Die Kunst
zu lügen
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Bewertung:
Was Spionage bedeutet, weiß ich; wie sie jedoch im Einzelnen funktioniert, ist für mich ein Buch mit sieben Siegeln. Philip Kerr hat es verstanden mir mindesten einen Teil dieser Siegel aufzubrechen und mich in die Welt von Spionen und ehemaligen Spionen zu entführen.
Wir schreiben das Jahr 1956. Bernie Gunther arbeitet im Grandhotel an der französischen Riviera. In der Nähe lebt der erfolgreiche Schriftsteller W. Somerset Maugham. Er wird mit Fotos, die ihn auf einem erotischen Homosexuellentreffen zeigen, erpresst. Bernie Gunther, der im Nazideutschland als Privatdetektiv aktiv war, soll die Geldübergabe übernehmen. Er kennt den Erpresser aus seiner Zeit in Königsberg. Der Mann ist ein ehemaliger Hauptmann beim SD, dem Geheimdienst der SS, und Gunther hat mit ihm noch eine Rechnung offen. Doch damit wäre die Handlung zu einfach und zu übersichtlich. Bald wird deutlich, dass es hier um weitaus mehr als um ein paar Fotos geht.
Eine geheimnisvolle Tonbandaufzeichnung gewinnt an Bedeutung. Darauf befindet sich ein versteckter Hinweis, dass der Chef des britischen Geheimdienstes MI5 mehr als zwanzig Jahre für die Russen gearbeitet haben soll. Das Band ist also höchst brisant, und bei Maugham, der selbst britischer Geheimagent war, treffen weitere Personen mit Geheimdiensthintergrund ein. Eine unübersichtliche Situation entsteht, die zutiefst gefährlich ist, allen voran für Bernie Gunther.
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Der bizarre, wie spannende Spionagethriller basiert auf echten Verdachtsmomenten. Bernie Gunther ist dagegen Kerrs Romanheld, der bereits in zehn anderen Büchern unkonventionell wie erfolgreich ermittelt hat. In diesem Band beweist Gunther wieder einmal ungewöhnlichen Durchblick, erkennt Freund und Feind und geht doch den Schlichen einer Frau auf den Leim.
Zu den realen Personen liefert der 2018 verstorbene Philip Kerr in den Anmerkungen des Autors Informationen und zitiert zudem zum Spionageverdacht gegen den Chef des MI5: Chapman Pincher aus dessen Buch Treachery: The True Story of M15 (2011)
„Zusammenfassend sei gesagt, dass, wenn man sich einen magischen Kompass vorstellt und diesen über jeden Verdachtsmoment in Bezug auf die Gegenmaßnahmen des MI5 gegen den sowjetischen Spionageangriff hält, die Nadel nahezu ohne Ausnahme auf den Mann zeigt, der für 27 Jahre in der Agentur gedient hat und schließlich ihr Chef wurde. Die außergewöhnliche Verkettung von Daten und Umständen passt perfekt. Hollis´ (Sir Roger Hollis) serienmäßiges Verschulden von Sicherheitsdesastern, ob durch Verrat oder schiere Inkompetenz, kann nicht länger in Zweifel gezogen werden. Außer wenn Ereignisse außerhalb seiner Befehls- und Kommandogewalt lagen, nutze so gut wie jede Empfehlung und jede Entscheidung, die er traf, den sowjetischen Geheimdiensten.“ Das ist auch meine Meinung." (S. 396)
Ob man diese Meinung teilt, bleibt jedem selbst überlassen. Fest steht, dass Philip Kerr mit Kalter Frieden ein vielschichtiger und packender Spionagethriller geglückt ist.
Ellen Norten - 21. August 2019 ID 11631
Verlagslink zum Krimi
Kalter Frieden von Philip Kerr
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