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Deutschland in den Jahren 2015-2019. Der Journalist Peter Maxwill unternimmt Reisen quer durch das Land. Manche seiner Reiseziele sind uns wohlbekannt, wie etwa Hamburg oder Dresden, andere haben traurige Berühmtheit erlangt, wie Freital oder Solingen, und wieder andere dürften uns völlig unbekannt sein, wie Kirchzarten oder Werpeloh. Maxwill hat in diesen Orten für Spiegel online recherchiert, hat Interviews geführt, Berichte geschrieben und am Ende versucht ein Resümee aus seinen Begegnungen zu ziehen. Ergebnis sind mehrere Mosaiksteinchen unseres Landes, deren Bewohner nicht in die althergebrachten politischen Lager passen; links oder rechts, grün oder konservativ? Unser Land hat sich verändert und mit ihm die Menschen, die hier leben. Maxwill möchte sie verstehen, er will den Dialog, will:
"Dass Konflikte auch trotz großer Meinungsverschiedenheiten gesittet ausgetragen werden können. Warum das so selten funktioniert? Vermutlich auch deshalb, weil es manchen politischen Gruppen nicht um das bessere Argument geht. Sondern ausschließlich um die Verbreitung der eigenen Meinung mit allen Mitteln." (S. 238)
Beispiel Freital: Seit 2015 gibt es hier fremdenfeindliche Proteste, die sich zunächst gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einem ehemaligen Hotel richteten. Bis zu 1.500 Demonstranten belagerten den Gebäudekomplex. Darauf folgten Sprengstoffanschläge auf Asylunterkünfte und Mordandrohungen auf linke Politiker. Die Bundesanwaltschaft ermittelte gegen die „Gruppe Freital“ wegen Bildung einer terroristischen Vereinigung. Insgesamt acht Mitglieder wurden wegen verschiedener Anschläge festgenommen und verurteilt. Freital bildet sozusagen den roten Faden im Buch. Der Autor besuchte den Ort bei Dresden mehrere Male. Es ist sein Prinzip, dass Maxwill Leute zu Worte kommen lässt, ihnen zuhört und ihre Meinung verstehen, wenn auch nicht teilen will, doch:
"Es ist schwierig in Freital Antworten zu erhalten. (...) Ein Frau mit Hund will gar nichts sagen, ein grauhaariger Mann schüttelt nur den Kopf. Andere beteuern, keine Meinung zu haben oder gar nicht in Freital zu leben." (S. 246)
In anderen Orten hat der Autor mehr Glück. Ein Gespräch mit Costa Giovanni in München; Costa gewährte Münchener Pegidaanhängern in seinem italienischen Restaurant die Möglichkeit für einen Stammtisch, was zu wiederkehrenden Protestaktionen und im Endeffekt zur Schließung seines Lokals führte. Costa sagt, er sei Wirt, er müsse verdienen, und er sei unpolitisch. Eine Meinung, die den Riss in unsrem Land erhellt und in seiner Konsequenz vielleicht auch fördert. Und immer wieder geht es um das Thema Flüchtlinge, das unser Land spaltet, die Fronten verhärtet und den Meinungsaustausch schwieriger macht. Anhand der Beispiele zieht der Autor am Ende des Buchs seine Analyse.
"Die größte Herausforderung für die deutsche Gesellschaft des 21. Jahrhunderts besteht vielleicht nicht in der Integration von Zuwanderern. Sondern in der Integration aller Deutschen." (S. 266)
Ein interessantes Buch, dass zum Nachdenken anregt. Dennoch wirkt die Wahl der Beispiele ein wenig willkürlich, was vermutlich durch die vorangegangenen Aufträge des Autors bedingt ist. Während er diese Beispiele recht anschaulich und verständlich schildert, wirkt die politische Analyse in breiten Teilen akademisch und intellektuell. Diese gegensätzlichen Teile führen zu einem Riss ganz anderer Art, durch das Buch geht ein stilistischer wie intellektueller Graben.
Ellen Norten - 24. März 2020 ID 12109
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Sachbuch
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