Gespräch
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Bewertung:
Die durch das Coronavirus geschaffenen Umstände haben eine Tendenz potenziert, die schon lange zuvor eingesetzt hatte: die Ablösung des Gesprächs durch verschriftlichtes Plappern. Im Chat oder im Instant Messaging werden Unmengen von Belanglosigkeiten, durchdrungen von Leerformeln und Modewörtern, abgesondert. Sie dienen der Selbstdarstellung, wo man einander nichts zu sagen hat. Sie sind das sprachliche Pendant zum materiellen Müll, der die Abfalleimer und die Deponien verstopft. Man denkt an den Papagei Laverdure in Raymond Queneaus Zazie in der Metro, der ständig wiederholt: „Du quasselst, du quasselst, das ist alles, was du kannst.“
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Alexander Kluge und Ferdinand von Schirach haben nun ein kleinformatiges Bändchen veröffentlicht, in dem sie daran erinnern, was ein Gespräch einmal bedeutet hat. Ausgehend von den diversen Problemen, die sich durch die aktuelle Pandemie und die Reaktionen darauf stellen, tauschen sie Gedanken aus. Von der Konversation differieren diese beiden an einem einzigen Tag über den Computer zwischen München und Berlin geführten Gespräche durch einen relevanten Gegenstand, vom wissenschaftlichen Disput unterscheiden sich sich durch ihre assoziativ vazierende, Abschweifungen nicht nur zulassende, sondern befördernde Methode. Die beiden Autoren, die gut eine Generation von einander getrennt sind, sehen sich weder unter dem Zwang, einander grundsätzlich zu widersprechen, noch einander zuzustimmen. Manchmal geht es eher um Nuancen, manchmal um Ergänzungen, die das Argument des Gegenübers bestärken oder differenzieren.
Was Kluge und von Schirach verbindet, sind Intelligenz und universelle Bildung. Der Leser kann von ihnen lernen, ohne sich bevormundet zu fühlen. Eine Empfehlung an alle, die es satt haben, sich vom Plappern unterfordern zu lassen: Begeben Sie sich statt in einen Chatroom in den Kosmos zweier Intellektueller, deren Ausdrucksvermögen „hallo“, „hey“ und Smileys übersteigt. Er trägt den asketischen Namen Trotzdem und ist bloß 75 Seiten dick. Kein großes Risiko also.
[Das Buch erscheint am 11. Mai 2020.]
Thomas Rothschild – 6. Mai 2020 ID 12218
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