Frischer Mord
im Gefrierfach
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Bewertung:
Um ehrlich zu sein, hat mich die Stadt Barcelona zum Lesen dieses Krimis animiert. Barcelona hat mich von jeher fasziniert, und die Möglichkeit mehr über diese Stadt, die Lebensweise dort sowie die politischen Hintergründe Kataloniens zu erfahren wurden für mich kurzweilig voll erfüllt.
Dabei findet der Mord an der Prostituierten Marisol in Berlin statt. Die junge Spanierin arbeitete in dem Swingerclub OOOPS!, in dem ausgerechnet der geschiedene Kommissar Josef Hadersucht verkehrt. Und nicht nur das. Hadersucht hatte sich in seine Lieblingsprostituierte verliebt, und umgekehrt schien dies auch der Fall gewesen zu sein. Die Grenzen zwischen privatem Interesse und polizeilicher Ermittlung sind fließend, und so kommt es zu einer kuriosen Begegnung, bei der Hadersucht nur mit einer Unterhose bekleidet seinem ermittelnden Kollegen Renko Horstmann gegenübersteht.
Hadersucht gilt als befangen, wird freigestellt und reist auf eigene Faust in den Urlaub: nach Barcelona, versteht sich. Dort beginnen seine Recherchen, er trifft Familienangehörige von Marisol und unterstützt die Kriminalpolizei vor Ort, die mehrere Prostituiertenmorde aufzuklären hat. Schon bald zeichnen sich Zusammenhänge ab…
In Lucia Costa, die just zu dieser Zeit in ihren Job bei der Kriminalpolizei zurückkehrt, findet Hadersucht eine passende Mitstreiterin, die privat einiges hinter sich gebracht hat und hinter sich bringt.
"Lucia zog sich das T-Shirt hoch und betrachtete sich im Spiegel. Ihre Brustwarzen und die Bauchdecke. Fünf Wunden waren verheilt. Alle, bis auf die mit dem tiefen Schnitt. Die der Arzt in der Notaufnahme hatte klammern müssen. Sie fuhr mit dem Finger sanft über die blutverkrustete Wunde. Die Stelle brannte. Lucia setzte die Rasierklinge auf die linke, kleinere Brust und schnitt sich ins Fleisch. Langsam und gleichmäßig, nicht zu tief. Das Blut rann den Bauch hinunter. Sie sah dabei zu, ohne eine Miene zu verziehen, wie eine unbeteiligte Person. Das gelang, solange die körpereigenen Opiate eine Weile den ersehnten Schmerz dämpften. Der dann mit aller Macht kam. Lucia Costa war achtunddreißig Jahre alt und hatte vor zwölf Monaten ihren Job bei den Mossos d´Esquadra, der katalanischen Regionalpolizei, hingeschmissen. Sie brauchte eine Auszeit, eine Veränderung. Die kam anders als erwartet. Das Leben hatte bittere Pillen für Menschen bereit, die sich zu sicher wähnten. Lucia hatte ihr Kind verloren. Eine Totgeburt." (S. 17)
Die Morde an den Prostituierten reißen Lucia makabererweise aus ihrem selbstzerstörerischen Tun, und sie beginnt sich als Frau mit wichtigen Aufgaben zu spüren.
In Barcelona gibt es wieder einen Prostituiertenmord, der dem gleichen Schema dort folgt. Die Frauen werden bei lebendigem Leib eingefroren. Der Serienmörder dokumentiert dies minutiös, und wir lernen ihn und seinen Frauenhass aus der Ich-Perspektive kennen. Und er ist nicht allein. Sein Freund verfügt über ein ähnlich brutales Potential. Eingebunden in die VOTO (bezieht sich vermutlich auf Vox-Partei) kultivieren sie ihre rechtsradikale Männerfreundschaft und legen sich gegenseitig ihre Taten offen.
Für die beiden Ermittler Hadersucht und Costa wird es kompliziert überhaupt eine erste Spur zu den Tätern zu finden. Doch dann reihen sich die Ereignisse wie von selbst aneinander.
Interessant ist bei diesem Buch die Autorenschaft, die aus zwei Männern besteht von denen Björn Göttlicher als Fotograf viele Jahre in Barcelona gelebt hat. Guido Walter schreibt hingegen mit bis zu drei Autoren gemeinsam.
Barcelona eiskalt habe ich in einem Rutsch gelesen, und für mich stammt es aus einem Guss. Es ist ein extrem spannender Krimi mit originellen Charakteren, politischem Hintergrund und unerwarteten Wendungen. Dazu gibt es skurrile, lustige Begegnungen, die dem grausigen Inhalt gekonnt auflockern. Das Buch verspricht Lesevergnügen gleich auf mehreren Ebenen.
Ellen Norten - 23. November 2024 ID 15022
Gmeiner-Link zum Krimi
Barcelona eiskalt
Post an Dr. Ellen Norten
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