Finaler
Rundumschlag
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Bewertung:
Er ist tot.
Horst Bosetzky (1938-2018), der Autor von wohl über einhundert Kriminalromanen und Sachbüchern, ist im vergangenen Herbst gestorben.
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Im Wahn des Herrn erschien posthum und weicht für mich von seinen anderen Werken ab. Hier steht nicht Spannung oder eine ausgeklügelte Recherche im Vordergrund, sondern es werden der Alltag eines pensionierten Kriminalkommissars, die Allüren einer Literaturfanatikerin, der Ehrgeiz einer Kulturjournalistin, die Possen von Sektierern, Zitate aus anderen Werken bedeutender Schriftsteller und nicht zuletzt kalauernde Reime wüst gemixt, womit das Buch zwar etwas unübersichtlich, gleichzeitig jedoch amüsant und vielseitig wird, denn Bosetzky weiß, wovon er schreibt.
Der etablierte Professor für Soziologie, der lange Zeit unter dem Pseudonym -ky veröffentliche, hat in seinem letzten Werk wohl die Dinge untergebracht, die ihm in seinem Leben begegneten und denen er auf diese Art und Weise ein Denkmal nicht zuletzt für sich selbst schuf.
Ex-Kommissar Mannhardt quält die Langeweile des Rentnerlebens, und so versucht er mit seinem Enkel Orlando, der den Kinderschuhen schon längst entwachsen ist, einen Fall aufzutreiben, den eigentlich sein Nachfolger Gunnar Schneeganß ermitteln soll. Doch der wiederum fürchtet sich nicht vor Langeweile und zeigt relativ wenig Arbeitseinsatz. Ein Toter wird also am Innsbrucker Platz gefunden, doch der liegt dort schon einige Jahre und hätte auch noch länger liegen bleiben können. Doch nein, der Tote wird identifiziert, und der Vater des Mordopfers wird kurz danach an der gleichen Stelle tot aufgefunden. Trotzdem schreitet die Handlung fast schleppend voran. Neue Protagonisten treten auf, deren Namen zeigen, wohin es geht: Martin Nehmer, der Schriftsteller, der Sektenführer Volkhardt Fischer, sein Mitstreiter Simon Himmelmann, Britta Theuerkauf, die verschwindet und zum Entführungsopfer wird, sie alle - so absurd es auf den ersten Blick erscheinen mag - werden miteinander in Beziehung gesetzt und nicht zuletzt über Mythen und Göttersagen zu einem dennoch logischen Handlungsstrang verwoben. Der Krimi verlässt die Ebene der normalen Ermittlungen und erzeugt über intellektuelle Ergüsse eine Metawelt, in der dann die tatsächlichen Fälle auflöst werden – originell und unerwartet!
Würde ich das Umfeld von Horst Bosetzky kennen, so würde ich sicher den einen oder anderen Freund im Buch wiederfinden. So entdecken wir nur typische Vertreter unserer Gesellschaft, und da Bosetzky sein Leben in Berlin verbrachte, ist der Handlungsort natürlich hier angelegt.
Mannhardt, der pensionierte Kriminalkommissar und Alter Ego des Autor, der diese Figur vor über 40 Jahren erschaffen hat, spricht denn auch ein letztes Wort:
„Alles in unserem Weltall ist doch ungewiss. Hat es den big bang wirklich gegeben? Wozu sind wir Menschen überhaupt da? Hast du deine Mutter vielleicht gebeten, gezeugt zu werden? Nichts ist jämmerlicher als die Ungewissheit, hat schon Martin Luther gesagt, aber uff Berlinerisch: Wat willste machen, wenn Jott nich in´t Olympiastadion kommt und zu uns reden tut?" (S. 247)
Bei all diesen Besonderheiten ist das Buch zwar ungewöhnlich, doch durchaus lesenswert und für den langjährigen Leser von -ky oder Bosetzky eigentlich ein finales Muss.
Ellen Norten - 24. Februar 2019 ID 11244
Link zu Horst Bosetzkis letztem Krimi
Im Wahn des Herrn
Post an Dr. Ellen Norten
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