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Rezension

Judith Faller - "wachstumsschmerzen"

Gedichte
Wiesenburg Verlag, 2012
ISBN 9783943528022


Samstag, 23. Juli 2012, 20 Uhr im Kaffee Augenblick, einem jungen Kulturkaffee im alten Dorfkern von Oberwinterthur, Schweiz. Judith Faller präsentiert wachstumsschmerzen, ihren frisch erschienenen Lyrikband mit 100 Gedichten, die unter die Haut gehen, begleitet von Miguel Bächtold mit ebensolchen Improvisationen am Klavier.

Es ist heiß. Der Raum, in den die vielen Hörer drängen, klein. Die Befürchtung, aufgrund von Sauerstoffmangel während der kommenden zwei Stunden zu leiden, erweist sich schnell als unbegründet. Die Atmosphäre ist locker, durch die offene Türe gelangen frische Luft und leise Geräusche des lauen Sommerabends, eine Pause mit Erfrischungen sorgt für Abkühlung. Die Worte der Autorin Judith Faller und die improvisierten Klänge des Klaviers unter den Händen von Miguel Bächthold ließen keinen Moment Langeweile oder Müdigkeit aufkommen. Sah man hin und wieder jemanden die Augen schliessen, dann nur deshalb, um die Wirkung der eindrücklichen Mischung aus Worten und Tönen zu verstärken.

"Mein Baby", sagt JuFa, wie sie in der Anmoderation genannt wird, wenn sie von ihrem Buch spricht. Das Cover des Buches, auch ein Werk der künstlerisch vielseitig begabten Autorin, verstärkt diese Assoziation. Es zeigt in feurig warmem Farbenspiel zwei Menschen in embryonaler Grundhaltung. Aufgekeimt, bebrütet, geboren. Und die Mutter ist zu Recht stolz. Ihr Werk ist gelungen, vielfältig und bewegend.

Wir sollen nicht überlegen, was sie sagen wolle, fordert JuFa zu Beginn ihrer Lesung auf. Wir sollen ihre Texte ankommen lassen bei uns. Und das sind sie.

a … wie achtsamkeit und alterslos: Von dort startet Judith mit ihrer Führung durch die wachstumsschmerzen. Über d wie du und e wie einsam hin zu k wie krankheit begleiten wir sie in tiefste Tiefen und auf Zwischenhochs. Jedes Gedicht erhält genügend Raum, damit es seine Wirkung entfalten kann. Miguel Bächtold begleitet und unterstreicht mit seinen Improvisationen der leisen und lauten Töne, der Harmonien und Disharmonien das Gelesene. Musik und Worte tun sich wohl, verdichten sich gegenseitig.

S… wie Sex. Jufa will uns dieses Gedicht nicht vorenthalten, da es Pate stand für die Schlagzeile „Sex im Beichtgestühl“ eines kürzlich erschienenen Zeitungsartikels. Auch wenn es, fügt sie hinzu, nicht unbedingt das beste Gedicht des Bandes wäre. Es entstand mit Nina Hagens „Ich möcht' ein Fisch im Wasser sein“ im Ohr, dessen Rhythmus in das Gedicht eingeflossen ist. Sex sorgt für Schmunzeln im Auditorium, bevor es wieder sehr locker zu schweren Themen geführt wird.

W… wie Wachstumsschmerzen, das längste Gedicht des Buches. Das Gedicht, das dem Band seinen Namen gab, ist das einzige, das Judith Faller zuvor bereits gelesen hat, für ihren Bruder. Warum fragt man sich unwillkürlich und die eigene Phantasie mischt sich unter das, was das Ohr hört. Wachstumsschmerzen erzählt eine Geschichte wie von Ikarus und Dädalus, von Scherben und lockender Freiheit, von Kraft, von Verführung, vom Verbrannt werden und schliesslich vom Fall.

Z… wie Zeit, Abschied zu nehmen mit zulassen. Abschied von Judith, ihren gelesenen Worten und den Klängen des Klaviers. Schöne zwei Stunden. Samstag, 22.00 Uhr im Kaffee Augenblick, einem jungen Kulturkaffee im alten Dorfkern von Oberwinterthur, Schweiz.


Heike Henzmann - 25. Juni 2012
ID 6054
Judith Faller, wachstumsschmerzen
Gedichte
125 Seiten
Maße: 14,6 x 21,9 cm
Gebunden
EUR 16,80
Wiesenburg Verlag, 2012
ISBN 9783943528022



Siehe auch:
http://www.wiesenburgverlag.de/





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