Exkursionen
zu Derek
Jarman
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(C) silent green // Photo Liam Daniel courtesy & (C) Basilisk Communications, Edition Salzgeber
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Bewertung:
Seit gestern präsentiert das silent green Kulturquartier im Berliner Wedding sein interdisziplinäres Ausstellungsprojekt The Garden. Kinematografien der Erde, wobei dem im Alter von nur 52 Jahren an AIDS verstorbenen Filmemacher und Künstler Derek Jarman (1942-1994) auf spektakuläre Weise gehuldigt wird. Dabei geraten unter anderem der Park wie auch die als "Betonhalle" bezeichneten unterirdischen Räumlichkeiten der ehemaligen Gerichtsmedizin und Parentationshalle (zur Lagerung von zuletzt 817 Leichen) des bis 2002 als Krematorium funktioniert habenden Gebäudes zur Bespielung, und zwar optisch wie akustisch gleichermaßen.
Als das eigentliche Kraftzentrum dieser mit acht thematisch voneinander abgegrenzten Themenblöcken ausgestellter Arbeiten von Einzelkünstlern (unter ihnen auch der Angehuldigte) und Künstlergruppen eingehegten "Gartenschau" - denn alles dreht sich freilich um den symbolistisch aufgeladenen und allenthalben wegen seiner suggestiven Bildsprache so scheinbar zeitlos bleibenden Kunstfilm The Garden - muss ganz zweifelsohne GARTENARBEIT, eine Installation mit 12 Projektoren und Recherchetisch von Bettina Ellerkamp, Jörg Heitmann & Philip Scheffner gelten:
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GARTENARBEIT von Bettina Ellerkamp, Jörg Heitman & Philip Scheffner (Detailansicht der Installation mit 12 Projektionen) im Rahmen des Ausstellungsprojekts The Garden. Kinematografien der Erde im silent green Kulturquartier im Berliner Wedding | Foto: KE
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"Am Fuße der einstigen Gerichtsmedizin sezieren wir den Film, wir zerlegen ihn in seine Bestandteile und versuchen so, der Komplexität und Struktur seines Schaffens auf den Grund zu gehen. Wir suchen nach Orientierung, graben, schichten um, legen frei. [...] Wir tauchen ein in das Universum von Derek Jarman, umfangen von der Wucht und Kraft seiner Arbeit. Wir setzen uns in Bewegung, um Details zu entdecken, versteckte Wege zu gehen, neue Pfade zu legen. Jede*r entdeckt und sieht etwas anderes, wir suchen nach Orientierungspunkten, verlieren uns in einer Welle von Details und finden uns wieder jenseits der vorgegebenen Koordinaten von Raum und Zeit. Der Tag geht, der Film beginnt…"
(Quelle: silent-green.net)
Das [s.o.] löst dann schon einen betrachterischen Sog aus!
Acht Minuten vor Beginn des anderthalbstündigen (und verschiedentlich dekonstruierten resp. portionierten also "aufgeteilten") Films wird das geneigte Augenmerk zwölffach, also auf allen Projektionsleinwänden rings umher, und mittels unterschiedlicher Film-Kurzsets, auf die schwarzhölzerne Fischerhütte mit den gelben Fensterrahmen in Dungeness gelenkt; das Künstlertrio war im letzten Jahr vor Ort, um sich ein Bild von dem inzwischen queertouristisch frequentierten Derek-Jarman-Kultgarten zu machen, und es filmte unaufdringlich leise, ohne jeden Kommentar, und nahm anfallende Geräusche und Geräuschpegel mit Mikrofonen auf. Das alles, und in einem völlig unhektischen Zeitraffer von Morgens bis Mitternacht zusammengefasst, erzeugt die emotionale Überwältigung. Für mich war sie die eigentliche Attraktion dieses Kunst-Film-Spektakels!
"Nachdem im Jahr 1986 bei ihm AIDS diagnostiziert worden war, kaufte er die 1900 erbaute hölzerne Fischerhütte Prospect Cottage in Dungeness/Kent, England, deren Garten er mit Feuersteinknollen, Treibholz und verrosteten Eisenobjekten künstlerisch gestaltete. Dies begriff er als Versuch der Heilung einer Landschaft, die von einem nahe gelegenen Kernkraftwerk dominiert wird. Jarman hatte die Hütte 1986 gefunden, als er für den Film The Garden ein Waldstück mit Atlantischen Hasenglöckchen suchte und im Pilot Inn in Dungeness für Fish and Chips einkehrte. Das Werden des Gartens und der Überlebenskampf der Pflanzen in der unwirtlichen Landschaft wurden zu einem Symbol für Jarmans Krankheit. Seit 1991 half ihm der Photograph Howard Sooley bei der Gestaltung des Gartens. In den letzten Jahren seines Lebens wandte Jarman sich wieder stärker der Malerei zu und verfasste außerdem eine Reihe autobiografischer Bücher..."
[...]
