Kann man
einen Mörder
lieben?
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Bewertung:
Ein Thriller lebt vom wohligen Schauer, von grotesken Bluttaten und perfiden Morden. Bei der Masse der Neuerscheinungen, in denen Gewaltakte in ihrer Brutalität fast inflationär zunehmen, muss sich der Autor immer wieder neue abstruse und qualvolle Tötungsmethoden ausdenken. Stephan Ludwig ist dieses in seinem neunten Fall um die Ermittler Claudius Zorn und den dicken Schröder gelungen. Das Opfer sitzt nackt und eingepudert mit ungelöschtem Kalk in seiner eigenen überhitzten Limousine. Und jeder seiner Schweißtropfen verwandelt das Pulver in eine beißende Chemikalie, die Haut und Gewebe einfach wegätzt.
"Piral bäumte sich auf, das Klebeband um seine Handgelenke straffte sich. Die Haut löste sich von Armen und Beinen, hing in Fetzen über den dampfenden Augenbrauen. Weiterer Staub wirbelte auf, als seine nackten Füße auf den Boden trommelten. Er warf sich mit aller Gewalt zu Seite, prallte mit dem Kopf gegen die Seitenscheibe. Ein dumpfer Knall dröhnte durch den Wagen. Blut strömte über sein mit stinkenden Blasen bedecktes Gesicht, rann über das beschlagene Fenster." (Zorn - Tod um Tod, S. 9)
Es gibt ernstzunehmende Gründe für die Inszenierung der bestialischen Tat. Schritt für Schritt kommen wir dem Mörder und seinem Motiv auf die Spur. Dabei lernen wir Menschen kennen, die an einer weit in der Vergangenheit liegenden Tat beteiligt waren; eine Jugendbande, die in Venedig in den 1970er Jahren arglose Touristen ausnahmen und die es dann zu mehr Gewalt drängte. Dabei stellt sich die Frage nicht nach dem Warum. Für die jungen Kriminellen besteht der Reiz darin, Macht und die Sucht nach Reichtum gierig bis zum Exzess auszuschöpfen. Und es gibt deren Opfer, die auch bis heute das Blutbad nicht vergessen können.
Ludwig versteht es, eindrucksvolle Charaktere zu zeichnen, deren Handlungen für den Leser zwar nicht gutzuheißen aber in einigen Fällen zumindest nachvollziehbar sein können. Und so stellt sich am Ende tatsächlich die Frage, ob man den Täter eines perfiden Mordes trotzdem lieben könnte?
Ein spannendes und auch nachdenklich machendes Buch mit vielen Nebenschauplätzen, einem Plot, der sich nur langsam abzeichnet, und dass bei aller Brutalität die Menschlichkeit nicht aus den Augen verliert. Die Freundschaft zwischen Zorn und Schröder und deren Erschütterung durch die Ermittlungen sind dabei ein wichtiger Aspekt, und das starke Band zwischen Schröder und Zorns fünfjährigem Sohn Edgar verleiht dem Buch fast einen sentimentalen Gegenpaart.
"Schröder breitete stumm die Arme aus. Edgar zögerte kurz, dann trat er vor, schlang die Arme um Schröder und schmiegte sich an seinen Hals. Zorn beobachtete, wie Schröder seinen Sohn hin und her wiegte, kämpfte jetzt ebenfalls mit den Tränen und überlegte einmal mehr, was die beiden verband. Telepathie vielleicht? [...]
Nee, dachte Zorn. Das ist keine Telepathie oder irgendwelcher anderer esoterischer Quatsch. Es ist Liebe. Einfach nur Liebe." (S. 407)
Ellen Norten - 8. Januar 2020 ID 11921
Verlagslink zum
Zorn-Thriller
Post an Dr. Ellen Norten
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