ikonografische Eigenheiten, die Rahmenbedingungen ihrer Entstehung und ihre Rezeption deutlich: Mit seiner Wuppertaler Plastik verabschiedete sich Breker vorübergehend von der Monumentalität der Skulpturen, wie sie heute noch auf dem ehemaligen Berliner Reichssportfeld zu sehen sind. Gleichzeitig war das Motiv der Pallas Athene eine in der NS-Zeit populäre Darstellung. Den Auftrag verdankte Breker der Initiative des ebenfalls 'gottbegnadeten' Architekten Friedrich Hetzelt." (Quelle: DHM)


Und:


„Dass viele der renommierten Protagonisten des nationalsozialistischen Kunstbetriebs auch in den Nachkriegsjahrzehnten erfolgreich gewesen sind", meint Wolfgang Brauneis weiter, "wurde lange Zeit von der wirkmächtigen kunsthistorischen Erzählung des Neuanfangs nach 1945 überblendet. Wir nehmen dieses spezielle Thema von zeitgeschichtlicher Warte aus in den Blick und hoffen, auf diesem Weg einen Beitrag zur Revision des kunsthistorischen Kanons und der Nachkriegsmoderne zu leisten.” (Quelle: dto.)


Inhaltliche und formale "Anpassungen" an das neue politische System der Nachkriegszeit waren Grundvoraussetzung dafür, dass die ehemals "Gottbegnadeten", um einem (wie auch immer neuartigen) Kunstgeschmack des breiten Publikums entsprechen zu können, öffentliche Aufträge bekommen konnten. Und besonders bei der Präsentierung ihrer gegenständlichen Arbeiten gab es keinerlei Debatten und Proteste.


"Eine Ausnahme ist Hermann Kaspars Gobelin 'Die Frau Musica' (1969) in der Nürnberger Meistersingerhalle: Das Geschenk des Bayerischen Staates an die Stadt Nürnberg führte über mehrere Jahre zu Diskussionen. Symbolträchtige Mahnmale wie Richard Scheibes 'Ehrenmal für die Opfer des 20. Juli 1944' (1953) im Berliner Bendlerblock oder Willy Mellers Skulptur 'Die Trauernde' (1962) vor dem ersten bundesrepublikanischen NS-Dokumentationszentrum in Oberhausen sorgten dagegen kaum für kritische Stimmen. Auch Richard Eichlers antimodernistischer Bestseller 'Könner Künstler Scharlatane' aus dem Jahr 1960 belegt, dass weder die Künstler noch die Kunstauffassung des Nationalsozialismus nach 1945 verschwunden waren." (Quelle: DHM)

* *

In der untergegangenen DDR etablierte sich eine sehr griffige und allen (und vor allem allen anderen in der Alt-BRD) verständliche Vokabel für dieses in der besagten Ausstellung behandelte und untersuchte Phänomen der (nicht nur künstlerischen) Anpassungen, nämlich:

Wendehalsigkeit.

Auch unter DEM Gesichtspunkt ist die Schau im Pei-Bau ziemlich aufschlussreich.



Hans von Breek: Büste von Karl Marx (1949), Gips, Schellack;
Bauhaus Universität Weimar, Archiv der Moderne | Foto: KE


Gisela Herwig - 15. Oktober 2021
ID 13210
Weitere Infos siehe auch: https://www.dhm.de/


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