Spuren
im Schnee
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Politische Karikaturen gibt es en masse. Gute politische Karikaturen sind selten. Sie müssen sich an zwei Bedingungen bewähren: an einem Einfall, also an einer pointierten politischen Beobachtung, die etwas Bekanntes in ein neues Licht rückt oder etwas Unbekanntes überhaupt erst bewusst macht, und an der Ausführung, also an der künstlerischen Qualität der Zeichnung oder Malerei. Die meisten Karikaturen erfüllen im besten Fall eine dieser Bedingungen.
Zu den Zeitgenossen, die fast immer eine bemerkenswerten Konstellation oder einen meist komischen Zustand entdecken und dann in eine anspruchsvolle Form bringen, gehört der auch in Deutschland präsente Österreicher Gerhard Haderer. Neben dem Tagesgeschäft und zahlreichen Buchpublikationen veröffentlicht er alljährlich einen Ausblick in Form eines Kalenders für das kommende Jahr und einen Rückblick in Form eines Jahrbuchs. Da er kein Hellseher ist, können auch die Kalenderblätter nur Szenen aus der Vergangenheit zeigen, aber sie sind so ausgewählt, dass sie zumindest für ein Jahr überzeitliche Gültigkeit haben. Im Jahrbuch sind erstens sehr viel mehr Bilder versammelt, und zweitens dürfen sie an Dinge erinnern, deren Datum abgelaufen ist.
Gleich das Titelbild der aktuellen Ausgabe bringt das allerdings nach wie vor aktuelle Thema auf den Punkt: Zwei Herren mit Klopapier unterm Arm begrüßen sich über einen Abstand von zwei Metern per Fußberührung. Zum Thema Klimawandel sieht man einen halbnackten Weihnachtsmann mit Kühltasche. Zum Niedergang der Sozialdemokratie verewigt Haderer Brandt und Kreisky als nostalgische Engel auf einem Wölkchen.
Natürlich lässt sich der Porträtist Haderer Donald Trump nicht entgehen, nicht den österreichischen Bundeskanzler Kurz und nicht seinen grünen Vizekanzler mit Greta Thunberg auf der Schulter. Unauffindbar bleibt die SPÖ-Vorsitzende Rendi-Wagner. Hat sie dem Spötter leid getan?
Und dann gibt es auch, unter dem Titel Moff, zeichnerisch eher weniger ambitionierte Comicstrips sowie unpolitische Bilder von absurder Komik: Drei Personen vor einer Verkehrsampel in der Wüste (bei Franz Hohler war es einst ein Cola-Automat, für den dem Verdurstenden die Münze fehlt); Dagobert Duck springt statt in einen Geldhaufen in ein Schwimmbecken mit einer Kreditkarte; eine biertrinkende Männerrunde in Lederhosen pinkelt in den jungfräulichen Schnee.
Thomas Rothschild – 7. November 2020 ID 12586
Verlagslink zum
Haderer Jahrbuch Nr. 13
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