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Köln als Zentrum der Revolution!? Hatten die Kölner 1794 der Armee Napoleons kaum etwas entgegengesetzt und sich später, ab 1814, doch irgendwie mit der preußischen Vorherrschaft arrangiert, setzten sie sich am 3. März 1848 zur Wehr. Die Märzrevolution fand mitten im Karneval statt, als der Funke von Paris auf Köln als erste preußische Stadt übersprang. Eine aufgebrachte Menge stürmte das Kölner Rathaus und stellte Forderungen nach demokratischen Reformen.

Unter dem Titel Pop-Up-Bar/rikade gibt es nun bis 29. April 2023 eine Installation dazu. Das ist ein großes Thema für die kleine Pop-Up-Bar, die ein trutziger Lebensbeweis für das KÖLNISCHE STADTMUSEUM ist. Dieses musste 2017 nach einem Wasserschaden im historischen Zeughaus seine Dauerausstellung schließen und hat nun gegenüber der Minoritenkirche ein Interimsquartier gefunden, das im Herbst 2023 eröffnet werden soll. - Zum 175. Jahrestag der Märzrevolution hat nun der Kurator Mario Kramp das komplexe Thema im minimalistischen Bar-Format präsentiert. Ihm ist klar, dass das als Aufgabe eigentlich unlösbar ist, aber er hat sich den Aufbau in Form der Jahreszeiten einfallen lassen.


Frühling: Der Armenarzt Andreas Gottschalk und der Arbeiterführer Fritz Anneke gehören zu den maßgeblichen Initiatoren des Aufstands. Das zog auch die Kommunisten Karl Marx und Friedrich Engels nach Köln.

Sommer: Unternehmer verlangen Bürgerrechte und die Aufgabe von Handelsbeschränkungen. Die Linken erstarken. Und die Schriftstellerin Mathilde Franziska Anneke setzt sich für die Frauenrechte ein.

Herbst: Radikalere Kräfte formieren sich und errichten Barrikaden, was das Militär auf den Plan ruft.

Winter: Schon Ende 1848 scheitert die Revolution in Köln und später in ganz Europa. Viele weitere Namen und Zeichnungen zieren die Wände der Bar darunter die Verfechter der Demokratie.



Die auffälligste Installation ist eine Wand, auf der großflächig eine Barrikade abgebildet ist: eine Presse-Illustration nach einer Zeichnung von Georg Osterwald Kölner Barrikade ohne Verteidiger vom 25.09.1848. Wilhelm Kleinenbroich hat seinerzeit die französische Marianne mit schwarz-rot-goldener Fahne vor dem Kölner Bayenturm gemalt. Zu bewundern ist auch eine Abbildung der von Karl Marx herausgegebenen Neuen Rheinischen Zeitung, deren letzte Ausgabe im Mai 1849 erschien, auch das Deckblatt seines Kommunistisches Manifestes gehört zu den Exponaten. Eine historische Vase zeigt das Kölner Stadtpanorama zu dieser Zeit, noch vor dem Bau der großen Eisenbahnbrücke. Ein Pickelhelm durfte auch nicht fehlen, sowie Handschellen und einiges mehr.

Mario Kramp ist ein begnadeter Geschichtenerzähler und verfügt als ehemaliger Direktor des Museums über einen nahezu unerschöpflichen Fundus an Kenntnissen. So schilderte er während der Pressekonferenz anschaulich das Ende des Aufstands in Köln. Es waren sage und schreibe 30 Barrikaden errichtet worden und doch gab es nicht einen einzigen Toten. Die Revolutionäre zogen sich zurück mit der Absicht, ihre Forderungen mit Hilfe eines Kongresses durchsetzen zu wollen. So wurde ein Blutbad verhindert, denn das Militär hatte das Kriegsrecht ausgerufen. Im Laufe des Jahres 1849 verloren die Revolutionäre auch in anderen Städten und Ländern ihren Kampf. Kramp berichtet:


