Der Hochstapler
schaut in
die Zukunft
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Verglichen mit ihm war Felix Krull ein liebenswerter Gauner. Es mangelt ja nicht an Hochstaplern in unserer unaufgeklärten Gesellschaft, aber er ist der unsympathischste unter ihnen. Die Rede ist von Matthias Horx. Freilich: dass er ein Blender ist, verwundert weniger als die Bereitschaft seiner Kunden, sich von ihm blenden zu lassen. Sie fallen auf ihn herein wie auf schäbige Hütchenspieler am Straßenrand, mit dem Unterschied allerdings, dass sie ihm für seine faulen Tricks astronomische Summen bezahlen. Sie halten ihn für das Delphische Orakel, obwohl er mit seinen Prognosen immer wieder dramatisch schief gelegen hat. Eine Hellseherin in der Bude eines Lunaparks ist dagegen eine seriöse Angelegeheit.
Einst, als das noch opportun erschien, gehörte er zusammen mit Cora Stephan zu den Mitarbeitern des links-anarchistischen Magazins Pflasterstrand. Irgendwann aber entdeckten die beiden unter dem Pflaster anstelle des Strandes Henryk M. Broders Achse des Guten, der man alles Mögliche vorwerfen kann, nur nicht, dass sie links sei. Übrigens: auch Broder selbst zählte sich einmal zur Linken und hat für seine Überzeugung damals Beachtliches geleistet. Inzwischen aber kann man sich darauf verlassen, dass er und seine Gefolgsleute keine Gelegenheit ungenützt vorübergehen lassen, sich rechts von der CDU/CSU zu positionieren und vor jenen zu warnen, denen sie sich einst zugehörig fühlten (oder dies zumindest vorgaben).
Matthias Horx hat also ein Betätigungsfeld gefunden, das seinem mit allerlei Brimborium verbrämten Schwindel unbegrenzten Raum lässt und private wie öffentliche Geldgeber anlockt. Es ist die Zukunftsforschung, deren vertrauenswürdig Variante allen voran Robert Jungk in den sechziger Jahren propagiert und praktiziert hat. Geblieben ist nur die Bezeichnung. Mit einer wissenschaftlich fundierten Futurologie hat das Hokuspokus von Horx, auch wenn es sich einen wissenschaftlichen Anstrich gibt, weniger zu tun als mit Kaffeesatzlektüre und Kartenlegen. Immerhin: er existiert noch. Andere, die einst gefragte Gäste von Talkshows und Managerschulungen waren wie etwa Gertrud Höhler, haben sich in die heiße Luft aufgelöst, die sie immer schon von sich gaben. Ab und zu mag man in Wikipedia nachschlagen, ob sie noch unter den Lebenden weilen. Horx hebt den Zeigefinger und ruft: „Da bin ich, Herr Lehrer!“ Noch hält uns das Virus in seinem Bann, da erklärt uns der patentierte Wahrsager, wie es nach dessen Ende weitergehen wird.
Uns ist die verbliebene Lebenszeit zu wertvoll, um uns mit diesem Schmarren auseinanderzusetzen. Holger Rust hat uns die Mühe abgenommen. Er hat schon vor Jahren in seinem Buch Trend-Forschung: Das Geschäft mit der Zukunft gesagt, was über Horx zu sagen ist. Dafür zitiert er, was der Tagesspiegel über die „fraktionsübergreifende Schaumsprache“ schrieb: „Offenbar einem Pawlowschen Reflex folgend, fallen Standpunktinhaber immer wieder in jenen Redefluss, der früher einmal ‚Brustton der Überzeugung‘ genannt wurde. Damit allein ist aber kein Blumentopf mehr zu gewinnen. Der Mittelgewichtsintellektuelle und Medienhengst von heute lebt in touch with tomorrow.“ Und Rust führt aus: „Die Methode ist klar: Wir benennen etwas, das ohnehin jedem klar ist, mit einem klingenden, swingenden Szenebegriff, der zwar irgendwie noch vage Assoziationen weckt, aber eindeutig als Vokabel der ‘Trendbüro‘-Sprache erkennbar ist, überantworten diese den Medien, die begierig darauf sind, irgend etwas ‘exklusiv‘ zu haben, und schon dreht sich die Sache im Kreis. Horxismus, das ist die Neubenennung altbekannter Dinge, die bereits vor Jahrzehnten in der wissenschaftlichen Schaumsprache der Soziologie mit einem Fremdwort bezeichnet wurden – das auch damals schon die besondere Bedeutung der Namen verteilenden Disziplin lautmalerisch unterstreichen sollte.“
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Damit ist auch der jüngste Wurf von Matthias Horx vollständig charakterisiert. Mehr ist dazu wirklich nicht zu sagen. Oder doch: Er trägt den Titel Die Zukunft nach – Ostern… nein, Die Zukunft nach – Obama… nein, Die Zukunft nach – Ramona… verdammt nochmal, richtig: Die Zukunft nach Corona. Dass mir das nicht gleich eingefallen ist!
Thomas Rothschild – 6. Juli 2020 ID 12340
Verlagslink zu Buch
Die Zukunft nach Corona von Matthias Horx
Post an Dr. Thomas Rothschild
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