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nachDRUCK # 2

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Roman

"Windspiel aus

Zweifeln"





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In der kalten Jahreszeit vermischen sich Lektüreerlebnisse oft mit Fernweh in wärmere Gefilde. Und das nicht erst seit George Sands Reisebericht-Bestseller Ein Winter auf Mallorca (Orig.: Un hiver à Majorque) von 1842, der sich nicht nur für belesene Mallorca-Touristen zum Klassiker gerierte. Während die französische Dichterin in Valldemossa 1838 ihrem jungen Liebesglück mit dem Komponisten Frédéric Chopin nachhing, widmet sich auch Angelika Overath in Ein Winter in Istanbul intensiven Liebeswirrungen und leisen Sehnsüchten im Wechselbad der Gefühle.

Overaths Roman erzählt von dem 45jährigen Cla, einem Religionslehrer aus dem Schweizer Engadin. Dieser verbringt einen Winter in Istanbul, auch um eigenen türkischen Wurzeln nachzuspüren. In der wohl wichtigsten und bevölkerungsreichsten Metropole der Türkei streift er durch die Straßen. Er widmet sich über mehrere Monate einer Studie über die Konstantinopel-Mission des Philosophen Nikolaus von Kues um 1437. Im gesamten Roman lässt Angelika Overath in die Gegenwartsebene Erdachtes oder Erträumtes der spätmittelalterlichen Vergangenheit um Nikolaus von Kues mit einfließen. So illustriert die Schriftstellerin unter anderem die Studienarbeiten Clas:



„Und die Zeit dehnte sich, wie nur die Zeit es kann. Und mit ihr das Erinnern, Erzählen. Sie übersprang sich selbst zurück und öffnete die Wahrheit an einer anderen Stelle. Und für eine ewige Sekunde war Cla noch einmal auf der alten Galeere, die im Winter 1437/38 von Konstantinopel nach Venedig fuhr. In Körperschleifen bewegte sich die Schiffskatze unschlüssig vorbei an den Männern auf ihren Strohlagern.“ (S. 227)


Während Cla so auch dem Duft des spätmittelalterlichen Konstantinopels nachgeht, weilt seine Verlobte, die attraktive Sportlehrerin Alva, in der Schweiz. Sie besucht ihn im Verlauf des Romans wenige Male kurz. In Istanbul lernt Cla jedoch den jungen Kellner Baran kennen, der sowohl türkischer als auch griechischer Abstammung ist. Zusammen fahren Baran und Cla mit einer Fähre über den Bosporus, sprechen über Religion, Politik, die Geschichte und besondere Orte Istanbuls. Baran nimmt Cla mit in ein Hamamt und zu einer Performance tanzender Derwische. Bald kommt Baran Cla auch körperlich nahe, was Cla zutiefst verunsichert. Er muss sich eingestehen, dass er innige Gefühle für Baran hegt.

Das leise erzählte Geschehen um die Hauptfiguren Cla, Alva und Baran wird regelmäßig unterbrochen. Passagen zu historischen Personen wie Rumi, Ramon Llull, Bessarion, Georgios Gemistos Plethon, Joseph II. und anderen überfrachten und schwächen die stimmungsvolle Geschichte von der Selbstfindung Clas. Gegenwarts- und diffuse Vergangenheitsebene werden nebeneinander erzählt, ohne wirklich ineinanderzugreifen. So erschwert Overath den Lesefluss und lenkt auch von den Hauptfiguren, die insgesamt auch ein bisschen farblos bleiben, ab. Die Handlung nimmt einige wenig überraschende, dramatische Wendungen. Die Folge der Ereignisse wirkt etwas konstruiert. Immerhin schafft die Autorin feinfühlige, atmosphärische Bilder von einer der ältesten und auch, wie im Roman deutlich gemacht, historisch höchst bedeutsamen Städte der Welt:



„Das Leben um sie herum war laut. Das heisere Schreien der Vögel, das Klappern des Metalls der Essenden, ihre Stimmen, Rufe von Handwerkern. Die Hupen der Taxis. Frauen diskutierten aus Fenstern über die Straße hinweg. Und all das Laute vermischte sich zu einer Hülle, einem Klangnebel, der sie einschloß.“ (S. 230)


Ansgar Skoda - 29. Januar 2019
ID 11178
Link zum Roman Ein Winter in Istanbul


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