Picasso
blieb
zu Hause
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Pablo Picasso, Taube, 4.12.1942, Chinatusche, Auswaschungen und Gouache auf Büttenpapier, 64,8 x 46 cm, Musée national Picasso-Paris, © Succession Picasso / VG Bild-Kunst, Bonn, 2019, Foto: © bpk / RMN - Grand Palais / Michèle Bellot
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Bewertung:
Am 14. Februar 2020 eröffnete die Kunstsammlung NRW erfolgreich die Ausstellung Pablo Picasso. Kriegsjahre – 1939 bis 1945, die jetzt hoffentlich nur vorübergehend geschlossen ist. Alternativ bieten die Düsseldorfer nun eine wunderbare Online-Schau an, mit vielen Informationen sowie Fotos der Bilder und Räumlichkeiten. Natürlich ersetzt das nicht den Kunstgenuss eines Museumsbesuches, erlaubt aber eine zeitlich unbegrenzte und wiederholte Betrachtung.
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Als 1939 der Zweite Weltkrieg ausbrach, lebte Picasso schon jahrzehntelang überwiegend in Paris und war dort heimisch geworden. Drei Tage vor Ausbruch des Zweiten Weltkrieges verließ er aus Angst vor Bombenangriffen Wohnort und Atelier in Paris und zog sich in das französische Küstenstädtchen Royan zurück. Aber die Lage war schwierig: „Es fehlen Leinwände und Farben. Doch der Künstler kann mit wenig viel anfangen. Holz- und Dämmplatten werden zum Malgrund. Und er schafft Miniaturen aus Alltagsmaterial. Leere Zigarettenschachteln, Kronkorken und Verpackungen – alles kann er für seine Kunst nutzen“, heißt es in den Erläuterungen.
Nach der Besetzung von Paris und großer Teile Frankreichs durch die deutsche Armee kehrte Picasso 1940 in die Hauptstadt zurück und blieb dort. Das war eine bemerkenswerte Entscheidung, denn seine Kunst galt bei den Nationalsozialisten als entartet, und Picassos antifaschistische Orientierung dürfte den Besatzern auch nicht genehm gewesen sein. Seine Berühmtheit verhinderte, dass er großen Mangel erlitt oder in Gefahr vor Verhaftung leben musste, was vielen anderen Kunstschaffenden nicht erspart blieb. Picasso war in vieler Hinsicht ein Abweichler, besonders in ästhetischer.
Denn man mag erwarten, dass er sich angesichts der Kriegsgeschehnisse mit eben jener Thematik auseinandergesetzt hätte. Das war nicht der Fall: „Ich habe nicht den Krieg gemalt, weil ich nicht zu der Sorte von Malern gehöre, die wie ein Fotograf etwas darzustellen versuchen. Aber ich bin sicher, dass der Krieg Eingang genommen hat in die Bilder, die ich geschaffen habe“, schrieb er 1944. Allerdings hatte er schon im Jahr 1937 nach der verheerenden Zerstörung der baskischen Stadt Guernica mit Spreng-, Splitter- und Stabbrandbomben, die von der deutschen Legion Condor und der italienischen Corpo Truppe Volontarie verübt worden waren, das riesige, 27 Quadratmeter große Bild Guernica gemalt, das zu seinen berühmtesten zählt und heute noch eine Art Mahnmal gegen Krieg ist. Das Gemälde ist eine so klare Stellungnahme, dass ihm danach vermutlich auch nicht mehr viel zu zeigen blieb.
1942, auf dem Höhepunkt der nationalsozialistischen Eroberungskriege, malte er eine weiße Taube - ein Motiv, das auch in Kind mit Tauben wieder auftaucht; Stillleben, Zeichnungen mit einer stillenden Mutter, Akte und andere Frauenbildnisse dominieren seine Arbeit. Mag das Fehlen von Nahrung in dem Stillleben Krug, Kerze und Kasserolle ein Hinweis auf den damaligen Nahrungsmangel sein? 1944 und 1945 taucht wieder Essbares auf: Stillleben mit Radieschen und die seltsame Kombination in Stillleben mit Schädel, Lauch und Krug. „Feiert“ er damit das Ende der Besatzung?
Picasso war privilegiert, aber aus seiner Korrespondenz geht hervor, dass auch er von Einschränkungen und Verknappung betroffen war. Bei dem Bild Junge mit Languste (s. Bild u. li.) lässt sich nicht eindeutig ermitteln, ob dessen deformierter Körper eine Anspielung auf den Krieg sein soll, ob die Languste in seiner Hand von kindlicher Unschuld zeugt oder als Waffe und Trophäe gemeint ist. Drei Schafsschädel von 1939 und das Stillleben mit Stierschädel von 1942 sind schon deutlichere Aussagen.
Im Jahr 1944 trat Picasso in die französische Kommunistische Partei ein und ließ sich nach dem Ende der Besatzung wie einen Überlebenden feiern. ("Honi soit qui mal y pense" – Ein Schuft, wer Böses dabei denkt). Er hatte während der fast fünfjährigen Besatzungszeit überwiegend weitergearbeitet und die Kraft aufgebracht, Kunstwerke zu erschaffen. Im Privaten, versteht sich, denn er hatte unter den Nationalsozialisten natürlich Ausstellungsverbot. Er hatte sich nicht für das Exil, sondern für die innere Emigration entschieden. Danach konnte er – schließlich war er Picasso - sofort wieder ausstellen. Die Kunstsammlung NRW hat 70 Werke aus dieser Zeit zusammengetragen und auch einen Katalog dazu veröffentlicht, womit vor allem kunsthistorisch Versierte das Thema vertiefen können, was im Rahmen der Online-Präsentation notgedrungen etwas zu kurz kommt.
Dessen Erwerb ist zudem eine gute Art und Weise, die Kunstsammlung NRW zu unterstützen.
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Pablo Picasso Kriegsjahre 1939 bis 1945 Kunstsammlung Nordrhein-Westfalen Installationsansicht K20 | Foto: Achim Kukulies
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Helga Fitzner - 25. März 2020 ID 12113
Wir wünschen der Kunstsammlung NRW, der im vergangenen Jahr mit Ai Weiwei eine kuratorische Großtat gelungen ist – sowie allen anderen Museen - dass sie bald wieder eröffnet werden können. Sowohl Ai Weiwei als auch Picasso haben sich totalitären Regimes gestellt, einen Teil ihrer Kunst unter Restriktionen erschaffen müssen, doch die Erfahrung von Angst, Gefahr und Gewalt hat sie nicht dauerhaft einschüchtern können, ist im besten Fall sogar in ihre Kunst eingeflossen.
Weitere Infos siehe auch: https://www.kunstsammlung.de/de/picasso
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