"Nach Jarmans Tod pflegte sein Lebensgefährte Keith Collins Prospect Cottage, das zu einer Art Wallfahrtsort für Jarman-Fans wurde. Collins starb 2018, danach sollten Haus und Garten verkauft werden. Durch Spenden kamen jedoch in kurzer Zeit 3,5 Millionen Pfund zusammen, wodurch der britische Art Fund das Anwesen erwerben konnte und es für die Öffentlichkeit zugänglich bleibt. Jarmans Nachlass liegt im Tate Archive."
(Quelle: Wikipedia)
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GARDENING / GARTENARBEIT von Bettina Ellerkamp, Jörg Heitman und Philip Scheffner (Detailansicht mit dem Recherchetisch) im Rahmen des Ausstellungsprojekts The Garden. Kinematografien der Erde im im silent green Kulturquartier im Berliner Wedding | Foto: KE
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Zu sehen und zu hören auch: die Video-Installation DIE SONNE LIEGT IM ERDINNERN von Mareike Bernien & Alex Gerbaulet, die Film- und Fotoinstallation DNCB von Kerstin Schroedinger & Oliver Husain, die drei Audio-Experimente DUNGENESS RECORDINGS von Peter Cusack, die Klang- und Lichtinstallationen NORMALITY YOU WAITING ROOM FOR NOTHING des Art-Kollektivs CHEAP und die 80 Rotfilterbilder der Fotokünstlerin Inas Halabi.
Auch auf Dagie Brunderts zweitägigen Lochkamera-Workshop "Kunst und Kompost" (am 24. und 25. 7.) soll hier vehement und leidenschaftlich hingewiesen sein!
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Andre Sokolowski - 23. Juli 2021 ID 13044
silent green Kulturproduktionen GmbH & Co. KG
Gerichtstraße 35
13347 Berlin
Tel.: +49 (0)30 1208221-0
info(at)silent-green.net
"Das silent green ist ein Veranstaltungsort und unabhängiges Projekt, das in den historischen Räumlichkeiten des ehemaligen Krematoriums Wedding eine in Berlin einzigartige Heimat gefunden hat.
In privater Trägerschaft versteht sich das 2013 gegründete Kulturquartier als geschützter Raum, in dem gedacht, geforscht und experimentiert werden kann. Im Mittelpunkt steht dabei ein formenübergreifendes Arbeiten: Grenzen einzelner künstlerischer Disziplinen sollen verschoben werden, um sie zu neuen, hybriden Formen zu verknüpfen.
Die Grundlage für ein solches Arbeiten bildet die einzigartige kreative Infrastruktur vor Ort, die sich neben der Programmarbeit des silent green Teams auch aus Kooperationen mit der Mieter*innengemeinschaft ergibt: In 13 Mieteinheiten führt der Kulturcampus auf 6000 qm rund 100 kreativ und kreativwirtschaftlich Tätige zusammen. Darunter sind mit Institutionen wie dem Musicboard Berlin, dem Label K7!, dem Harun Farocki Institut, dem transmediale e.V. sowie dem öffentlich zugänglichen Filmarchiv des Arsenal – Institut für Film und Videokunst e. V. wesentliche Berliner Akteure mit den Schwerpunkten Musik, Bewegtbild und Bildende Kunst versammelt.
Die hauseigene Gastronomie, das MARS | Küche & Bar ist das Herzstück des silent green; ein wenig verborgen im Seitenflügel des Gebäudes bietet es Ruhe vom Alltag und einen Ort des informellen Austauschs zwischen Mieter*innen, Publikum und Anwohner*innen.
Seit 2015 finden im historischen Gebäudeteil Tagungen, Konferenzen, Seminare und Workshops sowie besondere Feierlichkeiten statt. Zudem hat sich die Kuppelhalle als ein einmaliger Ort für Konzerte, Lesungen und Film etabliert. Im baulichen Kontrast dazu steht die 2019 fertiggestellte unterirdische Betonhalle. Auf einer Gesamtfäche von 1600qm ist es nun hier auch möglich, medienübergreifende Ausstellungen und Produktionen größeren Zuschnitts aus den Bereichen Film, Musik und Diskurs durchzuführen. Im Zusammenspiel von historischem Gebäudeteil und den neuen Bauten Betonhalle und dem Atelierhaus mit fünf weiteren multipel einsetzbaren Räumen, ist so ein großflächiger kreativer Campus entstanden.
Als freier Spielort und interdisziplinäre Produktionsstätte im Bereich Kunst und Kultur vermietet das silent green seine Veranstaltungsräume auch an Projekte Dritter. Auf diese Weise soll ein Ort der übergreifenden Begegnung und Partizipation entstehen, an dem sich Netzwerke und Kommunikationsräume zwischen Praxis und Theorie, Forschung und Anwendung, Produktion und Präsentation bilden können."
Weitere Infos siehe auch: https://www.silent-green.net/
http://www.andre-sokolowski.de
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