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Roman

„Alles Optik!“





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Ein einfacher Erzähler ist dieser Kehlmann. Kein naiver oder einfältiger Autor. Aber doch einer, der seine Geschichten auffällig übersichtlich entwickelt. So auch in dem neuen Roman Lichtspiel, der in überschaubaren Szenen die Geschichte des Regisseurs Georg Wilhelm Pabst aufs Papier bringt. Daniel Kehlmann ist kein erzählender Dichter des raunenden Imperfekt. Im Gegenteil. Seine Erzählweise folgt nicht nur in diesem Roman, dessen Thema diese Herangehensweise nun tatsächlich nahelegt, einem gewissen cinematoskopischen Prinzip: Was erzählt wird, das wird bitte klar ersichtlich in die Kamera gehalten. Und gelegentlich auch das, was sich dem Auge entziehen soll. Es zeigt sich wie der sprichwörtliche Wald, den man vor Bäumen nicht sieht, offen im Gesichtsfeld.

Alles in Kehlmanns Romanen ist von dieser Aura der Sichtbarkeit umfangen. Und daher schmeichelt dieser Autor der Fantasie seiner Leser. Die Lektüre dieser Romane stimuliert unsere szenische Fantasie, was durchaus zur Zufriedenheit nach der Lektüre beiträgt. Man erinnert sich an Kehlmanns Romane mit einem guten Gefühl. Denn niemals wird man unterfordert oder auch überfordert. So entstanden in Kehlmanns früheren Romanen der Mathematiker Gauss oder der Abenteurer Humboldt oder auch Tyll Eulenspiegel in erschreckender Deutlichkeit vor dem inneren Auge. So erzeugt die Plastizität der Kehlmannschen Szenen ein nachhaltiges Verständnis von Stoff und Figur. Was für eine Autorenleistung!

Dasselbe gilt auch für Lichtspiel. Kehlmann erweckt den Filmemacher Georg Wilhelm Pabst souverän zu literarischem Leben. Diese veranschaulichende Tugend des Autors ist wohl auch der Grund dafür, dass seine Romane so erfolgreich sind: In Zeiten, die das Wort Voltaires, wonach am Ende alles Optik sei, in überwältigender Weise ins Recht setzen, schätzen die Lesenden das Lichtspiel ihrer Lektüre.

Kehlmann nun erzählt vor allem von den Misserfolgen dieses außergewöhnlichen Regisseurs, der das Exil in Hollywood als Hölle erlebt. Das Purgatorium des Konsums und der ästhetischen Oberfläche. Später, im zweiten Teil des Romans, sitzt er in Österreich fest, mit seiner Frau Trude und seinem Sohn Jakob, den es nicht gab. Eine Art Gefangenschaft im „Reich“, nachdem der Krieg ausgebrochen war.

Nun bekommt Pabst die ehernen Krallen der Diktatur zu spüren. Wer nicht spurt, den erwarten Lager und Folterkeller, so dass der Regisseur, bei Lichte betrachtet, in Windeseile zu einem angepassten Zeitgenossen wird, der es dem System nicht allzu schwer macht. Dies ein Teil der Geschichte, der schon unzählige Male erzählt wurde. Dasselbe gilt für die Abendgesellschaften der Nazis, die natürlich unausstehlich sind, wenn sie sich vielleicht auch erschreckenderweise nicht so sehr von anderen Abendgesellschaften unterscheiden mögen. Jedenfalls ist Pabst nicht unbegabt darin, die Erfordernisse des Regimes zähneknirschend zu bedienen, auch wenn er daran in einer gewissen Weise, wie sollte es auch anders sein, innerlich zerbricht. Dieses Schicksal aber teilte er wohl mit vielen seiner Generation.

Pabst, dem auch anderes übriggeblieben wäre, als konforme Filme zu drehen, übt sich schließlich in dem, was wohl die meisten seiner Zeitgenossen im Sinn hatten: Dem schieren Überleben in dieser Hölle. Dass der Regisseur, in Kehlmanns Version, dabei das Talent besitzt, mit einer gehörigen Portion Ignoranz durchs Leben zu gehen, soll nicht unerwähnt bleiben. Indessen, aus historischer Distanz ist ein moralisches Urteil bekanntlich wohlfeil. Die Geschichte eines Künstlers ist, viel seltener als man denkt, die Geschichte seiner Kunst.



Jo Balle - 16. November 2023
ID 14476
Rowohlt-Link zum Roman Lichtspiel von Daniel Kehlmann


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