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nachDRUCK # 2

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Manche Lektüren lassen einem bittere Unwägbarkeiten in der Welt völlig vergessen. Robert Arbas Debütroman Im Privatwald ist ein Werk, in dem Leid durch mögliche Privilegien mehr als aufgewogen zu werden scheint. Hier werden Träume wahr, und alles klappt scheinbar ohne viele Worte wie am Schnürchen. Harmonie kommt auf, wenn man sich im gewissen Grade selbstlos unterstützt und jeder dabei doch irgendwie dazugewinnt. Probleme werden ausgesessen, bis sie sich von selbst auflösen oder durch neue Perspektiven abgelöst werden. An neuen Herausforderungen wächst man ja bekanntlich. Befürchtungen erweisen sich in der Regel als unbegründet. Am Ende ist alles, was bis dahin schon gut war, nahezu perfekt.

Bereits zu Beginn hat der Romanheld eine Glückssträhne. Der Sanitärverkäufer Mark Horvan wurde beruflich in die Geschäftsführung befördert. Darüber hinaus erhält er von seinem Onkel ein beträchtliches Waldanwesen samt Blockhütte im Berner Jura. Der Onkel ist nicht etwa gestorben, nein, er zog mit einer Freundin nach Guatemala. Mark trifft während eines Urlaubs zur Begutachtung seines neuen Eigentums seinen Jugendfreund Ronald, genannt Ronny, wieder. Beide haben sich nunmehr 15 Jahre nicht gesehen. Die beiden Mittdreißiger erinnern sich an gemeinsame Erlebnisse in der Kindheit und auch daran, wie sie sich aus den Augen verloren. Ronald leidet noch heute unter einer schwerwiegenden Beinverletzung nach einem Motorradunfall. Mark, der damals schon in der Stadt wohnte, besuchte Ronny nach dem Unfall nicht im Krankenhaus. Mark entschuldigt sich hierfür nun bei Ronny.

Im Roman hängen die beiden naiven Geschäftsideen hinterher, die sie sich als Kinder ausdachten, etwa Literaten-Karten mit Schriftstellern zum Mitsammeln statt Fußball-Karten mit Bundesliga-Stars. Die beiden gutmütigen Charaktere tauschen naheliegende oder unbedarfte Gedanken miteinander aus. Dialoge und Sprache sind dabei einfach. Bald möchte Mark, der selbst beruflich erfolgreich und auch sonst begütert ist, Ronny unterstützen. Ronny bezieht seit seiner Beinverletzung Sozialhilfe und lebt immer noch bei den Eltern. Mark begleitet Ronny auf das Sozialamt. Er muntert Ronny später auf, als dieser bei einer vom Amt vermittelten Position innerhalb kürzester Zeit scheitert.

Heimlich erwirbt Mark für Ronny eine Wohnung, damit Ronny nicht mehr bei den Eltern leben muss. Wie schon beim Onkel arbeitet der Erzähler eine mögliche Motivation hinter der Selbstlosigkeit Marks kaum heraus. Obschon Mark und Ronny auch körperliche Zärtlichkeiten austauschen, sind sie jeweils mit anderen Partnern liiert. Mark ist an seinen langjährigen Freund Ricardo gebunden, Ronny hat eine Affäre mit der jungen Straftäterin Marjorie. Kurze Sätze erscheinen oft wenig literarisch. Aus der Sicht des Erzählers werden oberflächliche Gedanken in Umgangssprache wiedergegeben, wenn Mark darauf wartet, dass Ronny sein Geschenk einer eigenen Wohnung gegen eine kleine Gegenleistung annimmt:


„Na, was sagt er wohl? Er lässt uns warten. Unanständig lange, finde ich. Ist es Bedauern? Bedauern darüber, dass er gescheitert ist? Immerhin war sein erster Emanzipationsversuch ein kompletter Reinfall. Plötzlich bin ich mir nicht mehr sicher, ob es richtig ist, jemanden retten zu wollen. Muss man ihn absaufen lassen und warten, dass er aus eigener Kraft wieder hochkommt? Sag endlich etwas, du Penner!“ (S. 217)


Ronny zögert hier den Moment der Geschenkannahme ungläubig heraus, obwohl es sich bei der Gegenleistung bloß um die Betreuung zweier pflegeleichter Hunde aus dem Tierheim der gemeinsamen Freundin Lisette handelt, die zuvor bei Marks Blockhütte lebten. Samtweich wird hier ein möglicher Lebensweg neu justiert. Dieser ganze Handlungsstrang erscheint haarsträubend unrealistisch, aber herzerwärmend und niedlich. Robert Arba gibt hier im Roman sogar ein Gedicht aus der Perspektive der beiden Heimhunde wieder, die ein Herrchen suchen (S. 218f.). Gegen Ende nimmt Mark auch eine Verbesserung in Ronnys Auftreten wahr:


„Verglichen mit unserem Ausflug vor drei Wochen, damals noch mit Elektromobil, läuft es heute wie geschmiert. Ronny ist so gut in Form, als hätte er ein neues Bein gekriegt. Dramödien hin oder her, mein Urlaub hat auch ihm gutgetan. Anders kann ich mir nicht erklären, warum er nicht einmal außer Atem ist, als wir oben ankommen. Vielleicht trainiert er intensiv, im Geheimen. Für mich, oder neu für Marjorie. Die Zuneigung eines anderen Menschen kitzelt auch immer die Eitelkeit.“ (S. 223)


Bei allem Glück bleiben die Charaktere, die Storyline oder die Handlungsorte dabei jedoch einigermaßen auf der Strecke. Hier hätte Robert Arba etwas mehr feilen und ausarbeiten können, um durch ein bisschen mehr Wirklichkeitsnähe und Feinschliff auch etwas mehr Spannung erzeugen zu können.

Neue Ideen und Handlungswechsel lassen insbesondere das Ende ausgesprochen zäh erscheinen. Hier kommt es noch dicker: Auf den letzten Seiten wird eine Handvoll meist neuer Figuren vorgestellt, skurrile Arbeitskollegen Marks: die Firmensekretärin Gianna, der Nachfolger auf den Posten der Hauptfigur, Benjamin, und der Firmenchef Ruedi werden in den letzten Abschnitten kurz beleuchtet. Am Ende meint man mit Mark in einem neuen Alltag angekommen zu sein. Doch wozu das Ganze, wenn Mark in seinem neuen Alltag schlussendlich ein bisschen schwarzsieht, aber doch mit guter Miene weitermacht? Vielleicht ist dies ja ein Appell an den Leser, sich eine Fortsetzung oder ein besseres Ende selbst auszumalen.


n. k. - 7. Januar 2025
ID 15090
Verlagslink zu Robert Arbas Roman Im Privatwald


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