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Lebenshilfe

Ein spezielles

Buch





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Irgendwo hatte ich es einmal gelesen, dass es Menschen gäbe, die Ihr Haustier häufiger streicheln würden als ihren Partner. Das erzählte ich aus einer Laune heraus einem Kollegen, und der antwortete, dass dies doch normal sei. Ich stutzte, dann lachte ich, dann dachte ich nach – tatsächlich, es gibt Menschen, die haben eine sehr innige Beziehung zu einem Tier, zu ihrem Hund, zu Ihrer Katze oder einem anderen Haustier, aber wie weit geht eine solche Tierliebe?

Da ist der Obdachlose, der mit seinem Hund als Wächter, aber auch als engstem Partner zusammen auf der Straße lebt, da ist die ältere Dame die allein mit ihrem Schoßhündchen in ihrer Wohnung wohnt, und es gibt andere vielfältige Beispiele. Nie habe ich mir jedoch Gedanken darüber gemacht, ob diese Beziehungen nicht nur auf emotionaler Ebene funktionieren, sondern auch Sexualität miteinbeziehen. Das ist ein tabuisierter Gedanke, den ich mir nicht erlaubt habe.

Die Japanerin Chihiro Hamano hat in ihrem Leben viel sexuelle Gewalt erfahren. Die Autorin wusste wenig über Liebe, Erotik und Sex und wollte sich diesen Themen nach den hinter ihr liegenden Erfahrungen nähern und sparte dabei die Tiere nicht aus:


"Das Problem, das ich mit Liebe und Sex und deren Verwicklungen hatte, beschäftigte mich nun seit mehr als 20 Jahren. Ich begann zu ahnen, dass es ein Schlüssel zur Auflösung meines in mir erstarrten und in Verwirrung geratenen Konflikts sein könnte, würde ich von ihnen etwas über Liebe und Sex erfahren. Würde die Kombination Mensch und Tier mir helfen, die Abstraktheit der Beziehungen zwischen Mensch und Mensch und die damit verbundenen sexuellen Handlungen etwas zu beleuchten? Könnten mithilfe solcher Extrembeispiele Fragen dazu, was Liebe und was Sex eigentlich bedeuten, in größerem Umfang definiert werden?" (Saint Zoo, S. 14)


In zwei Recherchereise nach Deutschland wollte Chihiro Hamano mehr über die sogenannten Zoos, also die Menschen, die mit einem Tier eine Beziehung eingehen, erfahren, und diese Beziehung kann auch Sexualität umfassen. Zoos unterscheiden sich deutlich von Sodomisten, die auch bei uns strafrechtlich verfolgt werden können. Entscheidend für den Unterschied ist, dass Zoos niemals Gewalt gegenüber ihrem Hund oder ihrem Pferd anwenden würden, andere Haustiere kommen wegen ihrer Größe kaum in Frage. Für einen Außenstehenden ist dies dennoch eine bizarre Vorstellung. Doch anders als der Mensch kennt das Tier keine sexuellen Tabus.


„'Tiere sind dem Menschen gleichwertig, sie besitzen eine Persönlichkeit wie der Mensch, es sind Lebewesen, die sexuelle Bedürfnisse haben.' So denken Zoos über ihre Tiere. Vieles an ihrer Haltung Tieren gegenüber macht nachdenklich. Durch sie wird die Frage aufgeworfen, ob es denn in Ordnung sei, das Geschlechtsleben des Hundes, mit dem man zusammen lebt, völlig zu ignorieren. Damit regen sie zur Diskussion darüber an. Dies ist letztlich eine der größten Streitfragen, mit denen die Zoos mich konfrontierten." (S. 194)


Als "heilig" werden unter Zoophilen diejenigen bezeichnet, die besonders empathisch und gleichberechtigt mit Tieren umgehen und dabei keine sexuelle Beziehung zu Ihnen eingehen, was offen lässt, warum hier Verzicht geübt wird.


"Die Allgemeinheit betrachtet Zoos als 'abnormale' Menschen. Das wissen sie. Deshalb outen sich auch nicht alle, und die meisten, denen ich begegnet bin, dachten überhaupt nicht daran, es irgendwie öffentlich zu machen." (S. 195)


Die Autorin hat sowohl männliche als auch weibliche Zoos getroffen, heterosexuelle und homosexuelle. Sie hat versucht zu verstehen, was diese Menschen empfinden, ohne deren Neigung zu teilen. Zugegeben es ist ein spezielles, aber auch mutiges Buch, das von der Autorin jedoch nicht effektheischend oder sensationslüstern geschrieben wurde, sondern was leise und zurückhaltend daherkommt. Es öffnet den Blick in eine unbekannte Welt, so man diesen Blick riskieren möchten.


Ellen Norten - 26. Oktober 2022
ID 13874
Matthes & Seitz-Link zu Saint Zoo


Post an Dr. Ellen Norten

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