Im europäischen
Kontext
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Bildquelle: MdbK Leipzig
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Bewertung:
Dreizehn Jahre nach der letzten großen Max-Klinger-Ausstellung zum 150. Geburtstag des bedeutenden Leipziger Künstlers zeigt das Museum der bildenden Künste Leipzig nun zum 100. Todestag Klingers erneut eine recht umfangreiche Schau, die sich über zwei Etagen des Hauses erstreckt. Bereits damals setzte das Museum den großen Sohn der Stadt in Beziehung zu anderen Künstlern seiner Zeit. Unter dem Titel Max Klinger und die Folgen zeigte die Ausstellung den Einfluss Klingers auf berühmte Grafiker, Symbolisten und Surrealisten wie Alfred Kubin, Käthe Kollwitz, Max Ernst, Paul Klee, Edvard Munch, Salvador Dali u.a.m. Ganz ähnlich geht auch die aktuelle Schau KLINGER 2020 vor. Sie stellt nun wiederum anhand Klingers Reisen dessen Werk in den Kontext berühmter europäischer Künstler wie August Rodin, Gustav Klimt und wiederum Käthe Kollwitz als frühe Bewunderin des Leipziger Grafikers, Malers und Bildhauers.
Max Klinger (1857-1920) scheint immer wieder gut für solcher Art Vergleiche zu sein. Vermutlich scheut man auch eine große Einzel-Retrospektive, die bei dem umfangreichen Werk Klingers, dem sich das Leipziger Museum seit jeher besonders verbunden fühlt, wohl kaum zu bewältigen wäre. Wo anfangen und aufhören bei den zahlreichen Graphik-Folgen, Gemälden und Plastiken, die thematisch zu ordnen und zu kommentieren immer eine Herausforderung darstellt. So macht man ein bisschen von allem. Etwas zur Biografie, den Reisen und den Sujets des Künstlers. Wo holte sich Klinger die Anreize für seine Kunst? Wer waren seine Musen und Vorbilder, wer seine begabtesten Nacheiferer?
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Max Klinger: Die Kreuzigung Christi, 1890 | Foto (C) Michael Ehritt - Museum der bildenden Künste Leipzig
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Beginnen sollte man im 1. Obergeschoss des MdbK. Dort steht seit der Eröffnung des neuen Hauses in den dem Künstler gewidmeten Räumen Klingers 1902 entstandenes Beethoven-Denkmal [s. Plakatmotiv o.re.]. Beethoven, selbst Jubilar des Jahres 2020, setzt den Link nach Wien zu Gustav Klimt, dessen Beethovenfries (1901) in der Wiener Secession dem in Bonn geborenen Komponisten im Dienste der Donaumonarchie ein weitaus berühmteres Monument setzte. Zumindest filmisch ist es nun auch in Leipzig zu bewundern. Dazu zeigt die Ausstellung Klingers Großgemälde Kreuzigung Christi [s. Foto oben], das 1890 zuerst in Wien zu bewundern war und dort für einige Kontroversen sorgte. Auch das Monumentalwerk Christus im Olymp, ebenfalls in Wien entstanden, gehört zur Leipziger Klinger-Weihestätte. Das Kunsthistorische Museum Wien verfügt dagegen über Klingers Das Urteil des Paris.
Des Weiteren stehen Klimts Aktzeichnungen und Frauen-Studien im Vergleich zu Klingers zeichnerischem Werk. Was aber auch diese Gegenüberstellung nicht verbergen kann, was die malerische Fertigkeit betrifft, ist Klinger leider kaum in der Lage, dem Künstlerfürsten des Wiener Jugendstils das Wasser zu reichen. Ähnlich bekannt wie Klimts Skizzen sind die erotischen Aquarelle des Pariser Bildhauers August Rodin, die in einem weiteren Raum im 1.OG zu sehen sind. Parallelen Klingers zu Rodin zeigen auch etliche Kleinskulpturen und ein Abguss der Skulptur Der Kuss aus dem Pariser Musée Rodin. Klinger war fasziniert von Rodins nackten Körpern, aber auch von Themen wie Eros und Thanatos oder der Künstler als Genius. Durch Freuds Schriften inspiriert fand er sein großes Thema im Kampf der Geschlechter. Die Frau als Versuchung, das unerklärliche Wesen, mal Göttin, mal Zauberin. Ein Sujet der Zeit, das heute eigentlich als verpönt gilt.
