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Buchkritik

Europapolitik durch

den Fokus

der Satire





Bewertung:    



Zwar rückt die Europapolitik zurzeit durch den Brexit ein wenig ins Visier der Medien, doch um es offen zu sagen, Nachrichten aus Brüssel sind in der Tagesschau meist weniger interessant und erst recht nicht für eine Schlagzeile gut. Auch die Europawahlen haben eine geringe Wahlbeteiligung, 2014 sind gerade mal knapp 43 Prozent der Wähler zur Urne gegangen. Wer will also ein ganzes Buch über die EU und die Politik in Brüssel lesen?

Das Thema schreit nach Langeweile - und kann doch Spaß machen, nämlich dann, wenn der Satiriker und fraktionslose Abgeordnete Martin Sonneborn dieses Buch geschrieben hat. Auf 400 Seiten schildert der Gründer der Partei „Die PARTEI“ seine ersten fünf Jahre in Brüssel und beschreibt, wie er das Elend in der Politik nur durch seinen eigenen satirischen Blickwinkel ertragen mag.

Das macht einiges auch für mich erträglich, denn allein die Tatsache, dass das gesamte EU-Parlament einmal im Monat von Brüssel nach Straßburg zieht und wieder zurück, ist für den politischen Laien und Steuerzahler schier unfassbar. Da werden allein durch Fahrten mit Zug, Flugzeug und PKW zwischen den beiden Städten, aber auch durch doppelte Büroführung Gelder in großem Umfang versenkt. Dienlich ist es wohl nur gewissen Eitelkeiten, eine „Verbesserung“ der Politik findet dadurch jedenfalls nicht statt. Doch Geld spielt in der EU wohl ohnehin kaum eine Rolle. Manch Abgeordneter eines armen osteuropäischen Landes dürfte dort mehr verdienen als sein eigener Regierungschef daheim.

Durch seinen Status als Parlamentarier erhält Sonneborn intime Einblicke, und er lässt uns daran teilhaben. Dazu bringt er passende Zitate aus diversen Medien, aus dem Netz, Facebook oder auch von seinem Friseur. Wir lernen die fraktionslosen Abgeordneten, wie etwa den NPD-Vertreter Udo Voigt kennen, den Sonneborn im Parlament stets mit den Worten „Na Vogt, immer noch in der Politik?“ begrüßt, oder wir begleiten Sonneborn zu einem Abschiedsfest zweier Korrespondenten von Süddeutscher Zeitung und Spiegel Online.



"Ich stelle mich in die Nähe der Balkontür und trinke in den kommenden zwei Stunden den gesamten Vorrat an Bier aus (es sind leider nur drei Dosen). Von hier habe ich einen guten Überblick auf die erstaunliche Melange aus ausgelassenen deutschen Journalisten, Beamten, Lobbyisten und Politikern. Ein Mann stellt sich als höherer Beamter im Rat vor. (…) „Bei der CO2-Regelung neulich rief kurz
vor der Abstimmung Herr Winterkorn an und sagte, das geht aber nicht. Deutschland hat dann die Ratspräsidentschaft unter Druck gesetzt. Das war jetzt Lettland in dem Halbjahr, wechselt ja immer nach einem halben Jahr. Lettland hat dann die Abstimmung im Rat einfach nicht auf die Tagesordnung gesetzt, und drei Monate später hatte Deutschland dann genug Stimmen für eine Sperrminorität zusammen."
(S. 104)


Das war jetzt keine Satire, aber der Unterschied ist manchmal nur hauchdünn. Kann man EU-Politik mit Satire beschreiben? Ich denke ja, aber es ist ein Weg unter vielen. Politik ist eigentlich eine ernste Angelegenheit und dient nicht als Vorlage für Späße. Dennoch teilen immer mehr Wähler den satirischen Ansatz. Die 2004 von Sonneborn gegründete Partei zählt mittlerweile über 30.000 Mitglieder, und erste Hochrechnungen deuten darauf hin, dass neben Sonneborn nun auch der Kabarettist Nico Semsrott ins neue Europaparlament einziehen dürfte.


Ellen Norten - 22. März 2019
ID 11293
Link zum Buch Herr Sonnenborn geht nach Brüssel. Abenteuer im Europaparlament


Post an Dr. Ellen Norten

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