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Rezension

Johnny Haeusler | Tanja Haeusler - Netzgemüse

Aufzucht und Pflege der Generation Internet
Goldmann Verlag, 2013
ISBN: 978-3-442-15743-3




Bangemachen gilt nicht - ein praktischer und kulturoptimistischer Erziehungsratgeber im Umgang mit jungem Netzgemüse

Was tun, wenn Eltern wieder einmal nicht genau wissen, was ihr Nachwuchs im Internet so alles treibt oder – schlimmer noch – herausbekommen, dass die Kinder online freizügig persönliche Daten veröffentlicht haben, mit Unbekannten chatten oder Pornos auffinden? Auf zumindest einige dieser Fragen, die viele Eltern heutzutage umtreiben, versuchen Tanja & Johnny Haeusler in ihrem neuen Erziehungsratgeber Antworten zu geben. Dein Kind – das unbekannte Wesen ist die Generation Netzgemüse, so der Titel.

Als Betreiber des preisgekrönten Internetblogs „Spreeblick“ und Mitbegründer und Veranstalter der renommierten Internetkonferenz re:publica hat das Ehe- und Autorenpaar ihr Buch kürzlich hier wie dort vorgestellt. Obgleich die Haeuslers gegenüber Anderen über einen Vorsprung im Umgang mit den digitalen Medien verfügen, standen und stehen sie als Eltern zweier pubertierender Söhne vor denselben Problemen wie die meisten ihrer Generation: „Wir sind nicht mit den Medien aufgewachsen, die für unsere Kinder selbstverständlich sind, wir haben keine Spiel- und Experimentierphasen mit dem Internet gehabt.“

Die Haeuslers warnen deshalb Erziehungsberechtigte davor, sich aus Verlegenheit und Unkenntnis einem Kulturpessimismus hinzugeben und das Internet und die digitale Spielewelt pauschal als pädagogisches Minenfeld anzusehen. Vor allem aber warnen sie, die Souveränität der eigenen Kinder geringzuschätzen. Wenn Erziehung abseits des Digitalen einigermaßen geklappt hat und Kinder zur Verantwortung gegenüber sich selbst angeleitet wurden, sind die Voraussetzungen gut, dass sie diese Verantwortung auch im Internet wahrnehmen werden.
Dass sich die Kinder in diesem Dschungel schneller und leichter zurechtfinden als die Erwachsenen, sollte nicht abschrecken – im Gegenteil: „Die wichtigsten Kompetenzen für unsere Kinder sind auch im Internet nur bedingt technischer Natur. Es sind in erster Linie kulturelle und soziale Techniken, in deren Bereich wir uns als Eltern durchaus auf Erfahrungen verlassen können, die wir ohne das Internet gewonnen haben.“ Nichts sei schlimmer, als Tabus aus Unkenntnis über die Möglichkeiten der digitalen Welt aufzustellen.

Die Autoren berichten von ihren Erfahrungen, dass selbst bei Elternabenden nicht offen über Probleme, die aus der Existenz digitaler Medien im Kinderzimmer erwachsen, gesprochen wird, weil die meisten Eltern „sich keine Blöße“ geben wollen. Sie räumen ein, dass die Existenz des Internet – erst recht, wenn es über ein mobiles Gerät wie dem Handy für Minderjährige überall verfügbar ist – „einen gewissen Kontrollverlust für uns und unsere Kinder“ bedeutet. Weder Dauerpanik noch hilflose Ergebenheit seien angemessene Reaktionen, argumentieren die Haeuslers: „Wenn wir akzeptieren, dass das Leben unserer Kinder in weiten Teilen von diesem zukunftsträchtigen Medium bestimmt sein wird, sollten wir uns einmischen, interessieren und es vor allem mitgestalten.“

Deshalb raten Tanja und Johnny Haeusler zur aktiven Teilnahme der Eltern, wenn Kinder im Web surfen, chatten oder spielen. Nur wer weiß, was die Sprösslinge begeistert, animiert oder ratlos lässt, wird ernst genommen und kann mitreden oder bei Problemen helfen. Das beginnt ganz praktisch damit, dass Eltern wissen sollten, wo und wie auf Kommunikations- und Tauschportalen wie Facebook die Sicherheitsfunktionen aktiviert werden, die z.B. erschweren, dass Fremde Kinder mit zweideutigen Angeboten belästigen, und reicht bis zum Durchspielen von „Horrorszenarien“, um im Ernstfall – etwa dem Cybermobbing – nicht kopflos dazustehen: „Nutzen Sie dabei für tiefergehende Informationen zu den einzelnen Funktionen am besten gemeinsam mit Ihrem Sohn oder Ihrer Tochter genau den Ort, an dem Menschen am meisten darüber wissen: das Internet.“

Ausprobieren und Auswerten ist für die Haeuslers dabei die beste Methode: „Wenn ihr Kind alt genug ist und ein Interesse an Online-Welten zeigt, wenn es Facebook nutzen möchte, wenn es chatten will: Sorgen Sie dafür, dass es so gut wie möglich weiß, was es tut, und geben Sie ihm genügend Zeit, Dinge und Funktionen kennenzulernen und auszuprobieren. Anfangs gemeinsam mit ihnen, später aber auf jeden Fall auch allein. Nichts gibt Kindern mehr Sicherheit als eigene Erfahrung, dies gilt online genauso wie offline.“ Außerdem liegt für viele Kinder der besondere Reiz der Online-Welt ja gerade darin, dass sie die Erwachsenen mit ihrer Einmischung dort ein bisschen abschütteln können.

Während die Autoren im Abschnitt über Handys und Smartphones wertvolle Tipps leisten, die ein Abzocken durch unfaire Tricks unterbinden, fällt ausgerechnet das Kapitel über Computerspiele, zu denen es auch bei Haeuslers daheim die erbittertsten Diskussionen zwischen Eltern und Söhnen gab, eher schwach aus. Die banale Feststellung, dass sich Spieler durchs Spielen kurzfristig mit Adrenalin und Erfolgserlebnissen belohnen können und dass Eltern mit ihren Kindern zusammen Regeln für den Game-Konsum entwickeln sollten, bringt wenig Licht in die dunkle, soziologisch noch kaum fassbare Faszination, die von vielen Games ausgeht.


„Vielleicht wird es in den nächsten Jahren für Eltern einfacher werden, ein ‚Kindernet‘ zu verwalten, wahrscheinlich werden die meisten Lösungen dafür aus dem Netz selbst kommen. Mit ziemlicher Sicherheit jedoch wird uns niemand unsere Verantwortungen und Pflichten als Eltern abnehmen, und das ist gut, denn nur so können wir selbst entscheiden, wie wir erziehen. Auch wenn mehr Unterstützung und Hilfe dabei wirklich wünschenswert wäre.“ Die Haeuslers haben ihren Beitrag dazu geleistet.


Max-Peter Heyne - 10. Juni 2013 (2)
ID 6834
Johnny Haeusler | Tanja Haeusler: Netzgemüse. Aufzucht und Pflege der Generation Internet
Taschenbuch, Broschur, 288 S.
€ 9,99
Goldmann Verlag, München
ISBN: 978-3-442-15743-3



Siehe auch:
http://netzgemuese.com/


Post an Max-Peter Heyne



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