Ganze Grafikzyklen zeugen davon. Als Beispiel ist hier im 3. Obergeschoss Klingers letzter Grafikfolge Op. XIV aus dem Jahr 1915 zu sehen. 46 Radierungen aus einer traumhaften Märchenwelt mit Rittern, Burgen, Fabelwesen und einer Frau im Zentrum der Handlung. Ein frühe, romantische graphic novel, mit der Klinger seine schwierige Beziehung zu seiner Muse und Geliebten, der österreichischen Schriftstellerin Elsa Asenijeff verarbeitete. Ein weiterer Raum ist dieser Episode in Klingers Leben gewidmet. Wirklich aufgearbeitet ist diese Geschichte nicht. Asenijeff wurde infolge psychischer Probleme nach der Trennung von Klinger in mehrere Heilanstalten eingeliefert und entmündigt. Sie starb 1941 angeblich an einer Lungenentzündung in der Anstalt Bräunsdorf. Die Nachfolge als Muse und Modell trat die 18jährige Gertrud Bock an. Zeichnungen von ihr sind in einem weiteren Raum ausgestellt. Klinger ehelichte Gertrud Bock kurz vor seinem Tod.
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Max Klinger: Alpdruck, 1878 | Foto (C) Museum der bildenden Künste Leipzig
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Erotisches von Klinger, seinerzeit als anzüglich bezeichnet und unter der Hand gehandelt, gibt es auch noch zu sehen. Diese Art von Kunst ist typisch für die Zeit und von fast jedem Künstler überliefert. Einem gewissen Witz entbehren die kleinen Papierarbeiten dennoch nicht. Dass Klinger auch eine soziale Ader hatte, ist aber ebenso verbürgt. Hier stellt die Ausstellung eine Verbindung zu den graphischen Arbeiten der jungen Käthe Kollwitz her. Sie zeigte sich als 17jährige Kunstschülerin angesichts Klingers Graphik-Folge Ein Leben ungeheuer erregt. Sie hielt auch später eine Rede am Grab des Meisters. „Aber doch ist es so, daß mein Gefühl nicht mehr so warm für ihn strömt.“ resümierte Kollwitz anlässlich Klingers 10. Todestag in einem Brief an den Kunsthistoriker und damaligen Direktor des MdbK Leipzig Werner Teupser. Im direkten Vergleich gesehen erkennt man aber schnell, wie sich Käthe Kollwitz ihre eigenen Motive suchte und sich vom Vorbild emanzipierte.
Schon dieser Teil der sehr umfangreichen Schau ist eine eigene Ausstellung für sich wert. Auch Entwürfe und nicht Verwirklichtes sind noch im 3.OG zu sehen. So etwa die Entwürfe für die Neugestaltung des Treppenhauses des ehemaligen Museums der bildenden Künste, die infolge des Ersten Weltkriegs nicht verwirklicht wurden. So reißt die Ausstellung vieles an, ohne wirklich in die Tiefe zu gehen. Was bleibt, ist Klingers unbestrittene Meisterschaft im Graphischen, die dem kritischen Auge auch heute noch standhalten kann. Nur den Schwung ins Jahr 2020, wie der Titel der Ausstellung verheißt, zur heutigen Generation von KünstlerInnen wird hier leider knapp verfehlt.
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Stefan Bock - 3. Juli 2020 ID 12335
Weitere Infos siehe auch: https://mdbk.de/
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