Leergepumpt
|
|
Bewertung:
Pathologen, Forensiker, Rechtsmediziner sind die neuen Helden der Kriminalromane. Während sie früher kaum wahrgenommen wurden, werden sie heute zu zentralen Figuren, ermitteln, spielen wichtige Rollen bei der Rekonstruktion des Tathergangs und – schreiben mittlerweile selbst Krimis. Mark Benecke ist im wahren Leben Kriminalbiologe. Er analysiert beispielsweise am Alter von Fliegenlarven in einer Leiche, wie lange diese schon an ihrem Fundort liegt. Der leichte Grusel, den so manchen von uns dabei überfällt, machte Benecke schon zur Geschäftsidee für seine populären Sachbücher. Nun hat er sich erstmals in die Belletristik verirrt und legt einen passablen Krimi hin.
Innerhalb kürzester Zeit werden zwei Frauenleichen gefunden. Beide halten eine Rose in den Händen und sind im wahrsten Sinne des Wortes blutleer. Petersen, die ermittelnde Kommissarin, steht vor einem völlig neuen Tatschema. Wie konnte das Blut bis auf den letzten Tropfen entnommen werden, wie ist es technisch überhaupt möglich, eine Leiche blutleer zu pumpen. In ihrer Not erinnert sich die Kommissarin an Becker, ihren ehemaligen Mitarbeiter, der sich tief, wenn nicht zu tief in seine Ermittlungen hineinbohrt. Er und seine Freundin Janina lassen sich nicht lange bitten.
"Ein Fall war eben nicht nur ein Fall. Janina hatte recht. Es war schließlich nicht das erste Mal, dass Becker sich über solche Dinge ärgerte. Ein Fall war eben nicht nur ein Fall. Auch wenn er das gerne so gehabt hätte. Auch wenn er gerne all die anderen Dinge ausblendete, die so eine Ermittlung mit sich brachte. Der Papierkram war lästig. Aber am schlimmsten waren die Befindlichkeiten. Damit kam Becker nicht zurecht. Er wollte keine Rücksicht auf Rangordnungen und Vereinbarungen nehmen. 'Ich kann mit Machtspielereien nichts anfangen, Janina. Konnte ich noch nie.'
'Ich weiß', sagte sie und lächelte milde. 'Das ist ja auch der Grund, warum du nur noch für und nicht mehr bei der Polizei arbeitest.'"
(Viral. Blutrausch, S. 64)
Becker, der Protagonist des Romans, trägt eine alte Last mit sich herum, die oft angedeutet, aber erst gegen Ende des Buches aufgedeckt wird. So viel steht allerdings fest. Er hält es nicht so mit den Hierarchien. Das hat dazu geführt, dass er zwar über gute und ehrliche Kontakte verfügt, seine wirtschaftlichen Verhältnisse jedoch denen eines Asozialen gleichen. Becker beißt sich also bei den Frauenmorden wieder fest, eckt wieder an und löst den Fall auf seine Weise. Doch die ist enttäuschend einfach und das Ende kommt eher als Überraschungs- statt als wirkliches Spannungsmoment daher.
*
Der erste Krimi von Mark Benecke wirkt hölzern, auch stilistisch wäre der Text noch verbesserungswürdig (Zitat s.o.). Mal sehen, ob der Vielschreiber Benecke sich noch einmal der Belletristik widmet, an Ideen mangelt es ihm sicher nicht, handwerklich gäbe es dagegen noch einiges zu tun.
Ellen Norten - 31. Mai 2022 ID 13651
Verlagslink zu
Viral. Blutrausch
Post an Dr. Ellen Norten
Buchkritiken
Hat Ihnen der Beitrag gefallen?
Unterstützen auch Sie KULTURA-EXTRA!
Vielen Dank.
|
|
|
Anzeige:
Kulturtermine
TERMINE EINTRAGEN
Rothschilds Kolumnen
AUTORENLESUNGEN
BUCHKRITIKEN
DEBATTEN
ETYMOLOGISCHES von Professor Gutknecht
INTERVIEWS
KURZGESCHICHTEN- WETTBEWERB [Archiv]
LESEN IM URLAUB
PORTRÄTS Autoren, Bibliotheken, Verlage
UNSERE NEUE GESCHICHTE
= nicht zu toppen
= schon gut
= geht so
= na ja
= katastrophal
|