Bibi & Tina
und ihre
Leichen
im Keller
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Bewertung:
Haben Sie manchmal ein schlechtes Gewissen? In dicken, schwarzen Lettern prangt einem diese unheilvolle Frage auf einer eingelegten Lesekarte inmitten Ingrid Nolls Roman Goldschatz (2019) entgegen. Der fünfzehnte Roman der mittlerweile 83jährigen Krimi-Erfolgsautorin beginnt zunächst recht idyllisch und hoffnungsvoll. Die Ich-Erzählerin Trixi möchte mit ihrem Freund Henry und ihrer besten Freundin Saskia – alle Anfang zwanzig – eine Wohngemeinschaft gründen. Bald sind auch die gemeinsamen Freunde Martina und Oliver mit von der Partie. Als Immobilie dient ein abgelegenes Bauernhaus, das erst noch ausgeräumt werden muss. Das Bauernhaus erbte Trixi zusammen mit ihren Eltern von der verstorbenen, kinderlosen und verwitweten Großtante Emma.
Ein harmonisches Miteinander bestimmt anfangs das Zusammensein der enthusiastischen Hausgemeinschaft. Die Handlung erinnert hier ein bisschen an Jugendbücher und Mädchengeschichten a la Hanni & Nanni. Liebevoll flirten die jungen Studierenden miteinander. Martina und Saskia haben beide ein Auge auf Oliver geworfen. Trixi wird von ihrem Freund als Zicklein geneckt, das von ihm als Hirten geflissentlich betreut werden muss. Jüngere Geschwister der Hauptfiguren heißen dann Frido und Dodo. Als selbsterklärtes Aschenputtel organisiert Martina die Einkäufe, die Reinigungsarbeiten und eine gesunde Küche. Einzig Gerhard Gläser, ein Senior in Emmas Alter, sorgt als nächstgelegene Nachbar für Unruhe. Er ist im Besitz von Schlüsseln für das Haus der Freunde und ist nicht bereit, diese der Gemeinschaft auszuhändigen.
Als Trixi zusammen mit Freunden die Möbel aussortiert, findet sie wertvolle Goldmünzen von anno dazumal. Herr Gläser betritt heimlich ihr Haus und beschlagnahmt kurzerhand diese Münzen. Die jungen Erwachsenen ahnen, wer den wertvollen Fund entwendet hat. Als Trixi den älteren Herren zur Rede stellt, behauptet dieser, Emma hätte die Goldmünzen für ihn aufbewahrt und hätte dann jedoch das Versteck vergessen. Durch die Aufräumarbeiten der neuen Nachbarn habe er die Leihgabe nun endlich wiederentdeckt und sich seinen Besitz neu angeeignet. Es irritiert, mit welcher Gleichmut die Figuren in Nolls Roman diese Behauptung hinnehmen. Sie akzeptieren den Diebstahl und das Eindringen des Nachbarn in ihre Privatsphäre ohne über rechtliche Konsequenzen nachzudenken. Als sie dann jedoch bei Grabungen für einen Gemüseacker die Knochen einer Leiche finden, wird die Handlung ganz unnachvollziehbar. Trixi beschließt, den Fund der Leiche der Polizei nicht zu melden, weil sie hofft, weitere wertvolle Goldfunde zu machen. Die Knochen der Leiche werden vielmehr in den Keller gebracht und der Fundort somit für eine Spurensicherung zerstört. Durch diesen unglaubwürdigen Stilbruch zeichnet Noll ein recht groteskes Menschenbild und erzielt eine Spannung auf eher albernem Niveau. Recht krude und unstimmig wartet die Storyline offensichtlich mit rechtsfreien Räumen auf. Leider enttäuscht auch die Figurenzeichnung recht vorhersehbar und klischeereich. Ausgerechnet die anfangs so taffe Martina gerät zum offensichtlichen fünften Rad am Wagen und weiß nichts Besseres, als selbstverletzend auszuticken. Auch Herr Gläser ist am Ende deutlich schwächer als gedacht.
Immerhin wertet Noll die recht unstimmige Geschichte dann noch mit Zitaten aus Goethes Faust und aus Liedern der Comedian Harmonists auf. So verinnerlicht die Ich-Erzählerin, die einst als Souffleuse am Schultheater Faust aus dem Effeff kannte, wiederholt prominente Verszeilen des großen Dichters. Denn Goethes weise Worte, die textimmanent wiedergegeben werden, passen eigentlich immer. Und der Schönling Oliver verzaubert die Mädels in seiner WG dann noch als Sänger einer Comedian Harmonists-Coverband, die die neugeründete WG natürlich auch als Proberäume nutzt. Na, da schillern dann alte Zeiten wieder in einem ganz neuen Glanz, ohne die Geschichte voranzutreiben.
Ansgar Skoda - 17. April 2019 ID 11356
Link zum Krimi
Goldschatz von Ingrid Noll
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