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nachDRUCK # 2

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Anthologie

Eigenartiges und

Skurriles aus der

Vergangenheit





Bewertung:    



Es bedarf schon einiger Kenntnis, um die meist wenig bekannten Autoren aufzustöbern, ihre noch weniger bekannten Geschichten zu entdecken und in einen passenden Zusammenhang zu stellen, wie es in der vorliegenden Anthologie Die Kreuzspinne von Herausgeber Lars Dangel (wieder) gelungen ist. Ich stelle mir ihn vor, wie er durch Antiquariate kriecht, in den hintersten verstaubten Ecken nach seinen Schätzen fahndet, um dann staubbedeckt an der Kasse zu stehen und stolz seine Raritäten zu bezahlen. Nun, das war einmal, musste ich mich belehren lassen: Heute im digitalen Zeitalter arbeiten Antiquariate modern, sprich über deren Homepage werden die fast vergessenen Werke angeboten und per Mausklick bestellt. Staub spielt dabei keine Rolle, und das Buch, Heft oder wie auch immer die Publikation aussehen mag, landet im Briefkasten des Herausgebers.

Die rund einhundert Jahre alten Geschichten zeigen ihre Besonderheiten. Bei der Lektüre äußert sich sofort die zeitliche Distanz, die sich in den Inhalten sowie in der Schreibweise und dem Stil niederschlägt und die damit für mich ihren eigenen Reiz hat. In gewisser Weise ist es also eine Reise in die Vergangenheit, die wir antreten, wenn wir uns beispielsweise der Kreuzspinne nähern.

Die titelgebende Geschichte von Roland Betschts beschreibt einen Maler, der von Sizilien kommend auf der Durchreise Quartier in einem düsteren Haus bezieht. Der Hausherr sowie seine drei Freunde geben nach dem Abendessen ein Konzert, sie spielen das wundervoll „perlende“ Streichquartett e-Moll von Tschaikowsky.


"Während der zweite Satz, jenes melodienströmende Adagio in H-majore gespielt wurde geschah etwas Seltsames. Ich beobachtete, wie von der Decke herab eine riesige Kreuzspinne sich langsam herabließ, in der Luft schwebend wenige Sekunden verweilte, sich dann auf den Boden senkte und zum Stuhl meines Gastgebers lief, wo sie sitzen blieb und während des ganzen Spiels unbeweglich verharrte. Ich weiß nicht, warum ich immerfort auf dieses Tier schauen musste, das mit einer seltsamen Plastik sich in mein Blickfeld geschoben hatte und das nun dort saß, als hätten die Klänge der Saiteninstrumente es herbeigelockt und als würde es dem Spiel der vier Musiker aufmerksam und versunken zuhören. Als das Quartett zu Ende war, erhoben sich die Herren und ich glaubte, zu bemerken, dass mein Gastgeber einen flüchtigen Blick nach seinem Stuhle warf, als ob er dort etwas suchen würde. Die Spinne aber war verschwunden." (S. 85)


Was es mit der Spinne Unerhörtes auf sich hat, erfahren wir im Verlauf der Geschichte.

Im Heimgang in die Sonne erzählt Leo am Bruhl von einem Absturz mit tödlichem Ausgang.

In Das sterbende Bild erfahren wir von einem Bild, das jedem Besitzer nur Leid und Kummer bringt. Es wäre für eine Rezension zu langatmig, wenn hier auf jede der achtzehn Geschichten gesondert eingegangen würde. Sie alle leben vom Phantastischen und führen den Leser in Bereiche, die knapp neben der Realität liegen.

*

Lars Dangel hat über die Autoren intensiv recherchiert, wobei er bei zwei von ihnen keine Lebensdaten ermitteln konnte, sie bleiben für uns Unbekannte. Die anderen Schriftsteller trennt ihre politische wie gesellschaftliche Zugehörigkeit, vom Deutschnationale, Kaisertreuen bis zum Widerständler.


"Besonders an die Übersetzerin Irene Kafka, die Reginald Campbells Geistertempel übersetzte soll erinnert werden, die im KZ Ravensbrück ermordet wurde." (Lars Dangel in seinem Vorwort)


Die Edition Dornbrunnen verfügt über mehr als fünfzig Ausgaben. Da alle Bücher keine aktuellen Inhalte beschreiben, können sie auch nicht veralten, sie sind es schon. Für den Liebhaber dieser speziellen phantastische Literatur ist die Edition ein wahres Füllhorn. Hier gibt es Schaurig-Schönes, Literatur zum Abtauchen aus dem schnöden Alltag in eine andere Welt, die doch unsere gewesen ist.


Ellen Norten - 26. November 2024
ID 15030
https://www.edition-dornbrunnen.de


Post an Dr. Ellen Norten

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