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Rezension

Petros Markaris | Abrechnung

Roman
Diogenes Verlag, 2013
ISBN 978-3-257-06873-3




Mit dem Roman Abrechnung ist Petros Markaris wieder einmal ein großer Gesellschaftsroman gelungen. In seinem neuesten Buch skizziert er ein vielleicht nicht ganz abwegiges Szenario – wenn es auch so schnell vielleicht nicht eintreten mag: Wir werden an den Neujahrstag des Jahres 2014 versetzt, zu welchem der Drachme wiedereingeführt wurde. Im Zuge dieser Umstellungen kommt es zur Inflation, die Gehälter der Polizisten werden nicht mehr ausgezahlt, und so trifft die Wirtschaftskrise auch Kommissar Charitos und seine Familie. Vor dem Hintergrund dieser aktuellen Geschehnisse in Griechenland rollt Markaris in diesem Roman den Aufstand gegen die Militärdiktatur in den 1970er Jahren auf und setzt sich mit den Seil- und Machenschaften der einstigen Aktivisten der „Generation Polytechnikum“ auseinander. Drei Vertreter dieser Gruppe werden nacheinander nach demselben Muster ermordet – ein Akt später Rache? Oder sind rechtsextreme Terroristen die Urheber der Gewaltverbrechen?

Dies ist der Ausgangspunkt für die Geschichte, entlang der Markaris sich mit (drohendem) rechtsextremen Terrorismus in Griechenland, dem moralisch zweifelhaften Handeln der arrivierten Linken, die einst den Widerstand gegen die Junta anführte, und schließlich mit Europapolitik und insbesondere mit dem deutsch-griechischen Verhältnis in diesem Kontext auseinandersetzt. Ein hochaktuelles Buch also, in dem der Volkswirt Markaris, der unter anderem auch in Stuttgart studierte, seine fachlichen Erfahrungen ebenso einbringt wie seine kulturellen Kenntnisse der griechischen wie der deutschen Gesellschaft.

Dass Markaris in diesem Jahr mit der Goethe-Medaille für seine Verdienste um die deutsch-griechischen Beziehungen geehrt wurde, überrascht nicht. Dieser Roman zeigt Markaris als kritischen Geist, der dennoch immer den Ausgleich sucht. So wird die Kritik an der deutschen Griechenlandpolitik und der Troika überall deutlich. Dennoch ist in den Roman auch eine sympathische deutsche Figur eingebaut, die den Gegenpol vertritt: Uli, der neue Freund von Mania, der Kollegin von Charitos‘ Tochter Katerina, der seiner großen Liebe nach Griechenland gefolgt ist, fleißig Griechisch lernt und unter anderem auf dem von den beiden Frauen und anderen sozial engagierten jungen Griechen begründeten Radio Hoffnung auf Deutsch über das wahre Griechenland berichtet. Dieser Ausgleich ist ein Prinzip in den Romanen von Markaris: Zwar scheint immer die intendierte Gesellschaftskritik durch, doch auch die Argumente der Gegenseite finden Gehör. Dies erst macht diese Romane zu einem so gelungenen, weil umfassenden Gesellschaftsportrait – auch wenn man sich vielleicht manchmal etwas mehr „Reibungsfläche“ und etwas weniger Ausgleich wünschen würde. Das ist aber vielleicht auch eine Temperamentsfrage.

Abrechnung ist weniger ein Krimi – nur insofern, als in ihm Menschen ermordet werden und sich ein Kommissar erfolgreich auf die Suche nach deren Mörder macht. Dass der Leser am Ende noch erfährt, wer eigentlich der Mörder war, ist eher nebensächlich, da der Fokus des Romans eben anderswo, nämlich auf der sozialen Dimension des Textes liegt. Dabei startete die Kriminalgeschichte mit einem wirklich guten Aufhänger, dem Slogan „Brot, Bildung, Freiheit“ aus der Besetzung des Polytechnikums im Zuge des Aufstands gegen die Militärdiktatur 1973, der die Mordreihe begleitet. Aus diesem Aufhänger hätte man eine hochspannende Kriminalgeschichte entwickeln können – Markaris nutzt dies aber nicht aus, und die Geschichte bleibt alles in allem ein wenig lahm, die Lösung des Falls ist keine wirklich Überraschung. Die Geschichte ist so angelegt, dass die anfängliche Ahnung des Lesers sukzessive verstärkt und das einzige Hindernis am Ende mit einem deus ex machina aus dem Wege geschafft wird. Als reine Kriminalgeschichte betrachtet bleibt der Roman daher etwas unbefriedigend – das Leseerlebnis würde man weniger als „spannend“ denn als „unterhaltsam“, „kurzweilig“, „aufschlussreich“ oder „interessant“ beschreiben.

Insgesamt lässt sich Abrechnung all jenen empfehlen, die sich mit dem Griechenland der Gegenwart und den deutsch-griechischen Beziehungen einmal näher auseinandersetzen möchten und, wie es in dem Roman an einer Stelle so schön heißt, „hören [will], was in Griechenland los ist, und nicht nur von Auslandskorrespondenten, Diplomaten und den deutschen Mitgliedern der Troika.“ (S. 257) Diese Auseinandersetzung tut sicherlich not, und dieser Roman bietet - gerade durch seine ausgewogene Erzählweise, die alle Parteien zu Worte kommen lässt - eine wirklich gute Gelegenheit, dies auf sehr unterhaltsame Weise zu tun.



Bewertung:    



Ann-Kristin Iwersen - 11. Oktober 2013
ID 7249
Petros Markaris | Abrechnung
Hardcover Leinen, 320 Seiten
€ (D) 22.90 / (A) 23.60 / sFr 32.90
Diogenes Verlag, 2013
ISBN 978-3-257-06873-3



Siehe auch:
http://www.diogenes.de/


Post an Dr. Ann-Kristin Iwersen



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