Farbkleks
und Blutkleks
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Bewertung:
Ein wenig enttäuscht bin ich schon. Als ich 2018 den zweiten Band Nebelwände der Berlin-Krimireihe von Carla Kalkbrenner besprochen habe, dachte ich, sie würde mit Eigenproduktionen ihren Verlagsreigen eröffnen. Inzwischen gibt es drei Bücher, alle von ihr geschrieben. Worin besteht hier also der Unterschied zwischen Books on Demand, also dem selbstproduzierten und selbstfinanzierten Buch, zu dem Bezahlverlag, der gegen Geld attraktive Bücher gestaltet und zu dem eigenen Verlag, dessen Buchproduktion des eigenen Buches ebenfalls Geld verbraucht. Letzteres scheint mir immerhin der sympathischste Weg der drei Möglichkeiten zu sein, denn er birgt zumindest die Hoffnung, dass doch einmal andere Autoren an den Start gehen dürfen und der Verlag sich z.B. als profunder Krimiverlag profilieren könnte.
Aber das Verlagswesen ist ein harter Job. Bestseller zeichnen sich heute nicht mehr unbedingt durch glänzende literarische Qualität aus, Bestseller erhalten Nachhilfe über Werbung, bevorzugte Auslagen und andere verkaufsfördernde Maßnahmen. Ein echter Bestseller garantiert, wie der Name verspricht, gute Einnahmen, die ggf. dann das gesamte Verlagssortiment quasi mitfinanzieren. Zu groß und unübersichtlich ist leider der Büchermarkt mit seinen mehr als 60.000 Neuerscheinungen pro Jahr geworden. Von mancher Neuerscheinung werden wir nie erfahren, auch wenn sie uns sehr interessieren sollte. Das Buch geht im Büchermeer unter, das neue Buch des Inhabers einer Drogeriemarktkette können wir dagegen nicht übersehen, wird es doch sogar im Fernsehen vor der Tagesschau beworben.
Übersehen könnten wir dagegen das Buch von Carla Kalkbrenner, obwohl die Autorin durchaus Eigenwerbung macht. So bin ich auf die dritte Folge um den sympathischen Ermittler Eberhard Dahlberg gestoßen. Es geht um Kunst und Künstler, im Mittelpunkt der berühmte Berliner Maler Gernot Reischberger, der seine großformatigen Bilder in einem Bunkeratelier herstellt.
"Gernot Reischberger bückte sich und griff nach den oberen Holmen der Leiter. Vorsichtig tastete er mit einem Fuß nach der ersten Sprosse. Der andere erreichte die zweite. Ihm wurde schwindelig. Krampfhaft umklammerte er die Seitenstreben und hangelte nach der dritten Stufe. Seine Knie gaben nach. Er schwankte. Er spürte, wie ein Fuß die Leiter mitriss, sah sich wie in Zeitlupe fallen. Dann ein scharfer Schmerz im Hinterkopf. Als er zu sich kam, konnte er die Augen nicht öffnen. Aber vor allem, er konnte nicht atmen." (S. 7)
Als der Tote gefunden wird, ist dieser von Farbe bedeckt, der Maler ist an einem Eimer seiner eigenen Farbe erstickt; vermutlich kein Zufall, sondern die Farbe wurde ihm ins Gesicht gekippt. Kriminalhauptkommissar Dahlberg und seine Kollegen beginnen zu ermitteln. Schnell wird klar, dass viele Personen ein Mordmotiv haben könnten, denn Reischberger war ein echtes Ekel. Mit seinen cholerischen Anfällen terrorisierte er seine Umgebung. Die Mutter seiner Tochter hatte er vor Jahren mit seinen Schmähungen in den Selbstmord getrieben. Seine Familie, wie auch seine Umgebung, leiden nach wie vor unter seinen Exzessen. Da die Bilder von Reischberger durchaus im sechsstelligen Bereich gehandelt werden, könnten aber auch pekuniäre Interessen beim Mord an dem Künstler eine Rolle gespielt haben.
Wir tauchen tief ein in die Welt von Kunstkritikern, Galeristen und Künstlern, eine Welt, die von Neid und Missgunst geprägt ist. Und es gibt fatale Hinweise in die Vergangenheit von Reischberger. In der Vorwendezeit studierten drei junge Männer an der Kunsthochschule in Leipzig. Die „Phantastischen Drei“ feierten wüste Partys und besserten ihren Lebensunterhalt mit Kunstschmuggel auf. Während zwei der drei Kunststudenten relativ erfolglos blieben, wurde Reischberger zum gefeierten Megastar. Vor diesem Hintergrund zeichnet sich sehr früh für mich ab, wer als Täter in Frage kommt, was dann auch zutrifft und mir damit das Lesevergnügen schmälert.
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Der Roman bleibt für mich hinter seinem Vorgänger zurück. Auch wenn die Idee des Malermordes mit Farbe originell daherkommt, so sind die Handlungsabläufe recht durchschaubar. Ein ordentlich geschriebenes Buch, das zwar interessant zu lesen ist, mich aber leider nicht wirklich fesseln konnte. Vielleicht ist dies Geschmackssache und mag daher nicht für jeden gelten.
Ellen Norten - 20. Januar 2023 ID 14006
http://www.martini-und-loersch.de/buecher.html
Post an Dr. Ellen Norten
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