Jung und
brutal
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Es hat wohl schon immer Kinder und Jugendliche gegeben, die aus dem Wertesystem ausbrachen und außerhalb der Gesellschaft lebten. Oft sind die Gründe dafür bekannt; Armut oder sogar Krieg, wo Kindersoldaten auf bestialische Art und Weise rekrutiert werden. Sicher wird es auch in unserer Wohlstandsgesellschaft nicht immer nachvollziehbare Gründe geben, die aus Jugendlichen Schwerverbrecher oder gar Mörder machen. Neben dem sozialen Hintergrund spielen dabei heute die sozialen Medien und die digitalen Angebote eine Rolle. Bieten sie doch Anerkennung auch in kriminellen Banden und ebnen ggf. den Weg zu Reichtum und Macht.
Dreizehn Messerstiche haben einen Siebzehnjährigen getötet, dessen Leiche in einem Waldstück nahe Helsinki gefunden wird. Ermittlerin Maria Kallio kennt den Jungen, denn er hat wenige Stunden zuvor noch an ihrem Vernehmungstisch gesessen. Er stand mit Gangkriminalität in Verbindung, Videos auf seinem Computer zeigen schwere Gewaltverbrechen, bei denen die Täter erkennbar sind und die deshalb besonders hochpreisig gehandelt werden. Tatverdächtigt ist Eccu, ein Vierzehnjähriger, der nach dem Mord spurlos verschwindet. Nun gilt es DNA -Spuren von Eccu bei seiner Familie zu sichern.
"Die Deckenlampe im Bad funktionierte nicht, aber der Spiegelschrank gab ein wenig Licht. Jarde öffnete ihn.
'Das ist meine', sagte er und zeigte auf eine ausgefranste Bürste, die jedem Zahnarzt den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben hätte. 'Dann muss die da dem Jungen gehören.'
Die durchsichtige Zahnbürste, die wahrscheinlich Eccu gehörte, sah aus wie eine, die man in Hotels bekam. Ich streifte mir Handschuhe über, bevor ich sie in die Hand nahm. Jarde keifte, als er im Waschbecken Fingernagelreste entdeckte.
'Der kaut immer so eklig an den Fingernägeln, die da sind auch von ihm! Er könnte sie wenigstens runterspülen, verdammt noch mal!'"
(Schritt ins Dunkel, S. 93)
Leena Lehtolainen versteht es solche Szenen meisterlich zu beschreiben und zeigt uns dabei viel mehr als den bloßen Sachverhalt. Sie gewährt uns einen Einblick in die Zusammenhänge dieser dem asozialen Milieu entspringenden Familie. Manchmal ist es schwierig sich bei den finnischen Namen zurecht zu finden, da selbst das Geschlecht wie etwa bei Oona oder Enni sich erst im Text erschließen. Aber das lässt sich bei einer finnischen Autorin nicht vermeiden und macht gleichzeitig einen besonderen Reiz im Roman aus, wenn wir herausfinden, dass Enni die Mutter des Hauptverdächtigen ist.
Maria Kallio ermittelt seit 1993, also seit gut dreißig Jahren. Doch da Kallio sehr früh bei der Polizei anfing, ist an ihre Pensionierung noch nicht zu denken. Die Autorin lässt sie nun in ihrem sechzehnten Fall in der KiJu, der Abteilung für Kinder- und Jugendkriminalität, ermitteln. Ihre Arbeit und die Kollegen sind ihr ans Herz gewachsen, und ein Leben ohne die Fälle sind für Kallio kaum denkbar. Doch die KiJu soll geschlossen werden, und ihre Zukunft steht in den Sternen, zumal ihr vernachlässigter Ehemann Antti ein Forschungsangebot für drei Jahre in Leipzig erhält. Für Maria Kallio wäre dies eine Chance auf eine Auszeit und eine Entscheidung fürs Private, für Liebe und Familie. Doch damit würden wir vergeblich auf einen siebzehnten Fall warten mit einer Ermittlerin, die auch in ihrem Beruf viel Gefühl und Umsicht mit ihren Opfern wie Verdächtigen zeigt.
Ellen Norten - 21. Mai 2024 ID 14756
rororo-Link zum Krimi
Schritt ins Dunkel
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