Die Lust
am Wortspiel
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So unterschiedlich die Menschen sein mögen – es gibt doch Einiges, was sie verbindet. Dazu gehört die Sprache. Wie sie freilich damit umgehen, unterscheidet sie wiederum (und damit ist nicht gemeint, welche natürliche Sprache ihnen durch die Fügung der Geburt zugefallen ist). Bei Schriftstellern erwartet man – zu Recht oder zu Unrecht – ein ausgeprägtes Sprachgefühl, andere wiederum tun sich schwer mit einem größeren Wortschatz oder mit einem angemessenen Stilgespür. Eine Zeit lang hatte eine Richtung der Linguistik, ausgehend von dem Aachener Physiker Wilhelm Fucks, Konjunktur, die mit statistischen Mitteln die Sprache eines Autors zu bestimmen versuchte. Die individuellen Abweichungen sollten ausreichen, die Autorschaft eines anonymen Textes zu enthüllen.
Jeder hat wohl in seinem Bekanntenkreis Talente für das Spielerische im Umgang mit der Sprache, Frauen oder Männer, die geradezu zwanghaft kalauern, Schüttelreime produzieren oder Neologismen erfinden. Die Sprache lädt zum Experiment ein, und häufig haben die Ergebnisse einen komischen Charakter. Der Sprachwitz ist eine Grundform des Witzes überhaupt. Sigmund Freud wusste darüber sehr genau Bescheid.
Jetzt hat Robert Sedlaczek Sprachwitze in einer ansehnlichen Sammlung bereit gestellt, die er mehr oder weniger überzeugend systematisiert, die man aber auch ohne Sehnsucht nach einer Typologie mit Gewinn und Vergnügen lesen kann – wobei die Anthologie an dem Defizit leidet, das alle Witzkonvolute kennzeichnet: dass die Verschriftlichung nicht immer für eine Form geeignet ist, die eigentlich den mündlichen Vortrag verlangt. Dass man auf einige „Witze“ eher gequält reagiert, weil sie nicht mit Absicht „blöd“, sondern einfach schwach sind, liegt in der Natur der Sache. Auch Sedlaczek hat einen eigenen Humor, den man nicht unbedingt teilen muss.
Zu den Kronzeugen Sedlaczeks und seines Interesses an den jüdischen Wurzeln des Witzes zählt Friedrich Torberg. Auch andere Quellen nennt der Autor gewissenhaft, manchmal kritisch. Die Erläuterungen liefern nützliche Fakten. Bei einigen Witzen zitiert Sedlaczek mehrere Versionen, die zugleich deutlich machen, wie man einen Witz „gut“ erzählt. Nicht alle Witze sind Sprachwitze im eigentlichen Sinn. Und dass viele Beispiele erkennbar aus Österreich stammen, dürfte sich der Herkunft des Autors verdanken. Auch die Verknüpfung von Sprachwitz und jüdischem Witz ist ost-mitteleuropäischer Provenienz. Im englischsprachigen Raum, in dem es ebenfalls eine starke Tradition des Sprachspiels gibt, hat diese nichts mit jüdischen Wurzeln zu tun. Zwar ist das Erzählen von Witzen – im Alltagsgespräch, als „Apropos“ – in Österreich (und erst recht in Ungarn) weitaus verbreiteter als in Deutschland, aber auch nördlich von Bayern gibt es Sprachwitz. Man denke nur, beispielsweise, an Werner Finck, der durchaus neben Karl Farkas bestehen könnte. Er gerät ebenso wenig in Sedlaczeks Visier wie Otto Reutter, das norddeutsche Gegenstück zum aus Brünn stammenden Armin Berg. Zu dessen größten Erfolgen gehören die Couplets Der Überzieher und Der gewissenhafte Maurer. Sie sind von Otto Reutter. Komisch wirken sie bis heute in beider Fassung. Mit Sprachwitz allerdings haben sie wenig zu tun.
Thomas Rothschild – 6. Juni 2020 ID 12283
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Sprachwitzen
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