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Rezension

Jennifer Egan - "Der größere Teil der Welt"

Roman
Schöffling 2012
ISBN: 978-3-89561-224-4



Viel Lärm um Alles

Im Februar erschien Jennifer Egans fünftes Werk, für das sie im letzten Jahr mit dem Pulitzer Preis ausgezeichnet wurde, auch auf Deutsch. Der größere Teil der Welt ist in der US-amerikanischen Musikszene angesiedelt, betrachtet in diesem Rahmen aber verschiedenste Orte und Charaktere zu verschiedenen Zeitpunkten in der Vergangenheit und Zukunft. So besucht der Leser nicht nur die Ost- und Westküste der Staaten, sondern begibt sich beispielsweise auch auf Safari nach Afrika. Egans Roman erzählt nicht nur von abenteuerlustigen Individuen, sondern richtet sich auch an ebensolche Leser.

In Mittelpunkt der einzelnen Kapitel steht dabei immer wieder eine andere Figur, sei es nun ein gealterter Plattenboss, der seine größten Erfolge zu einer Zeit verzeichnete, an die seine junge Freundin gar keine Erinnerung hat, oder das junge Mädchen, das das College schwänzt, um ihre Version von Punkrock zu leben. Dennoch ist das Buch durchaus als Roman und nicht als Geschichtensammlung zu bezeichnen. Die diversen Charaktere und deren Schicksale sind nämlich alle auf kurioseste Weise miteinander verknüpft. So kommt es vor, dass der Leser eine Geschichte aus einer anderen Perspektive noch einmal zu lesen bekommt, oder dass man ganz nonchalant in einer Randbemerkung erfährt, welches tragische Schicksal dem ein oder anderen widerfuhr. Wie es letztendlich so weit kommen konnte, das vorzustellen bleibt dann der Fantasie des Lesers überlassen.

Die diversen Protagonisten dienen nicht nur als Beweis dafür, wie klein doch die Welt ist, vielmehr sind sie alle durch ein Thema vereint, dass sich als roter Faden durch die Episoden zieht: Sich selber finden und sich behaupten. So kommt es, dass Egans unverhohlene bis humorvolle Schreibweise doch viel Trauriges über das Scheitern von Identitäten zu schildern weiß. Denn die Zeit ist, wie der Originaltitel A Visit from the Goon Squad zutreffender andeutet als seine deutsche Übersetzung, ein Schlägertrupp, der vor niemandem halt macht.

Darüber hinaus sticht der Roman, der sich vordergründig durch erzähltechnisches Geschick auszeichnet, besonders aufgrund eines Kapitels hervor: Das 12. Kapitel besteht nicht aus Fließtext, sondern aus einer PowerPoint-Präsentation. Damit kommentiert Egan geschickt die populäre Art und Weise, mit der heutzutage komplexe Sachverhalte in simple Diagramme unterteilt werden - nur wendet sie dieses Verfahren auf familiäre Strukturen an. Trotz (oder ausgerechnet wegen) dieser wörtlich stark reduzierten Ausdrucksform bringt sie dabei unausgesprochene Gefühle auf den (wunden) Punkt. Geht es in dem Kapitel eigentlich um die Länge von Pausen in Liedern, so ist auch die Leere zwischen den Diagrampunkten das, was Bedeutung bekommt. Manchmal ist nämlich das viel präsenter, was abwesend ist.

Auch wenn der Roman in der (Rock-)Musikszene angesiedelt ist, so hat man dennoch das Gefühl, dass die erzählten Geschichten Universalcharakter haben. Die Musikindustrie scheint nur eine von vielen Industrien zu sein und die Zahnräder in diesem gigantischen Uhrwerk (die Plattenbosse, Musiker und Fans) sind am Ende des Tages auch nur Menschen, die nach ein bisschen Glück streben. Der größere Teil der Welt ist ein Konzert in mehreren Akten, bei denen Menschen von Nebenan in bunten Kostümen auf der Bühne stehen und eine tickende Uhr stets hinter dem Bühnenvorhang hervorlugt.

Lisa Krawczyk - 1. August 2012
ID 6121
Jennifer Egan, Der größere Teil der Welt
Originaltitel: A Visit from the Goon Squad, aus dem Englischen von Heide Zeltmann
392 Seiten. Gebunden.
€ 22,95   €[A] 23,60   SFR 32,90
ISBN: 978-3-89561-224-4



Siehe auch:
http://www.schoeffling.de


Post an unsere Rezensentin Lisa Krawczyk



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