Groteske
Zeugen
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Kristine Hartung, die Tochter einer hohen dänischen Politikerin, wird entführt. Ein Jahr später existiert von dem Mädchen zwar immer noch keine Spur, aber der Täter hat den Mord an der Vermissten gestanden. Deshalb soll das Mädchen für tot erklärt werden, obwohl seine Leiche bisher nicht gefunden wurde. Der Mörder kann sich an die genaue Stelle, wo er die Leiche vergraben hat, nicht mehr erinnern.
Fall geklärt? Doch dann hätte das Buch höchstens fünfzig Seiten. Also gibt es unerwartete Ereignisse. Eine neue Mordserie erschüttert Kopenhagen, und neben den Opfern stehen stumme Zeugen; handgefertigte Kastanienmännchen. Was diese eigentlich niedlichen Figuren besonders unheimlich macht, ist die Tatsache, dass sie Fingerabdrücke des Entführungsopfers tragen. Kristine hatte vor ihrem Verschwinden tatsächlich Kastanienmännchen gebastelt und sogar am Straßenrand verkauft. Hatte der Mörder also die kleinen Kobolde in weiser Voraussicht auf seine Verbrechen schon vor der Entführung der Politikertochter erworben, oder lebt diese entgegen aller Erwartungen noch und bastelt neue Kastanienmännchen?
Dieser Frage könne die beiden Ermittler Kommissarin Naia Thulin und ihr Partner Mark Hess zunächst nicht nachgehen, da sie mit der aktuellen bestialischen Mordserie beschäftigt sind.
„Es kann nicht anders sein, als dass der Täter ihre Schmerzen gesehen hat, während er sie ihr zufügte. Hätte er sie nur totschlagen wollen, dann wäre das sehr schnell gegangen. Sie muss im Verlauf mehrmals ohnmächtig geworden sein, und meine Vermutung ist, dass sie ungefähr zwanzig Minuten misshandelt worden ist, ehe der Schlag ins Auge kam, der dazu führte, dass der Tod eintrat.“ (S. 69)
So beschreibt der Gerichtsmediziner nüchtern den ersten Tathergang. Dem Opfer wurde zudem die rechte Hand amputiert. Wo das Körperteil geblieben ist, bleibt offen. Auch die folgenden Morde laufen nach einem ähnlichen Muster ab, dabei nimmt die Zahl der Amputationen mit jedem neuen Opfer zu. Darin als auch durch die am Tatort anwesenden Kastanienmännchen zeigt sich ein Zusammenhang. Aber offenbart der Mörder dabei auch eine Botschaft? Es könnte sein, und Søren Sveistrup lässt den Leser bei jeder neuen Spur mitfiebern. Und eines scheint sich herauszukristallisieren: Wie sooft liegt der Schlüssel in der Vergangenheit – Ereignisse, die die Beteiligten fast schon vergessen hatten…
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Bisher hat sich Søren Sveistrup als Drehbuchautor einen Namengemacht. Die von ihm präsentierte Kommissarin Lund dürfte manchem Fernsehzuschauer bekannt sein. Sein Roman Der Kastanienmann entspricht den typischen Nordic-Noir Romanen, düstere Thriller, die in Skandinavien eine lange Tradition zeigen. Hiermit ist dem Autor ein gelungenes Debüt in diesem Genre gelungen.
Ellen Norten - 21. Februar 2020 ID 12011
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Kastanienmann
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