Neues über
Napoleon
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Bewertung:
Sechshundert Seiten für einen seit 200 Jahren toten französischen Kaiser, der gerade einmal 15 Jahre Frankreich lenkte, das klingt viel.
Günter Müchler beschreibt Napoleons Kindheit in Korsika, die Erziehung im Internat in Frankreich bei Franziskanern und seine militärische Ausbildung während der Französischen Revolution. Schließlich den Aufstieg als militärisches Ausnahmetalent an die Staatsmacht und zum Herrscher, der ganz Europa herausfordert und neu ordnet. Das alles beschreibt Müchler so unterhaltsam, dass selbst detaillierte Schlachtberichte fesseln. Fasziniert verfolgt man, wie Napoleon geschickt das Heilige Römische Reich auflöst und Europa neu ordnet.
Die Reformen, welche er einleitet, veränderten nicht nur Frankreich bis heute. Die Neuordnung der Verwaltung, des Zivilrechts, die Gründung der Banque de France und besonders das Einsetzen des Code Civil prägt Kontinentaleuropa nachhaltig. Bis zur Kaiserzeit, wo machtpolitisches Kalkül immer mehr Oberhand gewinnt, wird Napoleon Bonaparte als belesener, familiensinniger Feingeist beschrieben. Überrascht erfährt man, wie er sich durch die Klassiker der Literatur, Philosophie liest. Er tauscht sich mit Intellektuellen aus, schreibt selbst politische Texte, aber auch Fabeln und Novellen. Er liebt das Theater, und selbst auf Kriegszügen nimmt er, wenn möglich, eine Theatertruppe mit.
Müchler beschriebt Napoleon als extrem wachen Geist mit einem enormen Gedächtnis. Als Kind ein Außenseiter, ist er als Staatsmann ein aufmerksamer Zuhörer, merkt sich sogar die Namen und Geschichten einfacher Soldaten und erhält dafür viel Respekt. Napoleon interessieren die Schwachen der Gesellschaft, Kinder, Arme, Geschiedene.
Er führt die standesamtliche Eheschließung sowie das Recht auf Scheidung ein, gründet die Société Maternelle, welche arme Frauen im Wochenbett unterstützt, baut Krankenhäuser auf, etabliert ein neues Schulsystem, gründet Universitäten. Aber er bleibt ein Egozentriker, verlässt sich nur auf sein eigenes Urteil, bereitet aber Entscheidungen akribisch vor, informiert sich nächtelang vor Schlachten und kann die Geografie des Geländes auswendig. Ihm wird ein fotografisches Gedächtnis bescheinigt, was ihm große Vorteile verschafft. Müchler beschreibt Napoleon als „Erfinder der politischen PR“. Er vermag es, geschickt durch inszenierte, gut in Szene gebrachte Bilder und Berichte die Meinung des Volkes auf geniale Weise zu lenken.
Vorgestellt wird uns ein Mann, getrieben von Ehrgeiz, dem Wunsch nach Ruhm, aber auch dem starken Glauben es besser zu können. Durch eine extreme Disziplin - Napoleon arbeitet täglich 15 bis 18 Stunden - kann überall dabei sein und kämpft oft an vorderster Front mit. Trotz all der Kämpfe scheitert er irgendwann. Das Volk ist müde vom Kämpfen, und die Bündnisse bröckeln später. Er bleibt ein bedeutender Fußabdruck in der europäischen Geschichte, ein Herrscher, dessen Namen jeder in Europa kennt, auch noch nach 200 Jahren. Müchler ist es gelungen ein sympathisches Bild des großen Staatsmannes zu zeichnen. Und nebenbei bekommt man ein umfangreiches Bild des damaligen Europas samt seiner damaligen Herrscher.
Steffen Kühn - 12. März 2022 ID 13513
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Napoleon von Günter Müchler
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