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Zweitverwertung





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Er ist derzeit wohl der bekannteste Literaturkritiker, um nicht zu sagen Literaturpapst in unserem Land. Seine Sendung Druckfrisch gibt es seit 20 Jahren in der ARD, und zum runden Jubiläum erscheint nun passenderweise seine Bestseller-Bibel. Das ist bequem, denn Denis Scheck kann damit seine Rezensionen als Zweitverwertung noch einmal in klingende Münze umwandeln.

In seinem Buch - Schecks Bestsellerbibel - werden also seine Buchbesprechungen der letzten 20 Jahre aufgelistet, Bewertungen und seine Einteilung in „Schätze und Schund“. Bei Büchern, die in dieser Zeit länger die Bestsellerlisten füllten, wiederholen sich seine Einschätzungen gleich mehrmals, was außerordentlich langweilig zu lesen ist. Aber vielleicht hält doppelt genäht besser, denn die Bestsellerbibel "lehrt, wie man Spreu von Weizen, Säue von Perlen unterscheidet" (s. Klappentext).

Zur Einstimmung folgen dann Schecks zehn Gebote darüber, wie und was wir zu lesen haben: So sollen wir uns mehr Bücher aus vergangenen Zeiten als aus der Jetztzeit vornehmen, mehr Bücher, die von Autoren des anderen Geschlechts geschrieben wurden, lesen, und wir sollen Büchern, die aus dem Ausland stammen, den Vorzug geben.

Worin diese als Gebote verpackten Hinweise begründet sind, wird nicht mitgeliefert, aber die Unfehlbarkeit des Papstes braucht ja nicht in Frage gestellt zu werden. Es geht schließlich um eine Hilfestellung für den Leser, der für sich anscheinend nicht entscheiden mag, ob ihm ein Buch gefällt oder nicht.


"Ohne Vermittlung und Orientierungsstiftung scheint es angesichts der Überfülle der Novitäten nicht zu gehen – dafür erscheinen in Deutschland jedes Jahr schlicht viel zu viele Bücher. Die Zahlen schwanken je nach Quelle – zwischen 70 000 und 90 000 sind es jedoch sicher. Aber vom Vermitteln zum Verkuppeln ist es eben nur ein kleiner Schritt – und Verkuppeln, das hat im Deutschen nun gar keinen guten Klang." (S. 34)


Was es mit dem Verkuppeln auf sich hat, erschließt sich mir in diesem Zusammenhang nicht. Dass der Buchmarkt groß, wenn nicht zu groß ist, ist hingegen nachvollziehbar. Aber auch ein Denis Scheck kann nicht alle Neuerscheinungen lesen, anlesen oder auch nur zur Kenntnis nehmen. Mit der Vorauswahl der Spiegel-Bestsellerlisten im Bereich Belletristik und Sachbuch scheint Scheck eine neutrale Quelle zu nutzen. Es werden also ausschließlich die Bücher bewertet, die zu den Top Ten bei den Verkaufszahlen gehören, und die Leistung von Scheck besteht darin, auch Bücher mit sechsstelligen Verkauszahlen, die also dem Massengeschmack zuzurechnen sind, unter Umständen dem Schund beizuordnen.

Was heißt dies für den Leser, die Leserin? Soll ich nun schamvoll den Thriller Verheißung von Jussi Adler-Olsen wegwerfen, da „dieser an den Haaren herbeigezogene Quatsch psychologisch unglaubwürdig und sprachlich unterkomplex (ist)" (S. 191) und auf den Folgeband, auf den ich mich schon gefreut habe, verzichten, damit blos niemand den „Schund“ in meinem Bücherregal entdeckt?

Bestseller werden (Gott sei Dank) nicht von Dennis Scheck gemacht. Es gibt viele Kriterien, die zu den extrem hohen Verkaufszahlen führen. Werbung, Zeitgeschmack und vermutlich auch ein Maß an Qualität lassen uns unter Umständen ein Buch, das im Großmarkt oder der Bahnhofsbücherei attraktiv präsentiert wird, kaufen. Die meisten Neuerscheinungen werden wir allerdings nie zu Gesicht bekommen.
Kleinverlage mit einem Sortiment, an dem viel Herzblut klebt, gefertigt von Idealisten, sind oft nur dem Insiderpublikum bekannt. Wer sich einmal ein solches Buch bestellt hat (die Buchhandlungen halten solche Werke kaum vorrätig) wird das Verlagsprogramm vielleicht auch zukünftig verfolgen und manch angenehme Überraschung bei den Neuerscheinungen erleben. Doch solche Bücher werden es nicht vor die Augen von Denis Scheck schaffen, da sie keine Bestseller sind, und sie werden auch keine werden, da sie eben nicht einem großen Publikum, wie etwa den Zuschauern von Druckfrisch empfohlen werden. So beißt sich die Katze in den eigenen Schwanz.

Worin liegt denn nun der Mehrwert der Bestsellerbibel von Denis Scheck?

Zu jedem Kalenderjahr reißt Scheck eine Fragestellung an und äußert darin Kluges zum Literaturbetrieb aus seiner Insidersicht. "Können Bücher Freunde sein?" (S. 107), "Wie verändern Bücher unser Leben?" (S. 195) oder "Retten Bücher Leben?" (S. 351) werden kommentiert. Dies sind zwar nicht unbedingt Neuigkeiten, aber es handelt sich zumindest um interessante Gedankengänge, die Scheck auch auf seinen zahllosen Vorträgen zum Besten gibt.

Obwohl Scheck durch sein Aussehen und die Art seines Auftretens eher den netten Jungen von nebenan verkörpert, der sich gegen die Blassiertheit von Literaturkritikern abheben möchte, ist es genau das, was mich an ihm stört, die Besserwisserei, mit der er den Büchermarkt beeinflusst.


Ellen Norten - 29. August 2024
ID 14889
Piper-Link zu Schecks Bestsellerbibel


Post an Dr. Ellen Norten

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