„Aufständische wurden hingerichtet oder in Kerkern inhaftiert. Im Kölner Kommunistenprozess 1852 wurden weitere Beteiligte verurteilt, andere entkamen ins Exil. Viele in die USA, wo sie im Bürgerkrieg gegen die Sklaverei kämpften.“


Einer von ihnen war der Historiker Carl Schurz, der in den USA sogar Innenminister wurde und 77jährig als hoch angesehener US-Bürger verstarb. Vor seiner Flucht hatte er noch seinen Mitstreiter, den Theologen Gottfried Kinkel, aus einem Berliner Zuchthaus befreit, der wiederum nach London ins Exil ging. Auch Mathilde Franziska Anneke verließ Deutschland und kämpfte in den USA weiterhin für die Frauenrechte.

Beim näheren Hinsehen ist die Schau dann doch ziemlich detailreich, auch wenn der Kurator zugibt, dass eine große und umfangreiche Ausstellung dem komplexen Thema gerechter geworden wäre. Das Kölnische Stadtmuseum verfügt über rund 350.000 Objekte und wäre durchaus in der Lage, größere Präsentationen zu organisieren, wie z. B. 2018 zum 50 Jahrestag der 1968er-Revolution: Köln 68! Protest. Pop. Provokation.

„Doch seit dem Wasserschaden ist nichts mehr, wie es war“, bedauert die stellvertretende Direktorin Silvia Rückert. Man hat das Desaster aber genutzt, eine Zeit der Erneuerung einzuläuten.

Die Pop-Up-Bar zieht auch junge Leute an, die sich Freitag, Samstag und Sonntag abends zu einem Getränk einfinden, sich durch die Ausstellung vielleicht Anregungen zur Weiterrecherche holen, oder dem durchaus beeindruckenden Begleitprogramm auf der kleinen Bühne folgen können. Ob Reggae Song of Revolution, Punk Kabarett, Electro Swing Night, musikalische Beiträge zur 1848er Revolution u.a. mit Rolly Brings, alles lässt sich bei einem Drink - vielleicht dem Cocktail „Rote Liebe“ - durchaus feiern. Es besteht auch die Möglichkeit zu einem virtuellen Besuch mit VR-Brille durch das künftige Museum. So lässt sich die Wartezeit bis zur Wiedereröffnung im Herbst gut überbrücken. Nun mögen die Kölner nicht gerade vom Märtyrertod träumen, aber Resilienz und Selbsterhaltungstrieb haben sie. So wird nicht nur aus der Not eine Tugend gemacht, sondern das Museum ein Stück weit zukunftsfähiger gestaltet.

*

Was von der Revolution übrig blieb: In Köln war sie relativ früh vorbei, während in Frankfurt am Main noch bis Mai 1849 die Nationalversammlung in der Paulskirche an einer Verfassung arbeitete. Der Traum von einem Nationalstaat mit freiem Handel, einer eigenen Verfassung und Bürgerrechten scheiterte aus einer Vielzahl von Gründen. Die Machthabenden hatten das Militär hinter sich, die Reformer hatten unterschiedliche Ziele und waren zerstritten, und die Erfolgschancen waren nie besonders groß gewesen. Aber es hat schon vor 175 Jahren (und auch schon früher, wie beim Wartburgfest etc.) eben solche Bestrebungen gegeben. Der Wunsch und Wille nach Selbstbestimmung und Unabhängigkeit ist offensichtlich ein ur-menschlicher Drang.



An der Wand eine Presse-Illustration nach einer Zeichnung von Georg Osterwald „Kölner Barrikade ohne Verteidiger“ vom 25.09.1848 davor der lange Tisch der Pop-Up-Bar
Foto: Helga Fitzner

Helga Fitzner - 19. März 2023
ID 14107
Weitere Infos siehe auch: https://www.koelnisches-stadtmuseum.de


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