Illustrierte
Fabeln
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Man vergisst manchmal, wie nah uns, genauer besehen, die Antike ist. Generationen von Kindern sind mit den Tierfabeln von Aesop in der einen oder anderen Bearbeitung groß geworden. Ihr Erfolg dürfte wohl an ihrem erzieherischen Charakter liegen. Die darüber zu entscheiden haben, was Kindern vorgelesen wird und was sie dann selber lesen, mögen Geschichten mit einer Moral, die darlegen, was gut und was böse ist, was man tun und was man lieber lassen soll. Fabeln haben den Vorzug, dass sie den widersprüchlichen Charakter von Menschen durch die Vereinfachung in stilisierten Tieren leichter zugänglich machen. Der Löwe ist da nur stark, der Fuchs nur schlau und der Hase nur feige. Auch Kinderbücher lieben ja die Übertragung menschlicher Eigenschaften in Tiere und die Ersetzung von verwirrender Komplexität durch ein Schema.
Nach Aesop ist es, lange vor etwa Gellert oder Lessing, der Franzose Jean de La Fontaine, dessen Fabeln auch im deutschsprachigen Raum überdauert haben. Der Verlag Faber & Faber hat nun eine Neuausgabe herausgebracht in der gereimten Übersetzung von Ernst Dohm aus dem Jahr 1877. Das Besondere an diesem Großen Fabel-Buch sind jedoch die Illustrationen von Jan Peter Tripp. Der 1945 geborene Maler und Grafiker lässt sich stilistisch in der Nachbarschaft von Friedrich Meckseper, Johannes Vennekamp oder Arno Waldschmidt einordnen. Charakteristisch ist neben seiner minutiösen Detailverliebtheit eine Neigung zum Grotesken, die ihn mit der Wiener Schule des Phantastischen Realismus verbindet. Auch Anleihen bei Buchillustrationen der entfernteren Vergangenheit, wie sie etwa Ror Wolf angeregt haben, lassen sich ausmachen. Vor allem aber atmen Tripps Bilder den Geist La Fontaines, ohne dessen Fabeln (im doppelten Wortsinn) „nachzuerzählen“.
Genau genommen ist diese bibliophile Ausgabe für Kinder zu edel. Aber wer weiß: vielleicht kann man sie damit zu La Fontaine-Fans machen, die nicht nur lernen, wie man sich zu verhalten hat, sondern auch, was ein schönes Buch, was Typographie, Umschlag und künstlerische Illustrationen einem Fernseh-Schnickschnack voraus haben.
Thomas Rothschild – 16. Mai 2021 ID 12913
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Großen Fabel-Buch
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