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Ausstellung

Recht lebendig und

experimentierfreudig



Cover zum Ausstellungskatalog

Bewertung:    



„Painting for ever“ verkündete 2013 optimistisch die Berliner Art-Week. Und wie gerade in Hamburg in der Ausstellung JETZT! Junge Malerei in Deutschland zu sehen, scheint die älteste, immer mal wieder totgesagt Kunstgattung auch 2020 noch recht lebendig zu sein. Die Hamburger Deichtorhallen präsentieren in Zusammenarbeit mit dem Kunstmuseum Bonn, dem Museum Wiesbaden und den Kunstsammlungen Chemnitz - Museum Gunzenhauser 150 Werke von 53 KünstlerInnen, geboren zwischen 1977 und 1991. Ein Versuch, einen möglichst umfassenden Überblick über die gegenwärtige Malerei in Deutschland zu geben, wie es heißt. Die Auswahl erfolgte ohne inhaltliche Beschränkung aber mit dem Fokus auf das klassische Tafelbild. Gemeinsam ist allen Auserwählten, dass sie ihre Ausbildung in der Zeit nach der deutschen Wiedervereinigung absolviert haben.

Sehr divers und breit gefächert dagegen ist die Palette der Formen und Themen der Malerei, die von gegenständlich über expressiv bis abstrakt reicht. Der Trend geht dabei deutlich zum großen Format. Wer bei der Fülle an Werken nicht übersehen werden will, nutzt wie Florian Meisenberg auch schon mal die ganze Wand. Der gebürtige Berliner studierte an der Kunstakademie Düsseldorf beim schottischen Maler Peter Doig, der auch gern groß aufträgt. Heute lebt und arbeitet Meisenberg in New York. Gesichtet wurde an den großen Malschulen in Berlin, Dresden, Düsseldorf, Frankfurt, Hamburg, Karlsruhe, Leipzig, München und Stuttgart. Die Zuschreibung Deutschland ist aber nicht wirklich zutreffend. Herkunft und momentane Wirkungsstätten der jungen MalerInnen sind durchaus international. Und das Erfreuliche: fast die Hälfte aller TeilnehmerInnen ist weiblich.

Vier Malerinnen hat man sogar in einer kleinen Nebenschau namens QUADRO einen Sonderauftritt verschafft. Kerstin Brätsch, Kati Heck, Stefanie Heinze und Laura Link geben so eine weibliche Antwort auf die im letzten Jahr in einer Schau ihrer Frühwerke versammelten deutschen Malerschwergewichte Baselitz, Kiefer, Polke und Richter. Da ist auch nicht wirklich eine Ähnlichkeit festzustellen. Der mal expressive, mal gegenständliche, immer auch ironische und zum Teil ins Surreale gehende Stil der vier Malerinnen orientiert sich sicher an anderen Vorbildern. Was aber die Verkaufserlöse betrifft, dürften malende Frauen auch heute immer noch im Nachteil sein. Große Kasse machen die Galerien eher mit Namen wie Neo Rauch, Norbert Bisky oder Daniel Richter.



Sebastian Gögel: Hyperchon, 2019; Öl auf Leinwand, 200 x 150 cm
Courtesy der Künstler. Foto: Andreas Wünschirs


In den Startlöchern dahin stehen bei den hier Ausgestellten neben dem Damen-Quartett sicher auch Maler wie der Leipziger Sebastian Gögel [s.o.] mit seinen roboterähnlichen Figuren, oder die Berliner David Lehmann und Moritz Schleime (Sohn der sehr erfolgreichen Malerin Cornelia Schleime), die ihre farblich expressiven Bilder mit Pop-Zitaten anreichern. Den ersten Teil der Ausstellung beherrscht zumeist Gegenständliches, das deswegen nicht unbedingt konventionell sein muss, auch wenn sich die KünstlerInnen oft an ganz traditionellen Malformen orientieren und diese versuchen weiter zu denken. Ein Spiel mit der Wahrnehmung und der Darstellbarkeit von Bewegung sind z.B. die dynamischen Bilder von Kristina Schuldt. Eine Referenz an Duchamps kubistischen Akt eine Treppe herabsteigend ist ihr in Quadrate zerlegter Einkaufswagen eine Treppe herabsteigend.



Lydia Balke: Hibernation Battlefield II
(A Stained Mattress. Two Frozen Bodies. One Shattered Life.)
, 2017;
Öl auf Nessel 230 x 160 cm | Courtesy der Künstlerin. Foto: Lydia Balke


Lydia Balke [s.o.] malt symbolbeladene dystopische „Battlefields“ mit jungen Frauen in Waffen. Wie digitale Bildebenen baut Anna Nero ihre Samples aus Alltagsgegenständen und Interieurs zusammen und zitiert so die Popart - wie auch Cornelia Baltes, die bis ins Abstrakte vergrößerte Ausschnitte von Objekten und Körpern malt. Das Digitale ist längst in der Malerei angekommen, wie man auch an Maximilian Kirmses verschwommenen Pixelbildern sieht. Vivian Greven malt monochrome, weichgezeichnete Körperausschnitte und -gruppen, die wie computeranimiert wirken. Stofflichkeit, Faltenwurf, Präzision bis zum Fotorealismus bestimmen die Objekte in Mona Ardeleanus Bildern.

Der zweite Teil gehört vor allem Positionen abstrakter Malerei, die von expressiven Farbräuschen wie bei Cornelia Baltes, Max Frintrop, Aneta Kayzer oder Alicia Viebrock über Symbole, Zeichen und geometrische Formen bei Benjamin Dittrich, Franziska Holstein oder Jana Schröder bis zu seriellen Mustern wie bei Sabrina Fritsch gehen. Daniel Schuberts monochrome Leinwände lassen die Rahmen durchscheinen. Und letzendlich kommt beim monochrom-schwarzen Quadrat an. Das Sinnbild für die totale Reduktion in der Malerei - hier von Paul Czerlitzki auf zwei Stühle gestellt. Man kann nicht jeden Tag die Kunst neu erfinden. Bei allen Verweisen auf schon Dagewesenes lässt es diese junge Malerei aber dennoch nicht an der nötigen Experimentierfreude fehlen.


Stefan Bock - 6. August 2020
ID 12384
Weitere Infos siehe auch: https://www.deichtorhallen.de/


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